Einige Hamburger Museen setzen sich sichtbar mit ihrer kolonialen Vergangenheit auseinandern – andere verstecken diese noch hinter ihren Objekten. Dem Publikum wird zu wenig zugemutet, meinen Hasset Tefera Alemu und Hendrik Heiermann von FINK.HAMBURG.
Titelbild – aufgenommen im Museum für Kunst und Gewerbe: Hendrik Heiermann
Herzlichen Glückwunsch, Hamburg! 15 Jahre Städtepartnerschaft mit der tansanischen Hafenstadt Dar es Salaam – gefeiert mit Tanz, Theater und Mitmachaktionen. Da wird gesungen, gekocht, akrobatisiert, und wer ganz mutig ist, lernt sogar ein paar Worte Suaheli. Ein kultureller Austausch, der sich sehen lassen kann – zumindest scheint es so beim Blick auf das einwöchige Jubläumsprogramm.
Und es gibt nicht nur leichte Kost: Beim Städtepartnerschaftsfest in Planten un Blomen wird der Maji-Maji-Aufstand von 1905 gegen die deutsche Kolonialmacht als Theaterstück verhandelt. Eine Gruppe tansanischer, deutscher und internationaler Gäste thematisiert den Kolonialkrieg und fordert dazu auf, die deutschen Kolonialverbrechen zu reflektieren. Anlass genug um an die Orte in Hamburg zu blicken, an denen tagtäglich Relikte kolonialer Vergangenheit öffentlich ausgestellt werden.
Zurückgeben und darüber reden
Wer in den Museen der Stadt den Deep Dive wagt, findet heraus: Da tut sich was. Im Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK) etwa arbeiten die Kurator*innen sich sichtbar und selbstkritisch an der kolonialen Vergangenheit des Museums ab. Es wird restituiert – das bedeutet, dass Kulturgüter dorthin zurückgegeben werden, wo sie entwendet wurden. So geschehen mit den ersten Benin-Bronzen, der insgesamt 179 Objekte aus dem ehemaligen Königreich Benin, die im Zuge einer kolonialen Invasion von britischen Soldaten geraubt und im Anschluss verkauft wurden. Es wird kontextualisiert, indem die Invasion als auch der Rückgabeprozess nach Nigeria in der Ausstellung selbst thematisiert wird. Und sogar Pippi Langstrumpf darf im MARKK nicht mehr einfach so ins Taka-Tuka-Land segeln, ohne dass jemand fragt: Warum eigentlich?

Auch im Museum für Kunst und Gewerbe am Hamburger Hauptbahnhof wird offen über politische Schwierigkeiten bei Rückgaben kolonialer Raubkunst gesprochen. Bis zur tatsächlichen Rückgabe eines Objekts ist es ein langer Weg: Erst müssen Herkunft und Kontext geklärt werden, dann braucht es die politische Bereitschaft – etwa im auswärtigen Amt – zur Rückgabe und schließlich die Möglichkeit, das Objekt im Herkunftsland sinnvoll zu übergeben.
Hier ein Beispiel: Ein Marmorpaneel aus dem afghanischen Königspalast in Ghazni wurde 2019 wurde ans afghanische Nationalmuseum in Kabul restituiert – nicht ganz ohne bürokratische Verrenkungen. Das Museum musste die Stadt Hamburg um Freigabe bitten, die Stadt wiederum das Auswärtige Amt einschalten, das schließlich über die afghanische Botschaft den Kontakt ins Krisengebiet herstellte.
Am Ende stand eine erfolgreiche Rückgabe und ein transparenter Prozess: Das Museum gab öffentlich zu, es sei ein Fehler gewesen, das Paneel im Jahr 2012 anzukaufen, ohne die genaue Herkunft zu kennen. Zudem weisen in der Ausstellung orangene Pfeile inzwischen auf Objekte mit kolonialer oder NS-Vergangenheit hin, fast wie ein Navigationssystem durch eine Sammlung, die lange keine Landkarte ihrer eigenen Geschichte hatte.
Eigenes Erbe nicht verstecken
Noch nicht so gut läuft es im Internationalen Maritimen Museum Hamburg. Dort gibt es Schiffsmodelle, Kapitänsmützen – und irgendwo auf Deck Zwei eine kleine Ecke mit roten Linien auf einer Weltkarte, die an den Sklavenhandel erinnern. Wer nicht zufällig reinläuft, wird kaum zu sehen bekommen, dass Hamburgs Reedereien einst versklavte Menschen transportierten, wie heute Container. Zu den Folgen der Reisen von Kolumbus, Vasco da Gama oder Hamburgs eigenen Kolonialakteur*innen schweigt die Ausstellung weitgehend. In Führungen durch das Museum werden die Verbrechen des Kolonialismus zumindest als das benannt, was sie waren: Ausbeutung, Versklavung, Mord.
Harrys Hamburger Hafenbasar zeigt Masken aus Afrika, Waffen aus Asien und Holzfiguren aus Südamerika – der Ursprung ist nicht immer klar, die Stücke wurden durch Seefahrende über viele Jahrzehnte gesammelt. Auch Schrumpfköpfe sind zu sehen. Die Besuchenden staunen über die zahlreichen Objekte. Eine Einordnung und Angaben zum Ursprung der Exponate bekommt, wer mit der Kuratorin persönlich spricht.
Für Friederike Odenwald, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Globalgeschichte der Universität Hamburg, ist das zu wenig. „Es wäre schon viel gewonnen, würde man im Museum kennzeichnen, dass man die Herkünfte nicht nachvollziehen kann”, sagt Odenwald. Es ginge auch, darum was ein deutsches, weißes Publikum lernt, sobald es den Hafenbasar betritt. Carolin Uhde, Kuratoin des Hafenbasars, wünscht sich hier mehr Austausch mit der Wissenschaft, sieht aber “die historische Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit der HafenCity nicht als Aufgabe unseres Museums, sondern eher bei der Stadt, etwa durch eine gezielte Informationsstelle im öffentlichen Raum, wie sie im Baakenhafen sinnvoll wäre”, so Uhde.
Hier wird ein Problem sichtbar: Den Besuchenden wird in einigen Häusern noch zu wenig zugetraut. Warum soll es nicht möglich sein, die Seefahrt zu bestaunen und Objekte in ihrer kulturellen Bedeutung darzustellen – und gleichzeitig zu zeigen, unter welchen Umständen sie nach Hamburg gekommen sind? Noch zu selten steht über der Vitrine: “Das hier ist Raubkunst.” Oder: “Diese Figur war mal Teil eines religiösen Rituals, bevor sie auf einem Dampfer nach Europa kam.”
Sich mit denen eigenen Objekten in dieser Hinsicht auseinanderzusetzen und die gewonnen Erkenntnisse – oder auch die Tatsache, dass es keine gibt – mit dem Publikum zu teilen, sollte heutzutage zum kuratorischen Prozess dazugehören.