Silvan Strauss – der Schlagzeuger, der immer lächelt. Er überraschte beim Überjazz”-Festival als Secret-Act beim Auftritt des Produzenten Farhot. Warum das Projekt das aufregendste war, erzählt er im Interview.

Titelbild: SMIKI:HVY FEELINGS

Silvan Strauss, Jahrgang 1990, ist ein talentierter Hamburger Drummer und Produzent, der für seine innovativen Ideen und vielseitigen Stile vor allem in der Jazz-Szene bekannt ist. Silvan hat Jazz-Schlagzeug an der “Hochschule für Musik und Theater ” in Hamburg studiert und ist Mitglied mehrerer Bands und Projekte wie ToyToy, dem Lisa Wulf Quartett oder der NDR Bigband. Er verbindet traditionelle Jazztechniken mit modernen Einflüssen. Sein Markenzeichen: Er lächelt fast immer – und überträgt so seine Freude auf das Publikum. FINK.HAMBURG hat Silvan Strauss im Rahmen des Überjazz”-Festivals im November nach seinem Konzert mit dem Produzenten Farhot interviewt.

FINK.HAMBURG: Wie oft warst du schon selbst auf dem „Überjazz”-Festival als Gast? 

Silvan Strauss: Seitdem ich studiere, fast immer. Ich kann mich gar nicht erinnern, wie oft genau. Aber ich habe hier sehr inspirierende Konzerte gesehen, die mich weitergebracht haben, zum Beispiel Robert Glasper.

Die Bands sind es also, die das Überjazz” für dich besonders machen. Gibt es noch was anderes?  

Die Location! Es ist nicht mitten in der Stadt, sodass man nicht vom Festival abgelenkt wird. Man kommt auf das Festival und es ist wie eine kleine eigene Welt, in die man eintaucht. Oft kenne ich Sachen nicht, die hier sind. Aber beim „Überjazz” kann man sich immer darauf verlassen, dass alles nice ist. 

Das Überjazz -Festival findet jährlich auf Kampnagel statt. Neben Jazz, werden in drei verschiedenen Hallen Soul, Hip Hop, Ambient und andere Musikrichtungen gespielt.

Gerade im Vergleich zum Elbjazz zum Beispiel? 

Das „Überjazz” ist undergroundiger. Hier sieht man Sachen, die in Deutschland nicht bekannt sind, aber in anderen Ländern voll. So kommt man auf neue Ideen.

Du hast ziemlich viel ausprobiert. Du warst bis nach dem Studium viel im klassischen” Jazz unterwegs. Wie kamst du darauf, andere Musikrichtungen auszuprobieren?  

Meine erste Band war eine Punkrock-Band. Das habe ich geliebt. Mein Papa hat sehr viel experimentellen Jazz gehört. Ich war bei meinen Punkrock-Platten und dachte mir, irgendwie will ich noch mehr am Schlagzeug machen. Dann habe ich in den Plattenschrank von meinem Vater gelinst und gedacht: Ah, der hat doch Platten, wo die Drummer voll die krassen Sachen machen. Und dann habe ich da reingefunden und dachte, er hat voll die Schätze. Ich habe nie die rohe Energie von Punkrock verloren. Aber auch andere Musikrichtungen waren wichtig: Ich habe immer viel Reggae und Hip-Hop gehört und habe angefangen das alles zu mischen. 

Was war bisher dein spannendstes Projekt, das du gemacht hast? 

Gerade eben auf der Bühne, das war auf jeden Fall eines der aufregendsten.

Warum?

Samplen: Bestimmte Teile eines Musikstückes werden entnommen und in neue Stücke eingebaut. Im Gegensatz zu einem Remix, werden bei Samples meist nur kleine Teile eines Songs entnommen und verändert. Sie sind dann nicht unbedingt leicht wiederzuerkennen.

Farhot ist jemand, der aus der Sample-Kultur kommt. Er ist immer auf der Suche nach geilen Momenten in der Musik. Diese samplet er und vermischt sie mit eigenen Ideen. Deshalb stellen wir Samples ironisch als kleinen Diebstahl hin, ganz nach dem Motto: „Das ist mein Diebesgut und ich habe was Neues daraus gemacht.”  – Daher kommt der Name der Platte „Stealing from Cats”. Cats sind Jazz-Musiker*innen.

Das Coole an der Musik ist dieser Gedanke der ständigen Weiterentwicklung. Man schnappt Ideen von den Meistern auf, verändert diese immer wieder ein bisschen, indem man seinen eigenen Touch dazu gibt, und dann passiert Evolution.

Für sein am 31. Mai 2024 erschienene Album “Stealing from Cats” hat sich der Produzent “Farhot” im Jahr 2023 auf dem „Überjazz” von anderen Jazz-Musiker*innen, sogenannte „Cats” inspirieren lassen. Im Jahr 2024 wurde das Album mit einer selbst zusammengestellten Band, unter anderem Silvan Strauss am Schlagzeug, als einmaliges Event auf dem „Überjazz” aufgeführt.

Wie wichtig findest du es, das von anderen Gelernte auf deine Art umzusetzen?

Das Leben hat schon dafür gesorgt, dass man eine eigene Stimme hat. Man kann jemanden suchen, der oder die einen inspiriert und das erstmal nachmachen. Allein das wird eigen klingen. Dieser Gedanke, der in der Sample Kultur sehr vordergründig ist, hat mir viel Druck genommen: Wenn ich den Groove von jemanden nachspiele, dann bin ich der, der diesen Groove spielt. Das ist meine Interpretation und das finde ich total befreiend. Ich muss mir also nicht einen Groove ausdenken, den es noch nie gab.

Du bist Drummer in der Band Toytoy. Mit ToyToy hast du als Single eine Cover-Version von „King Tubby Meets The Rockers Uptown” dieses Jahr rausgebracht. King Tubby gilt als einer der Pioniere der Dub-Musik und war selbst ein Jazzliebhaber. Warum habt ihr euch genau dafür als Single-Inspiration entschieden? 

Es ist, wie du sagst. Oft bringen Leute Genres nicht zusammen, verbaut durch Genre-Schubladen. Dabei war es schon immer so, dass verschiedene Musiken zusammenhängen und das macht auch Sinn. Gerade das Experimentieren und Kreativsein, ist in dieser sogenannten Jazzmusik der Kern der Sache. Dub-Pioniere wie King Tubby waren kreativ an ihren Mischpulten und Effektgeräten. Das ist für mich – als jemand der viel im Studio arbeitet – spannend: Wieso nicht genauso improvisatorisch und kreativ mit diesen ganzen Maschinen umgehen? Wieso müssen Dub und Jazz zwei getrennte Welten sein? 

Wie arbeitet ihr mit ToyToy zusammen: Versucht ihr euch viel Freiraum zu geben oder sind eure Stücke durchstrukturiert?

Das Schöne bei ToyToy ist, wir kennen uns mittlerweile so gut, dass wir wissen, wer an welcher Stelle einen Freiraum braucht und wer sich in welchem Freiraum am besten entfalten kann. Das habe ich mit keiner anderen Band. 

Woher kennt ihr euch? 

Wir kennen uns schon ewig. Mit Alex und Samu mache ich schon Musik, seitdem ich 14 Jahre alt bin. Darum können wir sehr bewusst mit diesen Freiräumen umgehen. Ich liebe das! Mit Toytoy ist es wie mit einer geölten Maschine.  

Würdest du sagen, ihr macht Jazz-Musik? 

Ne, so würde ich es gar nicht sagen. Ich würde immer sagen: experimentelle Groove-Musik. Wir versuchen immer Grooves zu spielen, die einen in Bewegung bringen. Alles andere ist dann irreführend, denn diese Schubladen führen ja tatsächlich Leute in die Irre. 

„Mit Toytoy ist es wie mit einer geölten Maschine”

Das ist schwierig, die Musik in ein Genre zu pressen. Das ist ja zum Beispiel auch bei dem „Elbjazz”-Festival das Problem.

Ich denke das ist ein allgemeines Problem von Konzertveranstaltungen zur Zeit. Es gibt so viele tolle verschiedene Musik-Acts die sich schlecht in ein eindeutiges Genre einordnen lassen und das auch nicht wollen. Ich liebe das, aber das macht es natürlich auch schwierig, Tickets zu verkaufen. Ich denke, wir Artists und die Veranstaltenden sollten da in Zukunft gemeinsam weiter daran arbeiten, dass sich ein Vertrauen aufbaut – gegenüber Festivals und Locations und auch gegenüber Bands. Wenn die Konzertgänger darauf vertrauen, dass es ein tolles Erlebnis wird, unabhängig davon, ob man alle Acts kennt oder sich alles einem bestimmten Genre zuordnen lässt. Das wäre super.

Eine letzte Frage haben wir noch: Wir sind ja ein studentisches Onlinemagazin für Hamburg: Welchen Tipp würdest du Absolvent*innen von deiner Hochschule, der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, mitgeben? 

Ich würde ein paar Bereiche highlighten. Für mich war zum Beispiel wichtig, dass es eine große Kontaktbörse war. Mit vielen Leuten aus dem Studium spiele ich immer noch. Dann würde ich sagen: Immer auch die Augen außerhalb der Hochschulwelt offen halten, weil nicht alle Musiker*innen, mit denen ich am liebsten zusammenspiele, studiert haben. Und es ist wichtig, einen Lehrer oder eine Lehrerin zu haben, die einem gutes Handwerk beibringt und zum Üben anstachelt. 

Luna Baumann Dominguez, Jahrgang 1996, hat ein Faible für das deutsche Lachshuhn. Das hat ihr in ihrem Lieblingskartenspiel “Hennen” schon einige Siege beschert. Sie ist in Mönchengladbach geboren, aber schon 13-mal umgezogen. Beim WDR in Köln machte sie ein Praktikum in der Wirtschaftsredaktion. Ihren Bachelor in Kommunikationswissenschaft begann Luna vor allem, um beim Uni-Radio in Münster zu arbeiten. Dort gründete sie die feministische Sendung “Equals” und interviewte Reggae-Musiker: Bei einem Dub-Inc-Konzert in Paris ließ der Schlagzeuger für sie sogar das französische Fernsehen warten. Die Leute im Ruhrgebiet - große Klappe, herzlich, immer direkt - vermisst sie schon jetzt. Kürzel: lun

Helen Kemmler, Jahrgang 1998, ist schon ein Chlorspeicher in die Luft geflogen. Denn für ihre Masterarbeit in der Gas-Chemie kochte sie vor allem im Labor an der FU Berlin und in Bologna. Durch die Berichterstattung in der Corona-Pandemie fiel der Chemikerin auf: Im Journalismus gibt es zu wenige Naturwissenschaftler*innen. Also verzichtete Helen auf eine Promotion. Stattdessen überquerte sie die Alpen und startete einen Blog über PFAS, Kontrabass und Berge. Außerdem arbeitete sie in einem Outdoor-Geschäft, wo sie unter anderem Klaas Heufer-Umlauf zum Schuhregal führte. Ihr Ziel: Wissenschaftsjournalistin, am liebsten bei Quarks. Kürzel: kem

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