Dating-Apps wie Tinder sind heute fester Bestandteil unserer Partnersuche. Machen uns solche Angebote oberflächlich? Das sind wir schon längst, sagt der Hamburger Dating-Coach Eric Hegmann und hat Ratschläge für die Swipe-Generation.
Tinder, Lovoo und Bumble: Innerhalb weniger Sekunden entscheiden sich zwei Menschen, ob sie einander kennenlernen möchten – anhand von Bildern. Ein Wisch nach rechts, heißt ja, nach links swipen, bedeutet nein. Viele Dating-Plattformen funktionieren nach dem Motto „Hot or not“.
Alleine bei Tinder sind heute 4,11 Millionen Menschen angemeldet. 2015 waren es erst 97.000. Was macht das mit dem Flirt-Verhalten, wenn sich immer mehr Menschen erstmal digital abchecken, bevor sie sich verabreden? Der Hamburger Dating Coach Eric Hegmann gibt Entwarnung und erklärt, warum Dating-Apps uns nicht oberflächlicher machen.
FINK.HAMBURG: Herr Hegmann, wird unsere Generation durch Dating-Plattformen wie Tinder oberflächlicher?
Eric Hegmann: Ich glaube, die Frage ist nicht in die richtige Richtung gestellt. Der Anbieter erfüllt nur die Wünsche und Bedürfnisse der Nutzer. Was sich unabhängig von Dating-Plattformen verändert hat, sind unsere Werte. Wäre diese Generation nicht bereits oberflächlich, würde es Tinder nicht geben. Was neu ist: Zum ersten Mal findet geobasiertes Dating für Heterosexuelle statt. Das gab es vorher vor allem für homosexuelle Männer. Vor etwa 20 Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass sich eine Frau samt Foto und Aufenthaltsort auf einer Dating-Plattform präsentiert. Heute gibt es also einen viel offeneren Umgang mit der Partnersuche.
Wie war das früher?
Vorher musste man sich um eine Telefonnummer bemühen, den Kontakt suchen. Man musste wirklich einen Korb riskieren – das ist heute anders. Die Menschen telefonieren vor einem Tinder-Date nicht mehr, was vor zehn Jahren eigentlich noch Standard war. Stattdessen chatten sie, gehen nervös in ein erstes Date – und scheitern dort aber oft. Dann sind sie fürchterlich enttäuscht. Mit jeder Enttäuschung gehen sie etwas pessimistischer in das nächste Date. Tinder gaukelt eine gewisse Sicherheit vor, die überhaupt nicht erfüllt wird.
Aus einer Studie von Forschern der University of North Texas geht hervor, dass das Selbstwert- und Körpergefühl bei Männern und Frauen dramatisch sinkt. Entspricht das Ihren Eindrücken?
Ich stimme dem zu. Aber ob das wirklich mit Dating zu tun hat, bezweifle ich. Ich glaube, das hängt vielmehr mit der Masse an Informationen zusammen, die heute auf uns einprasselt. Insbesondere über das Internet. Wir gehen zum Beispiel auf Instagram, weil wir nach einem Dopamin-Kick suchen. Wenn wir dann die Bilder von schönen Menschen und glücklichen Paaren sehen, fragen wir uns: Warum habe ich das nicht? Was stimmt nicht mit mir? Was muss ich ändern? Dadurch entsteht der Eindruck, man müsse sich selbst äußerlich perfektionieren, um den richtigen Partner zu finden.
Menschen brechen heute nicht eine Dating-Phase ab, weil sie unglücklich sind, sondern weil sie glauben, sie könnten mit jemand anderem glücklicher sein.
Wollen deshalb viele Menschen immer weiter daten?
Generell geht es den Menschen glaube ich nicht darum, möglichst unverbindlich viele Menschen kennenzulernen. Es ist eher so, dass die Leute heute einen gewissen Frust empfinden, weil sie sich selten sofort auf jemanden einlassen möchten.
Womit hängt das zusammen?
Beziehungen werden heute vollständig überromantisiert. In Umfragen ist Beziehungsglück für die meisten das höchste Gut, das man im Leben erreichen kann. Das heißt, die glückliche Beziehung ist ein solches Ideal geworden, dass man nach dem ganz besonderen Partner sucht. Menschen brechen heute nicht eine Dating-Phase ab, weil sie unglücklich mit jemandem sind, sondern weil sie glauben, sie könnten mit jemand anderem glücklicher sein.
Ihr Ratschlag für Partnersuchende?
Seien Sie selbst die liebenswürdige Person, die Sie sich als Partner wünschen. Das hört sich immer platt an, ist aber offenbar notwendig, wenn man sich anschaut, wie sich Menschen auf Dating-Plattformen präsentieren, mit welchen Ausschlusskriterien sie zum Teil Personengruppen diskreditieren. Es sollte doch vielmehr darum gehen, jemanden kennenzulernen, der sympathisch ist, der optimistisch ist. Mit dem man das Gefühl hat, auch in zehn Jahren noch eine glückliche Beziehung führen zu können.
Date-Doktor Eric Hegmann
Eric Hegmann ist seit etwa 15 Jahren Single- und Paar-Berater. Er hat verschiedene Bücher über die Themen Liebe, Partnerschaft und Partnersuche veröffentlicht und ist Chefredakteur des Online-Magazins beziehungsweise.de. Zudem berät er seit zehn Jahren die Partneragentur Parship.
Eventuell hätte man noch erwähnen sollen, dass Herr Hegmann seit 2006 offiziell als “Single-Berater” für Parship tätig ist. Die nennt er hier natürlich nicht, aber dafür Tinder, Lovoo und Bumble in eher kritischer Weise. Schade, dass man ihn damit nicht konfrontiert hat. Wirkt so eher wie Werbung.