Was beschäftigt Menschen unter 30? Wir haben in unserer Community nachgefragt. Ein großes Thema: Selbstfindung. FINK.HAMBURG-Redakteurin Lara Kitzinger kennt das Gefühl, nicht zu wissen, wer man sein will und wohin der Weg gehen soll.
Titelbild: Illustration von Alina Uhrich, Icon: Illustration von Elizaveta Schefler
Immer wieder kommt der Gedanke – oder wohl eher die Frage – auf, was ich mit meinem Leben anstellen will. Wer will ich charakterlich sein, wie sieht es beruflich oder sozial aus? Fakt ist, egal in welchem Lebensbereich: Kommt das Thema Selbstfindung auf, klopfen bei mir auch schon die Selbstzweifel an.
Sich selbst zu finden, ist gar nicht so einfach. Trotz zahlreicher Ratgeber im Internet oder in Zeitschriften, die versprechen, mit „diesen fünf Tipps dir dabei zu helfen, dich selbst zu finden“, sitze ich noch immer auf einem Haufen voll Fragen.
Serie „Aus den 20ern”
FINK.HAMBURG hat Personen unter dreißig befragt, welche Themen sie grade beschäftigen. Diesen Themen wurde jeweils eine Folge der Serie gewidmet – um sie zu diskutieren, Lösungsansätze zu bieten und einen Raum zu kreieren. Ella (23) hat gesagt: “Man merkt schon, dass sich in den 20ern einiges verändert. So ein bisschen dieses Erwachsenwerden und die Frage nach der Selbstfindung.”
Die Serie erscheint jeden Donnerstag hier auf FINK.HAMBURG.
Das Thema Selbstfindung kommt in der Regel erstmals in der Pubertät auf. Der Psychologe Claus Koch vom Pädagogischen Institut Berlin bezeichnet die Pubertät als eine Zeit des Wandels und der Selbstfindung. Es kommen die Fragen auf, wer man ist und wer man sein will. Die eigene Identität wurde bislang von den Eltern, der Familie, den Lehrer*innen und vielleicht auch von Freund*innen geprägt. Wie es weitergeht, muss jedoch jede*r selbst herausfinden. Es ist eine Zeit zum Ausprobieren. Dies ist allerdings – insbesondere mit Blick auf die Sozialen Medien – einfacher gesagt als getan.
Ein ständiges Vergleichen
Mit mittlerweile 25 Jahren weiß ich, wie ich mich von den diversen Vorstellungen, wie ich womöglich zu sein habe, distanzieren kann. Meistens zumindest. Was während des Kommunikation & Medienmanagement-Bachelors an der IST-Fernhochschule und des Werkstudenten-Daseins im Homeoffice noch so leicht zu verdrängen war, wird während des Präsenz-Masters und verschiedenen Praktika unumgänglich – das Vergleichen. Ich würde lügen, würde ich etwas anderes behaupten. Und mir nichts, dir nichts tauchen erneut die ungebetenen Fragen in meinem Kopf auf: Bist du überhaupt gut genug in dem, was du tust? Willst du nicht lieber etwas anderes versuchen? Gibt es nicht viel mehr Leute, die besser sind und mehr Leidenschaft besitzen?
Zeit für eine Quarterlife Crisis
Letztlich erwische ich mich oft, wie ich mir selbst zu viel Druck mache, meine Erwartungen an mich selbst zu hoch ansetze. Und das nur, weil ich „zu mir selbst finden“ will und eine Position in der Gesellschaft finden möchte? Manchmal wünsche ich mir unter dem Radar zu fliegen, manchmal will ich aber auch gesehen werden. Mir einzugestehen nicht wissen zu können, wie der künftige Weg aussehen wird und den Mut aufzubringen, dies zu akzeptieren, fällt schwer.
Möglicherweise sind diese Gedankengänge auch Teil der sogenannten Quarterlife Crisis, die bei jungen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren auftreten kann. Dabei handelt es sich um eine Persönlichkeitskrise, bei der Ängste, Sorgen und Selbstzweifel zum Vorschein kommen und sogar lähmend wirken können. Es besteht ein gewisses Bestreben nach Selbstoptimierung. Überwiegend hängt die Quarterlife Crisis mit Zukunftsfragen und dem Weg ins Berufsleben zusammen. Häufig treten Zweifel in Bezug auf die Berufswahl oder die eigenen Ziele im Leben auf. Auch durch die heutzutage vielen verschiedenen beruflichen Möglichkeiten entsteht zusätzliche Verunsicherung. Privileg und Bürde zugleich, würde ich sagen.
Die ewige Reise der Selbstfindung
Ist schließlich die eine Krise überstanden, kommt mit großer Wahrscheinlichkeit gleich die nächste Herausforderung. Aber das zeigt letztendlich, dass es immer wieder Zeiten im Leben gibt, in denen man verzweifelt nach sich Selbst, nach einem Weg oder gar einem Sinn sucht.
“Es gibt für mich nun mal nicht das eine selbst.”
Es ist wohl ein Lernprozess, nicht alles zu hinterfragen und nicht immer perfekt sein zu wollen. Ein gesundes Mittelmaß ist doch vollkommen zufriedenstellend. Und wenn mir das “gut” oder “okay” in einem meiner Lebensbereiche irgendwann nicht mehr genügen sollte, ist das auch in Ordnung! Dann gehe ich einen anderen beruflichen Weg, suche das nächste Hobby, entdecke bislang verborgene Talente. Es gibt meines Erachtens nicht das eine Selbst oder die eine Lösung. Was zählt, sind die Augenblicke im Leben und nicht die ständige Suche nach Antworten auf Fragen, die sich letztlich immer wieder aufs Neue verändern.
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Lara Kitzinger, geboren 1999, würde gerne mal in New York leben. Aber nur kurz, denn ihr eigentliches Ziel ist Sankt Peter-Ording. An der Nordseeküste würde sie nicht nur leben wollen, sondern auch eine Lokalzeitung gründen. Die ersten Erfahrungen dafür sammelte sie beim “Pinneberger Tageblatt”. Bei einem Bericht über die besten Cafés im Kreis bekam sie kein einziges Stück Kuchen. Kein Problem: Lara backt einfach selbst. Studiert hat sie Kommunikation und Medienmanagement an der Fernuni IST, nebenbei für Netzwelt.de über Filme und Serien geschrieben. Zu Hause in Buchholz hat Lara eine Holsteiner Stute. Mit der will sie irgendwann am Strand von Sankt Peter-Ording entlang zur Arbeit reiten. Kürzel: lak