Die Teilnehmer*innen stehen im Kreis um das Kunstwerk aus Müll. Aus Zigarettenstummeln steht geschrieben
Das Kunstwerk aus dem heute gesammelten Müll bei der Zigaretten-Sammelaktion. Foto: Andreas Noe

Einen Tag lang sammelten Freiwillige Kippenstummel auf St. Pauli – und machten daraus Kunst. Die Zigaretten-Sammelaktion ist Teil einer europaweiten Kampagne. Es gab einiges zu lernen. Etwa, dass es bis zu 15 Jahre dauert, bis ein Filter zersetzt ist.

Die ersten Zangen schnappen um kurz nach zehn Uhr morgens zu. Unter dem Motto „Kippen nicht schnippen“ ziehen Teams aus Freiwilligen los. Manche mit blauen Eimern und Zangen, andere mit Mülltüten in der Hand. Mal dumpf, mal klirrend, mal ganz stumm fallen die Fundstücke in blaue Plastikeimer. Auf zerbrochenes Glas, Plastikmüll, aber vor allem auf hochgiftige Zigarettenstummel haben es die Sammler*innen abgesehen. 

Europaweite Sammelaktionen zur UN Meereskonferenz

Die Meeresschutzorganisation Surfrider Foundation hat die Zigaretten-Sammelaktion als Teil der europaweiten Kampagne „Kippen nicht schnippen“ koordiniert. Vom 30. Mai bis 1. Juni 2025 wird in dutzenden Städten gesammelt, in Hamburg fand die Aktion Ende Mai statt.

Sogar Andreas None alias „The Trash Traveller” legt auf seiner Europatour einen Stopp an der Elbe ein. „Ich reise durch halb Europa auf dem Weg zur United Nations Meereskonferenz in Nizza”, so der Umweltaktivist. „Wir übergeben dort eine Petition für Meeresschutz. Die Zigaretten-Sammelaktion in Hamburg ist Teil seiner Reise. In sechs verschiedenen Ländern macht Andreas None Station, organisiert Clean-ups, schafft Kunstwerke aus Müll und lenkt dabei die Aufmerksamkeit auf die Petition, die sich gegen Tiefseebergbau und für den Erhalt sensibler Ökosysteme einsetzt.

Menschen stehen im Kreis um den gesammelten Müll.
Freiwillige Helfer*innen beteiligen sich an der Zigaretten-Sammelaktion Foto: Liliana Lütje

Im Park Fiction auf St. Pauli beugt sich eine Freiwillige mit konzentriertem Blick vor einer bunten Graffitimauer über den Boden. Mithilfe einer Müllzange zieht sie zwischen einer Fuge einen Zigarettenstummel hervor. Sie manövriert ihn in einen blauen Becher, den ein anderer Freiwilliger bereithält. Nach wenigen Minuten ist der Becher gut gefüllt mit weißen Filtern – einige ganz frisch und prall, andere von vielen Fußsohlen bereits zerfasert. 

„Müll gehört nicht auf dem Boden, Müll muss in die Tonne“, sagt eine Teilnehmerin. „Die Leute sollen lernen, nicht egoistisch zu sein, sondern ein bisschen sensibler dafür zu sein, wie viele Schadstoffe durch Zigarettenstummel in die Elbe, ins Grundwasser und ins Meer gelangen.“  

Zigarettenstummel = Umweltproblem

Zigarettenkippen gehören zu den am häufigsten gefundenen Abfällen in Städten, an Stränden und in Gewässern, wie der NABU in seiner Publikation „Plastikmüll und seine Folgen“ berichtet. In Deutschland werden pro Jahr rund 66 Milliarden Zigaretten geraucht, das entspricht etwa 181 Millionen täglich, berichtet das Statistische Umweltamt. Obwohl die Anzahl an Raucher*innen insgesamt rückläufig ist, greifen laut Bundesministerium für Gesundheit weiterhin rund 11,6 Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig zur Zigarette. Und ein erheblicher Teil der Kippen landet nicht im Mülleimer, sondern achtlos auf dem Boden, in Parks, auf Gehwegen oder direkt in der Natur. Laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation landen jährlich 4,5 Billionen Zigarettenstummel in der Umwelt, das entspricht rund zwei Drittel aller gerauchten Zigaretten.

Einmal in der Umwelt, zersetzen sich die Zigarettenstummel nicht biologisch, sondern setzen über einen langen Zeitraum hinweg hochgiftige und krebserregende Chemikalien frei. Zigarettenfilter bestehen aus Celluloseacetat, einem Kunststoff, der nicht biologisch abbaubar ist. In der Natur kann es bis zu 15 Jahre dauern, bis sich ein Filter zersetzt, im Meer sogar bis zu 400 Jahre. Währenddessen gelangen giftige Substanzen in die Umwelt: Eine einzige Kippe enthält rund 4.000 chemische Verbindungen, darunter Nikotin, Arsen, Blei und Quecksilber. Bereits ein einzelner Filter enthält durchschnittlich 310 Milligramm dieser Schadstoffe, genug, um innerhalb von 24 Stunden bis zu 1.000 Liter Wasser zu verunreinigen, berichtet die Surfrider Foundation in ihrem Tabakbericht 2024

Die Auswirkungen auf Ökosysteme sind gravierend: Schadstoffe reichern sich in Böden an, gelangen in Flüsse, Seen und Meere und bedrohen dort Pflanzen, Mikroorganismen und Tiere, warnt der Bund Landesverband Schleswig Holstein. Besonders in Städten ist das Ausmaß sichtbar. Zigarettenstummel sammeln sich in Straßenecken, zwischen Pflastersteinen, in Parks und auf Spielplätzen. Da Städte viele versiegelte Flächen haben, gelangen die Giftstoffe bei Regen und Wind besonders schnell in die Kanalisation und von dort unbehandelt in natürliche Gewässer. Somit endet das Problem nicht an der Stadtgrenze. Fische, Seevögel und andere Tiere verwechseln die kleinen weißen Filter häufig mit Nahrung.

Zwei Menschen legen aus Zigaretten den Schriftzug "Defend the Deep".
Unter Anleitung des Trash Travellers sortieren die Freiwilligen den Müll zu einem Kunstwerk.
Foto: Liliana Lütje

Der Müll gehört in die Tonne

Nach einer Stunde ist die Sammelaktion vorbei. Zigarettenstummel, die sonst draußen liegen geblieben wären, liegen in den blauen Eimern. Auf dem Boden werden die gesammelten Stummel nun sorgfältig ausgebreitet und vom Trash Traveller angeleitet zu einem Satz arrangiert. Am Ende bilden die gesammelten Zigaretten den Schriftzug: „Defend the Deep“ – ins Deutsche übersetzt: “Schützt die Tiefe”. Alte Sektflaschen und zerdrückte Hafermilchkartons stellen stilisierte Korallenriffe dar: fragil, bunt, bedroht.

Ein Schild der Surfrider Foundation erklärt die Sammelaktion.
Die Helfer*innen bereiten die Sammelaktion vor. Zwei Plastikflaschen sind bereits mit Zigaretten gefüllt.
Foto:Liliana Lütje

Übrigens: Wer Zigarettenstummel auf die Straße oder ins Blumenbeet wirft, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Wer erwischt wird, muss in Hamburg bis zu 40 Euro Strafe zahlen. Um dem Problem vorzubeugen, setzen viele Initiativen auf Prävention. Bei einigen Festivals und auch bei der Sammelaktion im Park Fiction werden Taschenaschenbecher verteilt, um Besucher*innen für das Problem der Zigarettenverschmutzung zu sensibilisieren. Die Stadtreinigung Hamburg hat rund zwei Drittel ihrer fast 22.000 Papierkörbe mit Aschenbechern ausgerüstet, um eine ordnungsgemäße Entsorgung zu erleichtern.

Die gesammelten Kippen aus dem Park Fiction landen nicht einfach im Restmüll. Sie werden, wie auch in anderen Städten der Kampagne, separat gesammelt und fachgerecht entsorgt, teilweise sogar recycelt. Denn selbst der Filter aus Celluloseacetat lässt sich mit speziellen Verfahren weiter verwerten.

Liliana Lütje, Jahrgang 2003, setzte als Kind die Küche ihrer Großmutter in Brand. Positive Erinnerungen hat sie hingegen an ihre Zeit als Kinderreporterin, weshalb sie später Digitale Medien mit dem Nebenfach Wirtschaftspsychologie in Hamburg und Lüneburg studierte. Ihre Stärke im Marketing beweist sie in der Betreuung von medizinischen Social Media Kanälen. Kreativ wird Lilli auch abseits des Bildschirms, am liebsten beim Basteln. Ansonsten hat sie fast immer einen guten Rat parat, das zeigte sie auch im “Eltern”-Magazin.
Für gute Geschichten brennt sie noch immer.
Kürzel: lit

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