Blick auf den Baakenhöft in Hamburg an einem regnerischen Tag
Blick auf den Baakenhöft, wo das neue Opernhaus gebaut werden soll. Foto: Paul Sieben

Ein Opernhaus als Geschenk – und als Zündstoff: Hamburg bekommt Kultur für 330 Millionen Euro, doch was zählt mehr – Glanz oder Gemeinwohl? Ein Kommentar von Paul Sieben über Macht, Mäzene und Verantwortung.

Hamburg bekommt ein neues Opernhaus in der Hafencity. Der gebürtige Hamburger Multimilliardär Klaus-Michael Kühne baut der Stadt Hamburg eine neue Oper, die nach der Fertigstellung in den Besitz der Stadt übergehen soll und die neue Heimat der Hamburgerischen Staatsoper werden soll. Kühne, ein begeisterter Operngänger, mag das alte Opernhaus in der Dammtorstraße nicht. Ist das neue Opernhaus also die Möglichkeit für das Selbstdenkmal eines Milliardärs? Und was hat Hamburg eigentlich von einem neuen Opernhaus?

Zweifelsohne ist ein neues Opernhaus ein kulturelles Geschenk. Kühnes Stiftung übernimmt die Baukosten von 330 Millionen Euro, die Stadt unterstützt die grundstückspezifischen Mehrkosten (u.a. Grundstückverhältnisse und Flutschutz), stellt das Grundstück zur Verfügung und finanziert später den Betrieb. Das klingt verlockend: ein Prestigeprojekt ohne direkte monetäre Belastung. Doch das vermeintlich „kostenlose“ Haus wirft Fragen auf: über Prioritäten, Macht und historische Verantwortung.

Brauchen wir eine neue Oper in Hamburg?

Erstens: Trotz gestiegenem Kulturhaushalt in Hamburg trägt der neue Haushalt wegen gestiegener Betriebskosten und den Folgen der Corona-Pandemie nicht zur Verbesserung des Kulturbetriebs bei, sondern erhält diesen höchstens. Der Bau von Klaus-Michael Kühne droht zum Symbol einer Kulturpolitik zu werden, die Prestige über Kulturförderung stellt. Kunst entsteht nicht im Elfenbeinturm, sondern durch ein lebendiges kulturelles Ökosystem. Braucht die Stadt glitzernde Architektur – oder nicht dringender zukunftsfeste Investitionen in Ausbildung, bezahlbare Ateliers und diversere Kulturangebote?

Zweitens: Die Kühne-Familie profitierte im Nationalsozialismus durch jüdische Enteignungen und günstige Aufträge im Rahmen der sogenannten „M-Aktion“, bei der sein Unternehmen zurückgelassenen Hausrat und Möbel von verfolgten und ermordeten Juden und Jüdinnen ins Reichsgebiet transportierte. Klaus-Michael Kühne hat diese Vergangenheit bis heute nie öffentlich aufgearbeitet. Sein Opernhaus wäre damit nicht nur Kulturort, sondern auch ein Mahnmal der Verdrängung. Kann man eine neue Oper von der Geschichte des Gebers trennen? Wenn Kulturinstitutionen Räume der Reflexion sein sollen, wie soll dann mit Mangel an Reflexion umgegangen werden?

Damit ist es nicht getan

Die Entscheidung ist komplex: Hamburg darf nicht zum Erfüllungsgehilfen privater Interessen werden. Ein zweckgebundenes Geschenk aus bloßem Unbehagen abzulehnen, scheint dennoch zu kurz gedacht. Entscheidend ist, wie die Stadt damit umgeht. Der Betrieb muss transparent bleiben, Kühnes Einfluss auf Programm und Personal konsequent ausgeschlossen werden. Zudem sollte das Haus selbst zum Diskurs über Mäzenatentum und historische Verantwortung einladen – z. B. durch Formate, die die eigene Entstehung kritisch hinterfragen.

Ein Geschenk muss nicht schweigend empfangen werden. Es darf Anlass für Diskurs sein: Wem „gehört“ Kultur? Welche Pflichten hat Geld? Und wie viel Verantwortung kommt mit Schenkungen?

Die neue Staatsoper ist ein umstrittenes Thema, auch in der FINK.Hamburg Redaktion. Redakteurin Clara Gödecke hat eine etwas andere Sicht auf das Thema als Paul. Hier kommst du zum Kommentar von Clara.

Je größer das Universum, desto spannender. Was so astrophysikalisch klingt, ist in Wirklichkeit das Motto des Popkultur-Enthusiasten Paul Sieben. Wenn Paul, Jahrgang 1996, über seine liebsten fiktiven Welten redet, leuchten seine Augen: Netzkultur, Storytelling, Nerdkram. Paul hat der Sozialarbeit den Rücken gekehrt und Medien- und Kommunikationswissenschaften in seiner Heimatstadt Hamburg studiert. Volleyball schaut er gern. Weil er bei jedem Spiel war, ist er sogar vom Fan zum inoffiziellen Manager aufgestiegen. In einem ganz bekannten Steinzeitmuseum hat er Hausverbot. Wie es dazu kam? Das sind die Mysterien von Pauls eigenem Universum. Kürzel: psi

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