Eine große Gruppe an Menschen steht in Badekleidung am Elbstrand
Eine große Gruppe an Menschen steht in Badekleidung am Elbstrand. Foto: Nele Junglas

Während Spaziergänger*innen in dicken Mänteln vorbeilaufen, stehen Menschen in Badebekleidung am Hamburger Elbufer. Es sind nur 7°C Grad, doch die Stimmung ist heiter. 154 Menschen haben sich versammelt, um in die Elbe zu springen – und dabei Gutes zu tun.

Von Nele Junglas und Valerie Bojcuk

Vor dem Eisbaden hält Katharina, eine der Initiator*innen, eine kurze Rede. Mit fester Stimme begrüßt sie durch ein Megafon die Teilnehmenden. Sie gibt die Wassertemperatur durch. Heute sind es 5,9°C Grad. Jubel und Applaus folgen, bevor sich die ersten ins kalte Wasser wagen. Einige rennen mutig hinein, andere tasten sich vorsichtig vor, tauchen erst die Zehen ein oder benetzen ihre Arme. Während manche die Kälte mit eiserner Miene ertragen, schnappen viele überrascht nach Luft oder lachen laut auf. Einige tauchen unter und schwimmen richtige Bahnen, andere halten sich an den Händen und feuern einander an. In warme Jacken gehüllt, jubeln Zuschauer*innen den Eisbadenden vom Ufer aus zu.

Bunte Mützen liegen auf einem Verkaufsstand
Die bunten Mützen werden ebenfalls für den guten Zweck verkauft. Foto: Nele Junglas und Valerie Bojcuk

Zwei bis drei Minuten bleiben die meisten Teilnehmenden im kalten Wasser, bis sie schnell hinauslaufen, sich zitternd in ihre Handtücher wickeln und versuchen, sich wieder aufzuwärmen. Sie trocknen sich ab und ziehen warme Kleidung an, bevor sie sich am Strand versammeln, um Tee oder Glühwein aus mitgebrachten Thermoskannen zu genießen. Viele bleiben noch eine Weile, um sich zu unterhalten, Erfahrungen auszutauschen, Fotos zu machen oder einfach die besondere Atmosphäre zu genießen. Klaus beschreibt es treffend: „Die kommen alle mit einem Strahlen raus und man merkt, es ist eine Gemeinschaft, die nur für eine kurze Zeit entsteht, aber es ist eine echte Gemeinschaft.“

Dieser Beitrag ist im Rahmen des Bachelorseminars “Digitale Kommunikation” an der HAW Hamburg entstanden und wurde ausgewählt, um auf FINK.HAMBURG veröffentlicht zu werden.

Eisbaden: Spenden für Frauen in Not

Von November bis Februar versammeln sich die sogenannten Eisbademeisters wöchentlich am Elbstrand, um Spenden für gemeinnützige Organisationen zu sammeln. Das Konzept ist simpel: Für jede Person, die sich ins kalte Wasser wagt, spenden Einzelpersonen oder Unternehmen einen festgelegten Betrag. Die gesammelten Gelder gehen direkt an gemeinnützige Organisationen, die wöchentlich wechseln. Heute gehen die Spenden an Ragazza e.V.. Der Verein aus St. Georg unterstützt obdachlose Frauen durch Beratungsstellen, Treffpunkte und Schutzräume sowie Notschlafplätze, medizinische Versorgung und Drogenkonsumräume.

Katharina von den Eisbademeisters spricht in ein Megaphon
Alles bereit zum Eisbaden? Katharina spricht ins Megaphon. Foto: Nele Junglas und Valerie Bojcuk

Mit Zettel und Stift in der Hand steht Katharina am Elbstrand und notiert sorgfältig die Namen der Teilnehmenden. Als Mitinitiatorin der Eisbademeisters sagt sie: „Wir wollen auf die Situation von Obdachlosen aufmerksam machen und gleichzeitig Spenden für Organisationen sammeln, die diesen Menschen helfen.“ Gemeinsam mit Klaus, ihrem Mann Michi und zwei weiteren Teammitgliedern organisiert sie seit Januar 2021 das Eisbaden für den guten Zweck.

Von Rostock nach Hamburg

Die Idee kommt aus Rostock: Eine Freundin von Katharina hatte dort von einer ähnlichen Aktion erzählt. Kurzerhand beschlossen sie und ihr Mann Michi die Eisbademeisters auch nach Hamburg zu holen. Während Katharina und Klaus immer selbst mit ins Wasser gehen, kümmern sich Michi und seine Schwester um den Aufbau und die Organisation vor Ort. Der weite Sandstrand mit Blick auf die Containerkräne bietet nicht nur eine eindrucksvolle Kulisse, sondern ist auch durch seine gute Erreichbarkeit der ideale Ort für das wöchentliche Eisbaden. „Hier können viele Menschen gleichzeitig ins Wasser gehen, was an anderen Orten schwierig wäre“, erklärt Klaus.

Ins Wasser wagen sich Menschen verschiedenster Hintergründe und jeglichen Alters. Sie knüpfen neue Bekanntschaften oder treffen alte Freunde. Unter ihnen ist heute auch Marco. In roter Badehose und blauer Mütze steht er am Ufer, bereit sich der Kälte zu stellen. Der Zahntechniker aus Hamburg ist schon seit 2021 dabei und ein bekanntes Gesicht bei den Eisbademeisters. Über einen Freund wurde er auf das Projekt aufmerksam, und die Idee, während der Pandemie anderen zu helfen, begeisterte ihn sofort. Ohne Vorbereitung tauchte er zu seinem ersten Eisbaden auf und sprang direkt ins kalte Wasser.

„Es war wirklich ganz, ganz schrecklich“

Heute hat Marco gelernt, worauf es ankommt: Die Hände aus dem Wasser zu halten und den Kopf warm zu bedecken. „Ich mag kein kaltes Wasser, ich finde es ganz furchtbar“, gesteht Marco offen. „Es war eine riesige Überwindung für mich, und es war wirklich ganz, ganz schrecklich. Aber am Ende ist man unglaublich demütig, wenn man da drin war und weiß, dass man danach warm duschen kann – etwas, das viele andere leider nicht können.“

Marco ist nicht der Einzige, der das Projekt schätzt. Während beim ersten Eisbaden einige Dutzend Menschen teilgenommen hatten, sind es mittlerweile oft Hunderte – Silvester 2022 waren es sogar 699 Teilnehmer*innen. Mitbadende übernehmen spontan Patenschaften. „Manche verzichten auf Geburtstagsgeschenke und spenden stattdessen“, erzählt uns Katharina.

Am Ufer liegen Kleidung und ein selbst geschriebenes Schild
Die Teilnehmer*innen machen auch mit Schildern auf die Aktion aufmerksam. Foto: Nele Junglas und Valerie Bojcuk

Neben den Patenschaften tragen auch die bunten Mützen der Eisbademeisters zur Spendensumme bei. Diese werden nicht nur als Schutz gegen die Kälte getragen, sondern sind auch ein sichtbares Symbol für die Aktion. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Mützen fließen in die Spendensumme ein. Auch die Strandperle, ein nahegelegenes Café, beteiligt sich. Durch den Verkauf von Eis werden zusätzliche Spenden gesammelt.

Doch es geht nicht nur um große Zahlen. Auch die Geschichten einzelner Teilnehmer*innen machen dieses Projekt so besonders. Eine ältere Frau mit Parkinson reist regelmäßig von weit her an, weil ihr das Eisbaden gesundheitlich hilft. „Da blüht mir das Herz auf“, sagt Katharina. Andere bringen Freunde oder Familie mit und machen das gemeinsame Eisbaden zu einem festen Ritual.

Ab ins kalte Wasser

154 Menschen sind diesmal in die kalte Elbe gesprungen. 1.426 Euro Spendengelder konnten heute gesammelt werden. Die Wintersonne verschwindet langsam hinter den Containerkränen, die letzten Teilnehmer*innen verlassen den Elbstrand. Schon nächste Woche, am Samstagmorgen, geht es wieder ans Eisbaden – für die nächsten Spenden, neue Begegnungen und ein bisschen mehr soziale Wärme.

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