Zwei Antifaschisten demonstrieren vor den Stadthöfen, der ehemaligen Hamburger Gestapo-Zentrale
Demonstration vor den Gebäuden an der Stadthausbrücke in den 50ern. Foto: Archiv Uwe Leps

Die Stadthöfe an der Stadthausbrücke sind große und helle Gebäude, haben aber eine dunkle Vergangenheit: Während der Nazizeit lag dort das Hauptquartier der Gestapo. Der Geschichtslehrer Uwe Leps kämpft für eine angemessene Gedenkstätte.

Luxuskarossen, Baustellenlärm und die sechsstöckige Glasfensterfassade des Fleethofs – die Ecke Stadthausbrücke, Neuer Wall ist laut und blendend hell. Auf der anderen Straßenseite, vor dem Gebäude Stadthausbrücke 8, steht Uwe Leps und ruft erbost: “Was für eine Geschmacklosigkeit. Auf die Kellerfenster ist ‘Kopp hoch, Chérie!’ geklebt, damit man hoch in die Läden schaut. Wenn man bedenkt, dass das die Zellen der Gefangenen der Gestapo waren.“

Leps ist 65 und Geschichtslehrer in Rente. Wirtschaft und Politik hat er auch gelehrt. Früher war er in der Gewerkschaft und im Personalrat aktiv. Seit er pensioniert ist, engagiert er sich in der Fuhlsbüttler Geschichtswerkstatt. Man muss ja was tun mit seiner freien Zeit, sagt Leps. Vor einigen Monaten hat er zusammen mit Freunden aus der Geschichtswerkstatt den “Förderkreis Gedenkstätte und Lernort Stadthaus” ins Leben gerufen. Ihr Ziel: Die Errichtung einer Gedenkstätte in den Räumen des Gebäudes an der Stadthausbrücke, das früher das Gestapo-Hauptquartier war.

Quantum AG schafft kein ausreichendes Gedenken

“Es ist eine unglaubliche Geschichtsvergessenheit. So ein Desinteresse sich mit der Geschichte dieses Ortes auseinanderzusetzen”, sagt Leps. Er geht mit großen Schritten auf die Hauswand zu und stoppt abrupt vor einigen Milchglasscheiben. Irgendwie kann man sich ihn gut als Lehrer vorstellen – mit der schwarzrandigen Brille und dem vollen Schnauzer. “Die Räume, um die es eigentlich geht, das sind diese hier. Die sind schön unter Milchglas versteckt, damit man nicht reingucken kann”, sagt er.

Leps erklärt, dass die Quantum Immobilien AG die Renovierung der Häuser an der Stadthausbrücke, den sogenannten “Stadthöfen”, leitet, sie aber seiner Meinung nach ihren Vertragspflichten nicht nachkommt. 2014 hieß es noch vom Senat zu Quantums Bauanträgen, dass insgesamt 750 Quadratmeter Brutto-Grundfläche – das heißt Zugangswege, WC und Technik inklusive – für die Gedenkstätte zur Verfügung stehen sollen. Dies soll nun innerhalb einer Buchhandlung, in der öffentlich zugänglichen Arkadenbrücke und in der nur zu besonderen Anlässen öffentlichen “Seufzerbrücke” geschehen. Die Gedenkstätte soll von der Leitung der Buchhandlung mit organisiert werden. Die Kulturbehörde und die Quantum AG sehen damit die Vertragspflichten erfüllt. Leps genügt das nicht. An den Ausstellungsinhalten war zwar die KZ-Gedenkstätte Neuengamme beteiligt, aber Leps findet, das Gedenken werde hier privatisiert.

Für 50 Millionen Euro waren die Häuser der Stadthöfe 2009 an die Quantum Immobilien AG gegangen. Etwa 100.000 Quadratmeter Fläche mit 5 Innenhöfen. Die Finanzbehörde sagte damals, die Entscheidung sei zugunsten von Quantum ausgefallen, da diese damit warb dort “keine Edelmeile”, sondern einen Ort für kleine Gewerbe entstehen zu lassen. Seit 2014 wird nun gebaut. Gesamtinvestitionskosten: 220 Millionen €. Das Datum der Fertigstellung soll 2018 sein.

Sahnegrundstück für Investoren statt respektvoller Erinnerungskultur

Leps geht durch den steinernen Rundbogeneingang mit den römisch anmutenden Statuen. Vor dem mit smaragdgrünen Kacheln verkleideten Gang bleibt er stehen und zeigt an die Decke des Torbogens. “Hier war ein eiserner Schriftzug mit den Wörtern ‘Moinmoin Stadthof’“, sagt er. Dieser war 2017 angebaut worden. Laut Leps erinnerte die Installation an einem Ort mit dieser Vergangenheit sehr an die schmiedeeisernen Schriftzüge an den Konzentrationslagern. Heftigen Protest habe es im Frühjahr dagegen gegeben, worauf die Schriftzüge wieder abgeschraubt wurden.

Nun schauen noch die eisernen Halterungen aus dem Torbogen. Sie bleiben ein Zeichen für die Auseinandersetzung um die Vergangenheit. Er zeigt nach links auf eine Eisentafel, die an die Opfer des Faschismus erinnert, und erklärt, dass die Stelle auch deshalb so brisant war, weil hier in den 80ern von Gewerkschaftern und anderen diese Gedenktafel gestiftet wurde. Kostenpunkt: 6000 Mark aus privaten Mitteln.

Leps geht durch die breiten Gänge und riesigen Innenhöfe bis zum Kanal. Die Lage des Gebäudes ist ideal. Es ist kein Wunder, dass ein Investor die Häuser renovieren und verkaufen will. “Vorbild sind die Hackeschen Höfe in Berlin, mit Restaurants und Hotel. Das ist ein absolutes Sahnegrundstück in Hamburg, aber bisher ist noch nicht alles vermietet oder verkauft”, sagt Leps. Überall wird gebaut. Ab und zu kommen Männer in Anzug, teuren Lederschuhen und mit Smartphone in der Hand aus einer Tür, gehen schnellen Schrittes über den Gang und verschwinden hinter der nächsten Ecke. “Ich habe den Eindruck, dass wir beobachtet werden”, sagt Leps und schaut sich mißtrauisch um.

Die gesamte Polizei war an faschistischen Verbrechen beteiligt

“Dieser ganze Gebäudekomplex gehörte schon immer der Stadt Hamburg. Seit der Kaiserzeit war hier die Polizeibehörde drin, in der Weimarer Republik auch die Schutzpolizei“, sagt Leps. Er zeigt auf alte, abgeblätterte Wappen aus der Kaiserzeit. „Diese wurde dann ´34 in Gestapo umbenannt. Hier saß nicht nur die Gestapo drin, sondern das war das Polizeipräsidium.” Dieser Punkt ist Leps besonders wichtig. Schließlich sei die gesamte Polizei an der Verfolgung und Verhaftung von Oppositionellen, Sinti und Roma, Homosexuellen oder der Swing-Jugend beteiligt gewesen. In den Stadthöfen seien Juden unter Beteiligung der Hamburger Polizei erschossen worden. Hier war die Zentrale des sogenannten “Wehrbereich 10”. Dieser umfasste Schleswig-Holstein, Nordniedersachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Ein Ausstellungskatalog der KZ-Gedenkstätte Neuengamme erzählt die Hintergründe des Wehrbereiches.

Ein Mann steht vor einer Fensterscheibe, hinter der ein großer leerer Raum ist.
Uwe Leps vor dem gewünschten Gedenkraum. Foto: Eric Recke

Über der sogenannten “Seufzerbrücke” bleibt Leps stehen. Durch diesen mit schlitzartigen Fenstern vergitterten Gang sollen die Häftlinge aus den Verhörräumen in die Zellen geführt worden sein. Er zeigt durch große Glasfenster auf einen geräumigen leeren Raum, der Fenster zur Straße hat. “Diese Fläche wäre am geeignetsten für die Gedenkstätte, aber das werden sie nicht machen.” Dafür hat er auch eine Petition erstellt.

Quantum erklärte auf Anfrage, die Verträge mit der Stadt würden “selbstverständlich eingehalten”, die inhaltliche Entwicklung der Ausstellung erfolge “in enger Abstimmung mit der Behörde für Kultur und Medien, konkret mit der KZ Gedenkstätte Neuengramme”. Das Unternehmen verweist außerdem auf eine für Mittwoch den 2. Mai geplante Presseerklärung.

An diesem Tag soll es anlässlich der Eröffnung der Buchhandlung eine Kundgebung für eine größere Gedenkstätte geben. Organisiert wird sie von der im Frühjahr gegründeten “Initiative Gedenkort Stadthaus”, dem unter anderem die Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten, die Arbeitsgemeinschaft Neuengamme, das Auschwitzkomitee, das Hamburger Bündnis gegen Rechts sowie die Antifaschistin Esther Bejerano und der ver.di-Landesvorsitzende Olaf Harms angehören.

Im Aufruf heißt es: “Wir bleiben dabei: Hamburg braucht einen zentralen Dokumentations- und Erinnerungsort an Verfolgung und Widerstand in der zentralen Stätte des Nazi-Terrors.”