Verbale und körperliche Belästigung, das gibt es auch auf Hamburger Straßen. Ein Startup will nun mithilfe von Künstlicher Intelligenz für mehr Sicherheit in Städten sorgen.
Mehr Sicherheit in öffentlichen Räumen. Das ist das Ziel, welches Elnaz Nouri und ihre Co-Gründer*innen mit ihrem Startup UrbView verfolgen. Apps und Kriminalstatistiken, die anzeigen, wie sicher ein Bereich ist, gibt es bereits. Mittels einer Software, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basiert, will UrbView allerdings viel früher ansetzen – bei der Stadtplanung. Sie soll optimiert werden, um perspektivisch die Kriminalitätsrate zu senken. Aktuell steckt die KI-basierte Software noch in der Entwicklungsphase. Laut Nouri arbeiten sie derzeit gemeinsam mit der Berliner Polizei an einem Pilotprojekt.
UrbView: Gegen Belästigung
„Designing cities for all genders & colours” lautet die Devise des Hamburger Startups. Gemeinsam mit der Kriminologin Franziska Vogg, dem Ingenieur für maschinelles Lernen Gerard Jover, dem IT-Experten Adria Molin und einem Team, will UrbView-Gründerin Nouri gegen Belästigungen auf der Straße vorgehen.
„Wir sind der Meinung, dass wir das Problem an den Wurzeln packen müssen, und eine davon ist, wie wir die Städte gestalten“, erklärt Nouri während eines Interviews auf der Female Entrepreneurship Week 2024, bei der gründungsinteressierte Frauen sowie erfahrene Gründerinnen und Unterstützer*innen aufeinandertreffen. Mithilfe der entwickelten KI-Software wolle man schauen, an welchen Orten sich die Menschen unsicher fühlen und die Kriminalitätsrate hoch ist.
„Wir entwickeln eine KI-Technologie, um den Faktor Prävention bei der Stadtplanung zu berücksichtigen.“
Beispielsweise zeigt die Software, wie hell einzelne Straßen beleuchtet sind oder wie die Straßen zueinander liegen – mit Blick auf das Verbindungsmuster, so Nouri. Das Verbindungsmuster sei deshalb so wichtig, da gelte: Je besser die Vernetzungen und Anschlüsse an öffentliche Verkehrsmittel sind, desto mehr Kameras existieren in der Regel. Dies führe dazu, dass die Menschen diese Straßen häufiger nutzen, so Nouri.
So mache es zum Beispiel einen Unterschied, ob eine Bushaltestelle an einer belebten Kreuzung oder in einer Nebenstraße eingerichtet wird, in der insbesondere nachts kaum Verkehr herrscht. Ebenfalls sei zu beachten, wie hoch umliegende Büsche sind und wie sie positioniert wurden. Diese und weitere Daten werden analysiert und grafisch ausgewertet. Daraufhin kann die vorausschauende KI eine mögliche künftige Gestaltung der Straßen entwickeln.
Mithilfe der Software sollen so eine interaktive Karte, die Analyse-Daten bezüglich des wahrgenommenen Risikos sowie potenzielle Krisenherde aufzeigt sowie eine grafische Darstellung des öffentlichen Nahverkehrs – unterteilt in ungefährlich und (potenziell) gefährlich – entstehen. Bis es aussagekräftige Resultate darüber gibt, wie wirksam die Software ist, könne es jedoch noch einige Jahre dauern, so Nouri.
Die Kriminalitätsrate steigt
Dass Belästigungen auf der Straße ein Problem darstellen, zeigt auch die Hamburger Kriminalstatistik 2023. Die Anzahl der Vergewaltigungen, sexuellen Nötigungen und sexuellen Übergriffe in Hamburg stieg 2023 auf 270 Fälle. Im Jahr zuvor waren es 234. Dabei sind nach wie vor überwiegend Frauen betroffen. Wie aus der Kriminalstatistik hervorgeht, ist die Zahl der Gewaltdelikte in Hamburg im Vergleich zum Vorjahr, mit einem Plus von 811 Fällen, um knapp elf Prozent und damit auf insgesamt 8394 Fälle angestiegen. Vor allem in den Stadtteilen St. Pauli und St. Georg kam es vermehrt zu Vorfällen.
Der Anstieg lässt sich laut der Polizei unter anderem durch die „Me Too“-Debatte erklären. Viele seien seitdem schneller dazu bereit, eine Straftat anzuzeigen. Um schneller einschreiten und helfen zu können, sei jede Anzeige wichtig, so die Polizei.
Belästigung auf offener Straße
Die gelernte Medizinwissenschaftlerin Nouri kommt ursprünglich aus dem Iran. Sie kenne es, auf der Straße belästigt zu werden und nicht das gleiche Ansehen wie ein Mann zu erhalten, berichtet sie. Während ihres Studiums in Hamburg sei es deutlich seltener zu solchen Situationen gekommen, dennoch kam es zu Vorfällen: „Ich bin hier in Hamburg auf der Straße belästigt worden. Ich wurde verfolgt, und das war der Zeitpunkt, an dem ich erkannt habe, dass ich etwas tun und eine Lösung dafür finden muss“, berichtet sie.
Während ihres Masterstudiums in Public Health an der HAW Hamburg beschloss Nouri, sich auf den Bereich Citizen Health zu konzentrieren. Den Fokus legte sie dabei auf das Thema Belästigung. Sie begann damit, sowohl Daten aus ihrer Heimatstadt als auch Studien bezüglich Belästigungen aus Regionen aus der ganzen Welt sowie deren Auswirkungen auf die Gesundheit betroffener Personen auszuwerten.
„Meine persönlichen Erfahrungen und mein Bildungshintergrund waren eine große Motivation und auch ein großer Anstoß für die Idee von UrbView.“
Auf die Frage, was es braucht, um selbst zu gründen, sagt Nouri: „Man braucht nicht immer die beste Idee. Man müsse nur erkennen, dass es ein Problem gibt, das behoben werden muss. Das ist genug. Finde die richtigen Leute, sprich mit den richtigen Leuten, finde das richtige Team und gründe dann ein Unternehmen.”
Titelbild: RealAKP/Pixabay
Lara Kitzinger, geboren 1999, würde gerne mal in New York leben. Aber nur kurz, denn ihr eigentliches Ziel ist Sankt Peter-Ording. An der Nordseeküste würde sie nicht nur leben wollen, sondern auch eine Lokalzeitung gründen. Die ersten Erfahrungen dafür sammelte sie beim “Pinneberger Tageblatt”. Bei einem Bericht über die besten Cafés im Kreis bekam sie kein einziges Stück Kuchen. Kein Problem: Lara backt einfach selbst. Studiert hat sie Kommunikation und Medienmanagement an der Fernuni IST, nebenbei für Netzwelt.de über Filme und Serien geschrieben. Zu Hause in Buchholz hat Lara eine Holsteiner Stute. Mit der will sie irgendwann am Strand von Sankt Peter-Ording entlang zur Arbeit reiten. Kürzel: lak