Hamburg hat sich entschieden. Bereits bis 2040 soll die Hansestadt klimaneutral werden. Der Zukunftsentscheid traf jedoch nicht in allen Bezirken auf Zustimmung.
Die Initiative “Hamburger Zukunftsentscheid” hat in einem Volksentscheid durchgesetzt, dass Hamburg bereits bis 2040 klimaneutral werden soll. Fünf Jahre früher als im bisherigen Klimaschutzgesetz vorgesehen. Zudem sollen jährliche Obergrenzen für den Ausstoß von Treibhausgasen verbindlich festgelegt werden.
573.278 Hamburger*innen haben ihre Stimme abgegeben. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von 43,7 Prozent. Bei der Verteilung der Stimmen im Stadtgebiet zeigen sich jedoch Unterschiede: Insbesondere die Bezirke im Stadtinneren liegen haben für den Klimaentscheid gestimmt, die Randbezirke größtenteils dagegen.
Unterschiedliche Lebensrealitäten
Betrachtet man die Ergebnisse auf einer Karte, wirkt es so, als würde der Volksentscheid die Stadt spalten. Laut Prof. Dr. Kai-Uwe Schnapp, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Hamburg, kann man jedoch nicht pauschal von einer Spaltung sprechen. „Sowohl außen als auch innen liegt die Zustimmung immer noch einigermaßen in der Nähe der 50 Prozent”, so Schnapp. „In den meisten innerstädtischen Stadtteilen liegt die Zustimmung zwischen 50 Prozent und 60 Prozent, selten geht es bis Mitte 70 Prozent. Entsprechendes gilt am Stadtrand mit häufigen Ablehnungsquoten von bis zu 60%, und selten darüber hinaus“, erläutert Schnapp. Das liege wahrscheinlich daran, dass die Einwohner*innen unterschiedliche Interessen haben. „Je weiter man in Hamburg in die Randbezirke geht, desto mehr trifft man auf eine Klientel, die in Eigenheimen wohnt“, so Schnapp. Durch den Besitz des Wohneigentums hätten diese Gruppen einen sehr viel direkteren Draht zu den Kosten, begründet Schnapp seine Einschätzung. Personen im Stadtinneren würden viele Menschen hingegen eher in Mietwohnungen leben und somit die Kosten schlechter abschätzen können.
Auch Prof. Dr. Anita Engels, Soziologin an der Universität Hamburg, sieht in dem Wahlergebnis keine Spaltung. Sie begründet das Ergebnis ebenfalls mit unterschiedlichen Lebensrealitäten: „In den Randbezirken leben viele Hauseigentümer, sowie Personen in ökonomisch schwachen Stadtteilen, die auf das Pendeln angewiesen sind”, erklärt Engels. „Für diese Personengruppen hat der Klimaentscheid unmittelbare Folgen.” Auch das Thema sozialer Wohnungsbau und Klimaschutz sind laut Engels „Knackpunkte“ beim Klimaentscheid, da in der Zusammenführung dieser Themen Erfahrungswerte fehlen beispielsweise bei der Zusammenarbeit zwischen Behörden.
Mehr Einsatz für Klimaschutz gefordert
Das Wahlergebnis in den Randbezirken Hamburgs spiegelt die aktuelle, bundesweite Einstellung in Bezug auf Klimaschutz bei den Wähler*innen wider. Aus einer bundesweiten Untersuchung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2024 geht hervor, dass Klimaschutz bei Wähler*innen weniger priorisiert wird. Bei einer Befragung gaben nur noch 25 Prozent der Befragten an, Klimaschutz zu den wichtigsten Themen zu zählen. Insbesondere Inflation, Konjunktur, Migration sowie innere und äußere Sicherheit haben den Klimaschutz bei den Wähler*innen verdrängt. Den Wegfall von Industriearbeitsplätzen für den Klimaschutz fanden vor der anstehenden Bundestagswahl 2025 nur noch 31 Prozent der Wähler*innen akzeptabel. 2021 lag der Anteil noch bei rund 44 Prozent. Besonders gering ist das Interesse an Klimaschutz unter den Anhänger*innen von AfD (5 Prozent), BSW (13 Prozent) und FDP (14 Prozent). Bei SPD und Linken liegt der Anteil bei einem Drittel. Bei den Grünen bleibt für drei Viertel ihrer Wähler*innen das Klima eines der zentralen Themen.
Es gibt jedoch auch andere Zahlen: Aus einer Erhebung der „Forschungsgruppe Wahlen” im Auftrag von ZDF Frontal aus dem Jahr 2025 geht hervor, dass die meisten Menschen sich von den Parteien, die sie wählen möchten, mehr Einsatz für Klimaschutz wünschen. Eine Ausnahme bilden die Anhänger*innen der AFD.
Soziokulturelle Millieus
An dem Volksentscheid in Hamburg zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Insbesondere in den Stadtteilen, in denen Die Linke oder Die Grünen stark sind, stimmten die Wähler*innen eher für den Volksentscheid. Schnapp erklärt dies mit den soziokulturellen Milieus: „In diesen Vierteln leben häufig akademisch gebildete Leute, ein guter Teil auch einkommensstark. Leute, die dann eben auch in Bildungsdienstleistungsberufen, in humanen Dienstleistungsberufen oder im Mediensektor tätig sind. Sozialstrukturelle Bereiche, wo wir wissen, die haben eine überdurchschnittlichen Hang zu Parteien links der SPD, sowie eine überdurchschnittliche Affinität zu Klimafragen.“
Der Senat hat für die Umsetzung der Ziele nun eine Übergangsfrist von zwei Jahren. Hamburgs Erster Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher betonte in seinem Statement zum Zukunftsentscheid, dass die Ziele „nur mit einer breiten gesellschaftlichen Unterstützung erreicht werden können”. Dass eine Mehrheit der Hamburger*innen den Weg zu mehr Klimaschutz grundsätzlich einschlagen will, hat der Zukunftsentscheid bewiesen.
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Vorträge über jüdisches Leben, Podcast- und Fernsehauftritte in der “Tagesschau” sowie Shakehands mit Robert Habeck – Alltag für Rebecca Vaneeva, Jahrgang 2001. Ihre jüdischen Wurzeln spielen für Rebecca eine große Rolle, daher ist die gebürtige Hamburgerin auch Vorsitzende in einem jüdischen Studierendenverband. Wenn sie mal nicht ehrenamtlich unterwegs ist, liest Rebecca die Thesen von Pierre Bourdieu, singt die Songs ihres Lieblings-„Friends“-Charakters Phoebe oder backt ihre berühmten Hefe-Zöpfe. Nach einem Studium in Sozialökonomie und Erfahrungen vor der Kamera wagt Rebecca jetzt den Blick hinter die Kulissen des Journalismus – die perfekte Gelegenheit, um den Kontakt zu Robert Habeck aufzufrischen.
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