Kranführer sind ein fester Bestandteil des Hafenalltags. Täglich bewegen sie dutzende Container, damit wir Zugang zu Waren aus aller Welt haben. Ein komplexes Zusammenspiel von Mensch und Maschine – aber wie lange noch?
Text und Fotos von Jill Schmands und Melina Schmidt
Die Wolken hängen tief, ein Containerschiff hupt, LKWs rasen vorbei. Ein reges Treiben am Burchardkai. Ein Teil davon ist Lars Madlung, seit 30 Jahren Kranführer im Hamburger Hafen. Der Burchardkai liegt direkt neben der Köhlbrandbrücke. Ein Ort, an dem scheinbar alles automatisch läuft. Doch Lars meint: “Momentan ist die Manpower hier echt noch unentbehrlich”. Wie lange noch, weiß keiner so richtig.
Dieser Beitrag ist im Rahmen des Bachelorseminars “Digitale Kommunikation” an der HAW Hamburg entstanden und wurde ausgewählt, um auf FINK.HAMBURG veröffentlicht zu werden.
Der 51-jährige begann 1990 seine Arbeit im Hamburger Hafen. Ursprünglich war er als Handwerker bei der Hamburger Hafen Logistik (HHLA) tätig, fand aber drei Jahre später seine Bestimmung als Kranführer am Burchardkai. Bukai nennt diesen Ort liebevoll. Hier im Hafen sind die Kräne nicht die Riesengestelle, die man von der anderen Seite der Elbe erkennen kann, sondern kleinere, langbeinige Spezialfahrzeuge, die sogenannten Van Carrier (VC). Als Kranführer sitzt Lars Tag für Tag auf neun Meter Höhe und manövriert wertvolle Containerware. In einem Container kann sich Ware im Wert von Tausenden von Euro befinden – die Verantwortung ist groß.
Mitten im Containerterminal zwischen den bunten Lagerblöcken und der grauen Elbe rauscht ein VC vorbei. Sie können eine Geschwindigkeit von bis zu 27 Kilometer pro Stunde erreichen. Lars Kollege Michi ruft von oben: “Moin, du schon hier? Du hast doch heute Spätschicht! Sehen wir uns gleich beim Mittag?”, und fährt weiter.
Keiner Kranführer muss in die Flasche pickeln
Das Be- und Entladen der Containerschiffe stellt ein hochkomplexes Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine dar. Gerade hat ein gewaltiges Frachtschiff an der Seeseite angelegt. Die Mitarbeiter der HHLA sind bereit und die Kranführer fahren bereits rasant umher. Das Löschen und Laden des Schiffes passiert gleichzeitig. Die Container an Bord werden in das Lager gebracht und neue werden auf das Schiff verladen. Es läuft alles reibungslos, egal ob Tag oder Nacht. Hier am BuKai wird rund um die Uhr in drei Schichten durchgearbeitet und es gibt festgelegte Pausenzeiten. “Die Pausen nutzt man natürlich, um zum Klo zu gehen, aber wenn man zwischendurch mal muss, wird man auch von der Aufsicht abgeholt. Hier muss keiner mehr in Flaschen pinkeln”, erzählt der Kranführer und lacht.
Beim Mittagessen trifft er wieder auf Michi, der seit einer Ewigkeit im Hafen tätig ist und bald in den Ruhestand geht. Was ihm in den letzten Jahren vermehrt auffällt und Sorge bereitet: Der gesamte BuKai wird immer automatisierter. Mit einem vollen Teller und einem Kaffee in der Hand äußert er seine Bedenken deutlicher: „Noch ist Manpower unentbehrlich. Irgendwann sitzt hier nur noch einer rum und guckt zu, wie die Kisten von alleine tanzen. Das ist so’n Wandel, ne? Und wat bringt das? Jobs gehen flöten, keiner weiß, was passiert. Aber Zeit ist ja bekanntlich Geld, alles muss so schnell, effizient und günstig wie möglich abgewickelt werden.“
„Obwohl ich uns schon ganz schön schnell finde“, fügt Lars grinsend hinzu. Die HHLA verspricht, innerhalb von 24 Stunden ein großes Containerschiff zu entladen und anschließend wieder zu beladen.
Die Automatisierung im Hamburger Hafen schreitet voran
Seit acht Jahren ist das Lagersystem am BuKai durch Automatikblöcke automatisiert. Diese verfrachten alle Container auf die LKWs, nachdem der Kranführer diese bereitgestellt hat. Auch das Sortieren der Container wird über Bildschirme gesteuert. Ein Automatikblock rollt gerade heran. Ein riesiges Stahltor auf Schienen. Es greift ein Container und setzt ihn im Lager ab. Vorne wartet bereits der nächste Container.
Die Zukunft der Hafenarbeit unterliegt einem Wandel. Die HHLA plant, ab Mitte 2024 schrittweise neue selbstfahrende VCs einzusetzen, wie sie bereits am Containerterminal Altenwerder im Einsatz sind. Die alten VCs könnten somit überflüssig werden und der nächste Schritt wäre die Automatisierung der Containerbrücken. Bis Ende 2025 sollen die gesamten Anlagen an der Elbe automatisiert und modernisiert werden. „Man sagt uns, wir werden andere Tätigkeiten und Umschulungen bekommen, doch niemand weiß, wie die Zukunft wirklich aussehen wird“, meint Lars.
Michi bereut keine Sekunde, dass er sich damals für den beruflichen Weg in den Hafen entschieden hat und kann diesen auch, trotz der Unsicherheiten, jungen Menschen empfehlen: „Der Hafen war schon immer ein abwechslungsreicher, spannender Ort, egal was man hier macht.“ Lars ist sich sicher: „Ganz ohne Menschen wird es erstmal nicht gehen. Noch müssen die Container per Kranführer manövriert werden. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch dies automatisch geschieht.“
Weiteren Wellen der Automatisierung und Digitalisierung werden den Hafen, einst geprägt von Handarbeit und menschlichem Geschick, erfassen. Die Zukunft ist genauso ungewiss wie das morgige Wetter in Norddeutschland. Lars‘ Pause ist beendet: „So – jetzt aber genug geschnackt, die Arbeit ruft!“