Im Jahr 2021 erhielt die Gynäkologin Bärbel Grashoff die Diagnose Brustkrebs. In ihrem neuen Buch schreibt sie über die Krankheit. Mit bunten Illustrationen wird die Krankheit einfühlsam und verständlich erklärt, ganz ohne Panikmache.

„Wie konnte mein Körper mir das nur antun? Ohne Vorwarnung, ohne Hinweis. Das war Hochverrat”, liest Bärbel Grashoff aus ihrer Graphic Novel vor. Mit diesen Worten beschreibt sie ihre Reaktion auf ihre Brustkrebs-Diagnose. Das Publikum im Saal ist still – einige Frauen nicken. Wir können nur vermuten, wie viele Frauen im Saal selbst betroffen sind. Die Stimmung an diesem Abend ist zu keinem Zeitpunkt traurig. 

Auf dunklen Holzstühlen sitzen Frauen gemischten Alters, vereinzelt auch Männer. An den stuckverzierten Decken hängen Kronleuchter und tauchen den Saal des Literaturhauses in ein warmes Licht. Die Blicke der Besuchenden sind auf die vier Frauen auf der Bühne gerichtet.

Lesung im Literaturhaus Hamburg

Die Illustration zeigt eine bearbeitete Darstellung eines nackten weiblichen Oberkörpers mit einer gebrochenen Glasstruktur über der rechten Brust. Das soll den Brustkrebs darstellen.
„Das Ende der Unversehrtheit – Eine Graphic Novel über Brustkrebs” von Dr. med. Bärbel Grashoff und Marie Luisa Kerkhoff. Illustration: Marie Luisa Kerkhoff

Auf der Lesung spricht Bärbel Grashoff über ihre Graphic Novel „Das Ende der Unversehrtheit.” 2021 erhielt die Gynäkologin Bärbel Grashoff die Diagnose über die Krankheit und wechselte damit die Seiten ‒ von der Ärztin zur Patientin. „Es war ein Schockmoment. Auch wenn ich als Ärztin zu jedem Moment wusste, was kommt”, erzählt sie.

Auch die Autorin Reyhan Şahin liest an diesem Abend aus ihrem Buch „Amazonenbrüste” vor. Wie Grashoff ist auch sie an Brustkrebs erkrankt und erzählt in ihrem Roman über die Erfahrung.

Comic statt dicker Wälzer

„Das Ende der Unversehrtheit” ist ein Graphic Novel ‒ ein Buch, das aus gezeichneten Bildern und Text besteht. „Ich fand die Kombination aus Wort und Bildinformation genial. Das ist so ein tolles Format, um komplexe Zusammenhänge zu erklären, wie auch Brustkrebs”, sagt Grashoff.

Zwischen persönlichen Geschichten und Aufklärung

Die Graphic Novel liefert medizinische Erklärungen zu Begriffen rund um Brustkrebs. So werden Behandlungswege, die Klassifizierung von Brustkrebs nach Größe und Aggressivität und das Thema Nachsorge behandelt. Dreht man das Buch „Das Ende der Unversehrtheit” um 180 Grad, findet man einen Abschnitt zur Früherkennung. Das Abtasten ist detailliert illustriert.

Das Ende der Unversehrtheit” ist geprägt von Grashoffs autobiographischen Erzählungen und Erfahrungen anderer betroffener Frauen, die sie kennengelernt hat. Ich schreibe, um zu verstehen, was passiert ist, und um zu vermitteln, dass du mit deinen Gedanken, Ängsten und Sorgen nicht allein bist,” sagt sie.

Illustration einer Frau mit blonden Haaren und blauem Oberteil sitzt auf einer Bank.
Die Comic-Figur von Dr. Grashoff. Illustration: Marie Luisa Kerkhoff

Grashoff selbst tritt als skizzierte Frau mit blonden Haaren und blauem Oberteil in der Graphic Novel auf. Über Sprechblasen erfährt man ihre Gedanken und Gefühle. Das Buch begleitet mehrere Frauen ab dem Zeitpunkt ihrer Diagnose. Die Graphic Novel zeigt, wie eine Diagnose einen normalen Tag in die Zeit „davor” und die Zeit „danach” trennt. Veranschaulicht wird das durch einen rosa gezeichneten „Handlungsstrang”, den die Frauen in der Hand halten.

Auf der Lesung erklärt die Gynäkologin „zu jedem kommt die Krankheit auf einem anderen Weg”.

Zweiseitige Comicseite über den Tag, an dem Grashoff ihre Diagnose Brustkrebs erhielt. Sie zeigt verschiedene Frauen, die in unterschiedlichen Situationen in ihrem Leben sind und die eine Diagnose treffen kann.
Tanja hält den rosa gezeichneten „Handlungsstrang” in ihrer Hand, den ihre Diagnose in die Zeit „davor” und die Zeit „danach” trennt. Illustration: Marie Luisa Kerkhoff

Dem abstrakten Brustkrebs ein (buntes) Gesicht geben

Die Graphic Novel zeichnet sich aus durch farbenfrohe Illustrationen von abstrakten Elementen, wie dem „Handlungsstrang”. Bewusst entschied sich die Illustratorin Marie Luisa Kerkhoff dazu, eine kräftige und humoristische Bildwelt zu verwenden, um Leser*innen Mut zu machen. „Die Bücher, die man sonst zu so schwierigen Krankheiten kaufen kann, sind sehr blass,” sagt Kerkhoff. Ihr Ziel ist es Dingen, die normalerweise nicht greifbar sind, ein Gesicht gegeben. „Für den Tumor eine Figur zu finden war echt schwer. Ich wollte ihn erst als Trump zeichnen, aber dann dachte ich, das bleibt nicht aktuell,” erzählt sie. Letzendlich wurde der Tumor ein kleines rotes Kerlchen mit großem Maul und einem Auge. Es sitzt auf dem Sofa und frisst Kuchen.

Ein rotes Männchen sitzt auf einem Sofa und frisst Kuchen. Es stellt Brustkrebs dar.
Doch kein Trump: Letzendlich entschied sich Kerkhoff dazu, den Tumor als Kuchen fressendes rotes Kerlchen darzustellen. Illustration: Marie Luisa Kerkhoff, Ankerwechsel Verlag

Im Jahr 2022 begannen die Ärztin und die Illustratorin Kerkhoff mit der gemeinsamen Arbeit an der Graphic Novel. „Frau Dr. Grashoff hat gesagt: ‚Die Bücher, die ich über Brustkrebs habe und die ich meinen Patientinnen empfehlen muss, gefallen mir nicht. Die sind grau, die sind freudlos. Man muss sich total reduzieren im Leben. Plötzlich darf man nichts Leckeres mehr essen, man muss sich bestrafen und außerdem ist man selbst schuld.’ Das wollte sie ändern und dann war ich dabei,” erzählt Kerkhoff über den Beginn ihrer Zusammenarbeit.

„Die Bücher, die ich über Brustkrebs habe und die ich meinen Patientinnen empfehlen muss, gefallen mir nicht.
Die sind grau, die sind freudlos.”

Zwei lachende Frauen sitzen auf einem Sofa vor einem Bücherregal.
Im Jahr 2022 begannen die Gynäkologin Dr. Bärbel Grashoff und Illustratorin Marie Luisa Kerkhoff mit der gemeinsamen Arbeit an der Graphic Novel. Foto: Tobias Rägle

Hilfestellung für Betroffene und Angehörige

Auch die Verlegerin Harriet Dohmeyer war unzufrieden mit dem Bücherangebot über die Krankheit. „Es gibt trockene Sachbücher und Romane, bei denen das dramaturgisch genutzt wird. Das ist nicht unbedingt das, was du als Angehörige lesen möchtest,” erzählt sie. Dohmeyer gründete 2017, während ihres Studiums „Digitale Kommunikation” an der HAW Hamburg, den Verlag Ankerwechsel, in dem nun die Graphic Novel erschienen ist. Als ihr die Buchidee vorgestellt wurde, begleitete sie gerade selbst eine Person durch eine Chemotherapie. „Ich bin Graphic Novels sehr offen gegenüber. Wenn es Leuten hilft, Zugang zum Thema Brustkrebs zu finden, ist das großartig,” sagt Dohmeyer. 

„Das Ende der Unversehrtheit” richtet sich an Patient*innen, aber auch deren Angehörige sollen von dem Buch profitieren. 

Jede achte Frau in Deutschland erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Nach dem aktuellen Bericht des Krebsregisters Hamburg erkrankten im Jahr 2023 1.662 Hamburgerinnen an Brustkrebs ‒ knapp 30 Prozent aller Krebsdiagnosen. Darauffolgend sind Lungen- und Darmkrebs die häufigsten Krebsarten bei Frauen. Auch Männer können an Brustkrebs erkranken, der Anteil ist jedoch sehr gering. 2023 wurden in Hamburg 17 Fälle registriert. 

„Krebs ist nicht gleich Krebs,” sagt Grashoff auf der Lesung. In „Das Ende der Unversehrtheit” vergleicht sie die verschiedenen Tumorarten mit Katzen. Wie Katzen unterscheiden sich Tumore auch in Arten mit verschiedenen Größen, Charakteren und Gefährlichkeit. Am Tag ihrer routinemäßigen Mammographie, an dem Grashoff die Diagnose erhielt, traf sie Tanja. Die 44-Jährige taucht im Buch immer wieder auf. „Ich hatte eine Hauskatze. Tanjas Krebs war ein Tiger,” sagt die Frauenärztin. Auf dem Bildschirm hinter den Autorinnen und der Moderatorin ist eine Seite aus dem Buch zu sehen. Die Doppelseite zeigt eine bunte Dschungelszene, in der mehrere Frauen mit ihren Katzen zu sehen sind. Im Vordergrund sind die Comic-Figuren von Grashoff und Tanja zu sehen, wie sie mit ihren Katzen spazieren gehen „Ich habe keine Angst mehr vor ihm”, sagt Tanjas Figur und führt einen kräftigen Tiger an der Leine. 

Pinktober”: Awareness für Brustkrebs schaffen

Die Lesung im Literaturhaus ist eine der Veranstaltungen, die das Mammazentrum Hamburg im Rahmen des „Pinktober” organisiert hat. Das Mammazentrum Hamburg im Krankenhaus Jerusalem ist eines der größten DKG-zertifizierten Brustzentren Deutschlands. „Pinktober”” ist eine Kombination aus der Farbe Pink, die international für den Kampf gegen Brustkrebs steht, und dem Monat Oktober. „Der Oktober ist ein Aktionsmonat zum Thema Brustkrebs, der Sichtbarkeit für die Erkrankung und aber auch für Früherkennung bieten soll,” erklärt Dohmeyer. 

Zum Ende der Veranstaltung signieren Grashoff und Kerkfhoff noch die Bücher der Gäste. Besuchende beugen sich über den Tisch und sprechen gerührt mit ihnen. Eine Frau drückt die Hand der Autorin fest. Grashoff trägt einen pinken Blazer. Pink ist die Farbe dieses Abends. Sie ist eine Hommage an den Brustkrebs-Monat „Pinktober” –  und an starke Frauen.

Sophie Quaas, 2000 in Meißen geboren, ist USA-Kennerin: Ob als AuPair in San Diego, beim Wandern durch den Grand Canyon oder als Couchsurferin in Alaska, Sophie ist durch und durch Abenteurerin – Zelten auf Festivals ausgenommen. Ihren Bachelor machte sie in Medienforschung in Dresden. Dort arbeitete sie in einer Agentur im Employer Branding sowie in der Unternehmenskommunikation für Sunfire, eines der größten Wasserstoff-Unternehmen Europas. Für die Eröffnung einer neuen Produktionsstätte interviewte Sophie 2023 die Wirtschaftsministerin von NRW, Mona Neubaur – selbstverständlich auf Englisch. Ihr Plan für die Zukunft: Weitere Interviews als Journalistin führen. Kürzel: soq

Antonia Telgmann, Jahrgang 1999, hat früh gelernt, ihre Koffer zu packen. Sie hatte bereits in Dänemark und Singapur gelebt, als sie mit zwölf Jahren nach Hamburg zog. In Asien entdeckte sie ihre Leidenschaft fürs Schwimmen. 2016 kraulte sie bei der Deutschen Meisterschaft als Teil der Staffel. Später studierte sie Politikwissenschaft in Bremen und absolvierte ein Praktikum bei RTL Nord. Für die Onlineredaktion von Radio Bremen, Buten un Binnen, interviewte sie den Knigge-Rat, schrieb über ein Klimacamp für Kinder und berichtete über ehrenamtliches Engagement. Als Kind wollte sie sich bei „Wetten, dass..?“ bewerben – sie konnte alle „Bibi & Tina“-Kassetten am ersten Satz erkennen. Heute träumt sie davon, als Auslandskorrespondentin nach Singapur zurückzukehren.

Kürzel: tel

Paula Maria Coscia, Jahrgang 2000, kocht laut ihrer Freunde die beste Bolognese. Sellerie, Rotwein und (ihre italienischen) Wurzeln sind ihr Geheimnis. Passend zu ihrer Leidenschaft für Kulinarik berichtete sie als Videojournalistin für Sat 1 über die Torten einer familiengeführten Konditorei. Als sie 2019 in Hong Kong vor gewalttätigen Auseinandersetzungen fliehen musste, versteckte sie sich bei McDonalds. Dieses Erlebnis hat sie nicht davon abgeschreckt, die Welt weiter entdecken und darüber berichten zu wollen. Erst einmal geht sie nach Hamburg – nicht weit von ihrer Heimatstadt Kiel, wo sie Deutsch und Philosophie studierte. Kürzel: cos

Miriam Mair, Jahrgang 2001, reiste durch ganz Schweden, um das beste Zimtschneckenrezept des Landes zu finden. Dabei stolperte sie fast über einen Elch und ging freiwillig bei minus 20 Grad baden. In Passau studierte sie Journalistik und Strategische Kommunikation. Während eines Praktikums beim ZDF machte Miriam verschiedene Straßenumfragen. Auch PR reizte sie, bis sie eine Eiscreme vermarkten sollte, die sie nicht mochte. Da war klar: Sie wird Journalistin. Schon als Kind wollte sie werden wie Karla Kolumna, die rasende Reporterin. Das beste Zimtschneckenrezept kreierte Miriam übrigens schlicht selbst. Kürzel: mai

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