LEICHEN IM KELLER

HAMBURGS KOLONIALES ERBE

In dieser Multimediareportage sprechen Wissenschaftler, Aktivisten, Politiker und Wirtschaftsvertreter über die koloniale Vergangenheit Hamburgs.

Nur die wenigsten Hamburger können eine Verbindung zwischen Hagenbecks Tierpark, der Hauptkirche St. Michaelis und dem Tansania-Park an der Jenfelder Au herstellen. Doch alle drei Orte haben etwas gemeinsam: Sie sind Zeugnisse der kolonialen und rassistischen Vergangenheit Hamburgs.

Carl Hagenbeck organisierte ab 1874 Wanderausstellungen, die ein Millionenpublikum anlockten. Allerdings zeigt er keine wilden Tiere, sondern „exotische“ Menschen. Dass eine solche zur Schaustellung die Menschenwürde untergräbt, ist heute ein Gemeinplatz. Allerdings schürten die sogenannten Völkerschauen, wie es sie ab 1907 auch im Tierpark in Stellingen gab, damals rassistische Ressentiments.

Als besonders tragisch gilt der Tod der Familie Ulrikab. Die aus Labrador stammenden Inuit halfen christlichen Missionaren bei Exkursionen und der Jagd. Abraham Ulrikab lernte Englisch und Deutsch, konvertierte zum Christentum und nahm mit seiner gesamten Familie 1880 an einer Hagenbeck'schen Wanderausstellung teil. Sie wurden als wilde "Eskimos" präsentiert. Mit dem Geld wollte sich die Familie nach ihrer Rückkehr von den Missionaren unabhängig machen, bei denen sie mittlerweile Schulden hatten. Allerdings verstarben alle Familienmitglieder, da vergessen wurde, sie gegen Pocken zu impfen. Doch das von einem Missionar übersetzte Tagebuch Abraham Ulrikabs bleibt in Auszügen erhalten und ist Zeugnis dieser unmenschlichen Ausstellungspraxis.

Die Luft rauscht beständig vom Geräusch der Gehenden und Fahrenden, unsere Umzäunung ist augenblicklich voll. [...] Unsere Mitmenschen, die Fuchsfamilie Terrianiakat, hören auf, vergnügt zu sein, weil sie müde sind der Leute.

—Abraham Ulrikab

Die Familie Hagenbeck selbst äußert sich zu diesem Kapitel ihrer Geschichte nicht. Auf mehrere Bitten um ein persönliches Gespräch antwortet eine Sprecherin des Tierparks mit einer Pressemitteilung, die den Titel "Neugier auf Exotik – Die Völkerschauen" trägt.

Die "Darsteller" werden mit Artisten im Zirkus oder im Varieté verglichen, da sie ja eine Gage erhielten, um den Besuchern die perfekte Illusion eines Bummels durch arabische Städte, birmanische Siedlungen oder indianische Zeltlage zu ermöglichen.

"Ab 1907 setzte er [Carl Hagenbeck] neue Maßstäbe, indem er Schauen auf dem Gelände des Tierparks zeigt. [...] Doch der jeweilige Höhepunkt war zweifelsfrei die Darbietungen. Es wurden Geschichten gespielt, die sich sehr ähnlich später in den Regiebüchern von Wildwest- und Abenteuerfilmen wiederfanden. Sie bedienten die Vorstellungen und Klischees, die Menschen von anderen Kulturkreisen hatten."

Nach Ansicht von Louis Henri Seukwa, Soziologe und Professor für Erziehungswissenschaften, waren die Völkerschauen Teil einer Entmenschlichung, die während der Kolonialzeit stattgefunden habe: „In den Kolonien wurden Menschen zu Produktionsobjekten gemacht und die Völkerschauen sind ein Kontinuum dessen.“ Heutige Rassenbilder bauten auf den damals kreierten Stereotypen auf.

In der Hauptkirche St. Michaelis ehrt eine Gedenktafel Hamburger, die an militärischen Einsätzen in deutschen Kolonien beteiligt waren. Als Grund für diese Ehrung sieht Hauptpastor Alexander Röder die allgemeine Stimmung in der Bevölkerung: "Als diese Kirche 1912 wieder eingeweiht wurde, war das wilhelminische Reich auf dem Höhepunkt. Diese Ehrung war damals selbstverständlich."

Diese Euphorie war jedoch schon vorher groß. Kolonialsoldaten wurden in Hamburg mit regelrechten Festakten verabschiedet, für die wegen der großen Beliebtheit Eintrittskarten verkauft werden mussten. Und der Krieg selbst war laut Prof. Dr. Zimmerer besonders beim Militär populär. "Da das Kaiserreich innerhalb Europas 40 Jahre lang keinen Krieg mehr führte, bot der Kolonialismus die Möglichkeit aufzusteigen." So wollten Offiziere und Soldaten sich durch blutige Eroberungen profilieren. Die Kolonialkriege können zynischerweise auch als Trophäenjagd verstanden werden, die unter anderem dazu führte, dass im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sterbliche Überreste aus Afrika liegen. „Oberste Priorität hat für uns die Rückführung der identifizierten Human Remains. Die sterblichen Überreste sind weder in einer wissenschaftlichen Sammlung noch in einem Museum korrekt aufgehoben", sagt Prof. Dr. Dr. Uwe Koch-Gromus, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Hamburg und Mitglied des Vorstands des UKE.

Nicht nur die Tafel in der Hauptkirche St. Michaelis ehrt Menschen, die nach heutigen Maßstäben als Verbrecher verurteilt werden würden. Hamburg ist voll von kleinen Erinnerungstafeln. Über 100 Straßen tragen die Namen von Menschen, die direkt oder indirekt mit Kolonialverbrechen in Verbindung stehen. Tahir Della von der "Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland" befürwortet eine Änderung dieser Straßennamen, während Kritiker diesen Schritt ahistorisch finden. "Wir wollen nichts verschwinden lassen", sagt Della. Seiner Meinung nach ist es angemessen, diese Straßen nach Personen zu benennen, die sich gegen Kolonialisierung, Versklavung und Greueltaten zur Wehr gesetzt haben: "Durch die Ehrung von wiederständigen Menschen würde die Stadt zeigen, dass sie sich ganz klar davon distanziert, wie es auch mit Straßen getan wurde, die nach Nationalsozialisten benannt wurden." Diese Forderung der "Black Community" steht schon seit Jahren zur Debatte. Nachdem die Forschungsstelle von Prof. Dr. Zimmerer 2013 gegründet wurde, erhoffte sich die Gemeinschaft diesbezüglich einen Fortschritt. Bisher wurde jedoch noch keine Straße umbenannt, was nach wie vor auf Kritik stößt.

Neben den Straßenschildern weist das Hamburger Stadtbild weitere koloniale Spuren auf. Im Norden Jenfelds befindet sich der sogenannte Tansaniapark. Doch als Besucher steht man dort normalerweise vor geschlossenen Toren. Grund dafür sind zwei riesige Terrakotta-Reliefs, die von den Nationalsozialisten errichtet wurden, um die Rolle der Askaris mit einem Mythos zu verklären, der auf ihrer Treue zum Kaiserreich aufbaut. Askaris waren afrikanische Söldner, die von den Kolonialtruppen rekrutiert wurden, um ihnen dabei zu helfen, Aufständische zu bekämpfen und neue Gebiete zu erschließen.

Eine Idee, wie man das Relief angemessen darstellen könnte, stammt von der Künstlerin HM Jokinen. Sie hat das Konzept eines "Park Postkolonial" entwickelt, in dem alle Denkmäler an einem Ort gesammelt sind, die in ständiger Bearbeitung durch internationale Künstler weiterentwickelt werden.

Direkt um die Ecke des Parks befindet sich die ehemalige Lettow-Vorbeck Kaserne, die heute als Studentenwohnheim für angehende Offiziere der Helmut-Schmidt-Universität genutzt wird. Über dem Eingang des denkmalgeschützten Gebäudes hängen die Konterfeis von Paul von Lettow-Vorbeck und Lothar von Trotha. Beide Offiziere gingen als Kommandeure deutscher Truppen auf brutale Art und Weise gegen Einheimische in afrikanischen Kolonien vor. Von Trotha gab 1904 den Vernichtungsbefehl an den Nama und Herero, der von der Wissenschaft als Befehl zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts erachtet wird.

Die Methoden von Lothar von Throta waren den Verantwortlichen des Deutschen Reiches gut bekannt: "Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik", prahlte er. Und er hielt sein Wort. Von etwa 80.000 Hereros töteten seine Truppen 64.000. Von etwa 20.000 Namas tötete er die Hälfte und ließ weitere 2.000 auf einer Insel einsperren.

Erst 2015 erkannte die Bundesregierung diese Massaker als Völkermord an. Jedoch wehrt sie sich bis heute, Entschädigungen an Nachfahren der Herrero und Nama zu zahlen. Vertreter der Volksstämme hatten die Bundesrepublik vor einem New Yorker Gericht verklagt. Das Verfahren konnte bisher aber nicht aufgenommen werden, da die Bundesregierung die Zustellung der Klage verweigert. Ende 2017 entschied sich der Staat Namibia deshalb ebenfalls zu klagen und fordert nun 25 Milliarden Euro Entschädigung.

Nicht nur in Deutsch-Südwestafrika schlugen kaiserliche Truppen Aufstände der afrikanischen Bevölkerung gewaltsam nieder. In Deutsch-Ostafrika verfolgte der Offizier Hermann Wissmann die „Taktik der verbrannten Erde“:

[Es gilt] Trinkwasser abzuschneiden oder den Feind durch Anzünden der Grasdächer und Hütten herauszutreiben. [...] Da man ein befestigtes Dorf nach der Einnahme meist niederzubrennen hat, ist aus praktischen Gründen stets eine Plünderung geboten.

—Hermann Wissmann in "Ratschlag zum Angriff auf eine afrikanische Siedlung"

Nachdem die Bevölkerung unterdrückt worden war, veranlassten die Kolonialherren zusätzliche steuerliche Abgaben. Dies führte zum Maji-Maji-Aufstand, bei dessen Niederschlagung zwischen 75.000 und 300.000 Einheimischen getötet wurden. Auf deutscher Seite starben 400 Soldaten. Neben den Kolonien in Afrika setzten deutsche Händler und das Deutsche Reich auch in Süd-Ost-Asien ihre Interessen gewaltsam durch. Bei der Verabschiedung der Truppen, die dem sogenannten „Boxeraufstand“ in China ein Ende setzen sollten, hielt Kaiser Wilhelm seine berühmte Hunnenrede: "Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! [...] So möge der Name Deutscher in China auf 1000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, daß es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen!"

Um die Truppen in die verschiedenen Kolonien zu bringen, nutzte das Deutsche Reich vor allem die Schiffe der Reederei Woermann.

Die Familie Woermann treibt auch heute noch Handel mit afrikanischen Ländern, die ehemals große Reederei ist seit 1916 jedoch nicht mehr in Familienbesitz. Heute vertreibt die Firma Woermann GmbH & Co. KG als Handelshaus hochwertige technische Waren und beschäftigt in Hamburg nur noch 20 Mitarbeiter. Obwohl sich die Handelspartner der Firma immer noch in Afrika befinden, sagt der Geschäftsführer Rasmus Woermann, dass das Unternehmen seines Ur-Ur-Großvaters von dem heutigen strikt zu trennen sei. Ihm zufolge profitiert die Firma gar nicht mehr von den Geschäften aus der Kolonialzeit: "Diese Zeit ist ja aus deutscher Sicht seit nun 100 Jahren vorbei. Das Handelshaus C. Woermann hat, wie nach dem ersten auch nach dem zweiten Weltkrieg de facto neu auf sehr kleinem Niveau wieder angefangen." Das aktuelle Unternehmen sei erst nach der Unabhängigkeit der westafrikanischen Länder gewachsen. Trotzdem sieht sich die Firma vor die Herausforderung gestellt, mit dieser "Geschichte, die unstreitig zu Teilen furchtbar war" in Verbindung gebracht zu werden, während "andere Namen schlicht verschwunden sind".

Auch die Rolle Adolph Woermanns als Antrieb hinter dem deutschen Kolonialismus schätzt der Ur-Ur-Enkel geringer ein, als es der Historiker Zimmerer tut. Sein Bestreben, den Überseehandel – und damit die Ausbeutung des afrikanischen Kontinents – voranzutreiben, sei Reaktion auf die Drohungen Frankreichs und Englands gewesen, ausländischen Firmen den Zugang zu Afrika zu versperren. Woermann habe nur die wirtschaftlichen Interessen der Firma in der Region schützen wollen. Einen Einfluss auf die Entscheidung Bismarcks spricht er ihm ab.

Viele Historiker sehen den Beweis für den Einfluss wirtschaftlicher Interessen auf das koloniale Projekt in einer 25-seitigen Denkschrift, die Adolph Woermann im Auftrag der Hamburger Handelskammer verfasste. Darin sprach er nicht nur von guten Geschäften, sondern lies auch seine Ansicht gegenüber den Einheimischen durchblicken: „Die Erschliessung dieses Absatzgebietes für die exportbedürftige deutsche Industrie sei daher von grösstem Werthe; sie werde aber [...], durch die die Küste bewohnenden unabhängigen Negerstämme erschwert.“ Fünf Monate später brach ein Kriegsschiff nach Afrika auf, um für die Sicherheit deutscher Kolonisatoren zu sorgen.

Das Unternehmen sieht sich nicht dazu verpflichtet, die Nachfahren der damals Ausgebeuteten und Getöteten aus Eigeninitiative zu entschädigen. Für Rasmus Woermann ist die Rechtslage diesbezüglich unklar. Es sei nicht geklärt, welcher der drei verschiedenen Herero-Stämme Namibias, wem gegenüber Ansprüche geltend machen könne. Allerdings finanziere die Woermann Stiftung immerhin die qualifizierte Ausbildung von Menschen in Afrika.

Es liegt auf der Hand, dass in Afrika zwei grosse ungehobene Schätze sind: Die Fruchtbarkeit des Bodens und die Arbeitskraft vieler Millionen Neger. Wer diese Schätze zu heben versteht, und es kommt nur auf die richtigen Leute dabei an, der wird nicht nur Geld verdienen, sondern auch gleichzeitig eine grosse Kultur Mission erfüllen.

—Adolph Woermann 1879 vor der Geographischen Gesellschaft zu Hamburg

Während das koloniale Projekt für die Regierung in Berlin ein Verlustgeschäft war, hat die Stadt Hamburg enorm davon profitiert. Das gilt nicht nur für die beteiligten Firmen, sondern für die gesamte Wertschöpfungskette bis zum Endkonsumenten, der damals im Kaffeehaus saß und das afrikanische Aroma genoss. Doch ist es überhaupt korrekt, diese Sätze in der Vergangenheit zu formulieren?

Wissenschaftler und Aktivisten sind sich sicher, dass koloniale Verhältnisse in Form einer globalisierten Welt fortbestehen. Das gelte für Menschenbilder ebenso wie für finanzielle Ungleichheit. Für Corinna Nienstedt, Leiterin des Geschäftsbereichs International der Handelskammer, geschieht der Handel mit Afrika stets auf Augenhöhe. Für die globale Ungerechtigkeit seien nicht die Wirtschaftsunternehmen verantwortlich, sondern die Politik.

„Am Anfang meiner Arbeit habe ich in der Handelskammer und anderswo immer gehört, dass es den Markennamen Hamburg beschmutzen würde, sich mit der kolonialen Vergangenheit auseinanderzusetzen“, sagt Prof. Dr. Zimmerer. Aber mittlerweile hätten positive Reaktionen aus dem Ausland gezeigt, dass es eher eine Chance sei, da die ehemaligen Kolonien um die Rolle Hamburgs wüssten – selbst, wenn dieses Bewusstsein in der eigenen Stadt nicht so ausgereift sei. Viele relevante Entscheidungsträger haben mittlerweile jedoch die Wichtigkeit des kolonialen Erbes verstanden.

Auf die Initiative des Arbeitskreises Hamburg Postkolonial und dem Eine Welt Netzwerk fand im Dezember der erste Runde Tisch unter der Schirmherrschaft der Kulturbehörde statt. Dort kommen Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaftsvertreter zusammen, um in Arbeitsgruppen zu überlegen, welche Schritte sinnvoll und notwendig wären, um eine angemessene Aufarbeitung zu gewährleisten. Außerdem haben Aktivisten in Hamburg erstmalig eine Herero-Nama-Konferenz organisiert, die sich im April mit dem Völkermord auseinandersetzt.

Auch Kulturinstitutionen wie das Thalia Theater stellen sich ihrer Vergangenheit. Durch die neuste Forschung wurde dem Theater klar, dass auch im eigenen Haus Stücke aufgeführt wurden, die koloniale Fantasien bedienten. Nun soll ein Stück diesen Geschichtsabschnitt in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle thematisieren. Außerdem will das Museum für Völkerkunde sich nicht nur umbenennen, um negative Assoziationen und Emotionen zu vermeiden, sondern Besucher in Zukunft stärker für die Herkunft vieler Gegenstände sensibilisieren.

Neben den Kulturinstitutionen und der Politik bewegt sich auch die Wirtschaft: Die Aussagen von Rasmus Woermann zeigen, dass er jedenfalls großes Interesse daran hat, herauszufinden, was damals wirklich passiert ist. Obwohl das Firmenarchiv 1943 zerstört wurde, hat die Familie Woermann alles, was ihr an Dokumenten vorliegt, der Forschungsstelle zur Verfügung gestellt. Die Handelskammer arbeitet gerade an einem Findbuch, das ihr Archivmaterial zur Kolonialzeit übersichtlich auflistet und kurz zusammenfasst, um damit der Forschung das Auffinden und die Sichtung des Materials zu erleichtern. Zusätzlich will die Handelskammer die wichtigsten Funde der Öffentlichkeit präsentieren. Prof. Dr. Zimmerer betont, dass immer mehr Institution und Unternehmen bereit sind, aktiv an der einer Aufarbeitung teilzuhaben.

Den Kritikern vom Arbeitskreis Postkolonial geht das alles immer noch nicht weit genug. Sie fordern, dass sich eine interdisziplinäre Aufarbeitung um Nachkommen der Kolonisierten organisiert. Diese seien maßgeblich zu beteiligen, damit ein Perspektivwechsel gelinge.

Tahir Della ist bezüglich des neu etablierten Runden Tisches zuversichtlich. Er und die ISD sprechen sich ebenfalls dafür aus, dass eine Neubewertung der Vergangenheit die Meinung von People of Color benötigt. Damit einhergehend sei die Umgestaltung des Straßenbildes, das bis heute Kolonialverbrecher ehrt. Auf Forschung, Gespräche und Diskussionen müssten Taten folgen.

Die Konsequenzen der kolonialen Aktivitäten betreffen Menschen aus den ehemaligen Kolonien noch immer. Viele früher kolonisierte Gebiete sind heute politisch und gesellschaftlich instabil und wirtschaftlich schwach. Eine Welle der Migration nach Europa ist laut Prof. Dr. Zimmerer die Folge: „Wir kommen zu euch, weil ihr bei uns wart.“

Prof. Dr. Zimmerer beschreibt den Aufarbeitungsprozess als Sisyphusarbeit. Wenn man bei dieser Metapher bleiben will, müssen die Unmengen an Details, Informationen und Daten erst zu dem Felsbrocken verdichtet werden, der dann in mühsamer Arbeit auf die Spitze des Berges gerollt werden soll. Die Arbeit gestaltet sich noch komplizierter, da ihr Gelingen von dem Wohlwollen und dem Kooperationswillen einer Vielzahl von Interessengruppen abhängig ist. Dieser Mammutaufgabe sollte sich die Stadt ganzheitlich stellen, um mit einem positiven Beispiel voranzugehen. Denn Hamburg hat nicht nur eine Vorreiterrolle innerhalb Deutschlands inne, sondern trägt als Drehscheibe des deutschen Kolonialismus eine große Verantwortung.