
Wie geht es den Vögeln in Hamburg? Steht ihnen eine düstere Zukunft bevor? Bei den Vogeltouren des Nabu kann man Neues lernen – und sogar ein paar positive Überraschungen erleben.
Mit einem Klick schließt Matthias Votel die Schnalle seines Brustgurtes, und ein Fernglas baumelt vor ihm. Er kramt in seiner grau-beigen Weste nach seiner Brille. Auf seinem Ärmel prangt in blauen Stickereien „Nabu“. Die Abendsonne blitzt durch die Baumwipfel, goldenes Licht bringt Insekten und Pollen zum Leuchten. Matthias Votel begrüßt die Besucher*innen zu einer Vogelführung des Nabu-West. Heute ist er mit größtenteils pensionierten Teilnehmer*innen auf dem Blankeneser Friedhof in Sülldorf. Unter ihnen sind auch Maya und Ihr Mann. Sie sind das erste Mal dabei und freuen sich darauf, einige Vögel in Hamburg zu Gesicht zu bekommen.
„Ich habe noch ein Fernglas, braucht jemand eines?“, fragt Votel in die Runde. Kollektives Kopfschütteln, fast alle haben ihr eigenes Fernglas bereits umgehängt.
Mönchgrasmücke, Buntspecht und ein “zartes Didüdidudidüt”
Seit über 20 Jahren leitet Matthias Votel Vogelführungen in Hamburg. Obwohl er kein Biologe ist, sondern als Schifffahrtskaufmann arbeitete, ist er ein leidenschaftlicher Hobby-Ornithologe. Die vogelkundlichen Touren leitet er ehrenamtlich.

„Für mich ist Vogelbeobachten Leidenschaft und keine Wissenschaft“
Votel hofft auf eine „ähnlich gute Ausbeute“ wie am Vormittag; bei der morgendlichen Führung, die um acht Uhr begann, konnte er über 25 verschiedene Vogelarten beobachten.

„Was ist denn dieses zarte Didüdidudidüt?“, fragt eine Besucherin. Votel überlegt kurz, ist sich, anders als sonst, diesmal aber nicht sicher. Er vermutet, dass es sich um einen Fitis – ein kleiner braun-gelber Singvogel – handelt. Immer wieder teilt er sein Wissen über die Vielfalt und den Gesang der Vögel in Hamburg. Wenige hören die ganze Zeit zu. Dennoch bildet sich stets eine Traube um Votel, wenn er etwas erklärt. Weiß er einmal nicht weiter, zückt er sein Handy und schaut dort selbst nach. Beim ersten Halt der Gruppe sichtet Votel eine Ringeltaube, ein Gimpelpaar und mehrere Mauersegler. Später sollen Mönchgrasmücke, Buntspecht und einige andere folgen.
Eine Ringeltaube hüpft auf eine andere, die Senior*innen kichern. Nach wenigen Sekunden ist die Paarung beendet. „Das ist ja fast wie zu Hause“, sagt jemand.

Vögel in Hamburg füttern, aber richtig

„Was halten sie von Vogelfüttern im Sommer?“, fragt ein Besucher. Es kommt zu einer Diskussion zwischen Votel und seinem Kollegen Thomas Hartmann, mit dem er gelegentlich auch gemeinsam Vogelführungen leitet. „Früher war es eigentlich gang und gäbe, nur im Winter zu füttern. Da gab es auch Vogelfutter gar nicht im Sommer zu kaufen. Jetzt ist es überall“, sagt Hartmann. Auch für den Nabu sei der Verkauf von Vogelfutter lukrativ. Zahlreiche Produkte findet man auf der Seite des Nabu.
Sollen im eigenen Garten Vögel wie Rotkehlchen, Blau- oder Kohlmeisen oder auch Finken heimisch sein, so sei das Füttern auch das ganze Jahr über in Ordnung, sagt Votel. Es sei jedoch viel besser, den Garten so zu gestalten, dass heimische Sträucher und Pflanzen als natürliche Nahrungsquelle für Vögel dienen. „Da ist das Geld wesentlich besser angelegt.“ Wer auf die bunten Vögel im Garten nicht verzichten möchte, sollte darauf achten, nicht zu viel zu füttern, die Fütterungsorte sauber zu halten und darauf zu achten, dass das Futter nicht mit Kot verunreinigt wird. Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern e.V. empfiehlt daher sogenannte Fütterungssäulen.
Die Vogelpopulation wandelt sich
Und wie geht es den Hamburger Vögeln? Seit Votel Vogelführungen für den Nabu leitet, „hat sich das Artenspektrum enorm geändert“, sagt er: „Viele Vogelarten sind extrem selten geworden.“ Vögel wie die Feldlerche, Bekassinen oder auch Kiebitze seien heute deutlich seltener anzutreffen als noch vor einigen Jahren.
Diesen Eindruck von Votel und Hartmann bestätigt auch die Wissenschaft: Das Pan-European Common Bird Monitoring Scheme (PECBMS) ist eine in Tschechien sitzende, unter anderem von der Europäischen Kommission geförderte Organisation zur Überwachung der Vogelpopulation in Europa. Laut der Erhebungen des PECBMS sinkt die Zahl der Brutvögel seit den 1980er-Jahren stetig. Besonders betroffen sind feldbrütende Vögel. Ihre Population ist in den letzten 40 Jahren um mehr als 60 Prozent zurückgegangen. Veränderungen gibt es auch im Zugverhalten der Vögel, sagt Votel: „Viele Vögel gehen aufgrund der steigenden Temperaturen gar nicht mehr in den Süden, sondern bleiben hier.“
Wedeler Marsch als Vorzeigeprojekt?
Durch die veränderten Lebensumstände gibt es jedoch auch Arten, die sich erstmals dauerhaft ansiedeln oder deren Population sich in Hamburg vergrößert hat. So sind in Wedel seit Anfang der 2000er-Jahre Fischadler zu beobachten. „Das hat es vorher noch nie gegeben“, so Hartmann. Der in den 1970er-Jahren fertiggestellte Deich hatte die Wedeler Marsch von den Gezeiten abgeschnitten, was zu einer Veränderung der Artenvielfalt führte. „Durch geplante Ausgleichsflächen und aufwendig transportierten Kleiboden entstanden Flachwasserflächen. So wurde neuer Lebensraum geschaffen“, erinnert sich Hartmann. Insgesamt zeigt sich, dass sich Veränderungen durch den Menschen auch positiv auf die Vogelwelt auswirken können.
Es gibt einige Kinder- und Jugendgruppen, und der Nabu arbeitet auch mit Schulen zusammen. Wichtig sei es jedoch, dass die kommenden Generationen sich genauso um die Natur sorgen und kümmern wie bisher, so Votel. Er wünscht sich, „dass der Nabu auch in Zukunft Menschen für den Naturschutz begeistern kann und die Rechte der Natur bei der Politik vertritt.“ Und, dass in Zukunft auch jüngere Menschen zu seinen Führungen kommen.
Hobby Ortnithologie – mehr als spazieren gehen
Die Führung neigt sich, früher als geplant, dem Ende entgegen – auch, weil die Vogelausbeute heute Nachmittag eher mau ausfällt. Maya ist heute bei der Führung, weil sie Votel noch „von früher“ kennt. Ihr Fazit fällt positiv aus: „Mich freut besonders, dass ich heute zum ersten Mal einen Gimpel gesehen habe. Die kenne ich bisher nur aus Büchern.“ Ihrem Mann Christian, der gerade eine Ausbildung zum Jäger macht, hat bei ihrem ersten Besuch besonders die ruhige Stimmung gefallen. Er würde jedoch nächstes Mal näher bei Votel bleiben, um noch mehr Informationen über Vögel in Hamburg mitzubekommen.
Während die Sonne untergeht, schnallen die meisten Teilnehmenden ihre Ferngläser wieder ab und genießen die letzten Sonnenstrahlen. Einige beobachten noch weitere Vögel. Irgendwo hoch oben in den Bäumen zwitschert eine Singdrossel – oder doch eine Mönchgrasmücke?
Zwischen März und August sind auf der Website des Nabu 137 Vogelführungstermine angekündigt.
Der Nabu ist einer der größten Vereine Deutschlands mit rund 960.000 Mitgliedern. Im Hamburger Nabu sind etwa 30.000 Menschen organisiert.
Seit den 1940er-Jahren organisiert der Nabu bereits vogelkundliche Führungen.
Der 1899 in Westdeutschland gegründete Verein Bund für Vogelschutz schloss sich 1989 mit der Schwesterverieinigung Naturschutzbund der DDR zum heutigen Nabu zusammen.
Beim Thema Barrierefreiheit ist noch viel zu tun – findet Lovis Wiefelspütz, geboren 1997 – und es geht nicht nur um Rampen. Über Inklusion und Gleichberechtigung spricht er in seinem Podcast “Hürdenläufer” und sein Buch “Die Reise unseres Lebens” handelt von der inklusiven Weltreise mit seinem besten Freund. Stillstand nervt ihn, den mag Lovis auch in seiner Freizeit nicht. Da schreibt er Songs, fotografiert, spielt Fußball, bouldert oder hält Vorträge zum Thema Diversität. Seinen Bachelor hat er in Medienwirtschaft und Journalismus in Wilhelmshaven absolviert und war Chefredakteur von “Campus life”, dem Studierendenradio. Jetzt konzentriert er sich wieder auf seine Heimatstadt Hamburg. Kürzel: low