WG oder eigene Wohnung? Eine Frage, die viele Personen in ihren 20ern beschäftigt. FINK.HAMBURG-Redakteurin Louisa Eck hat sich für das WG-Leben entschieden und berichtet vom Spannungsfeld zwischen schimmelnden Tassen und lebenslangen Freundschaften. 

Titelbild: Illustration von Giulia Maesaka, Icon: Illustration von Elizaveta Schefler

Dreckige Badezimmer, gammelndes Geschirr, laute Musik aus dem Nachbarzimmer – die Horror-Geschichten, die zu Wohngemeinschaften kursieren, ähneln sich. Auch ich habe jahrelang in WGs gewohnt und regelmäßig von einer eigenen Wohnung fantasiert, wenn mich meine Mitbewohner*innen mal wieder verrückt gemacht haben. Trotzdem stirbt das WG-Leben nicht aus: In Hamburg sind laut einer Studie der PSD Bank Nord fast 80 Prozent der Menschen unter 35 offen für alternative Wohnformen.

“Im besten Fall ist das Leben in einer WG die schönste Zeit der 20er.”

Im besten Fall ist das Leben in einer WG die schönste Zeit der 20er. Abends zusammen essen und sich über den Tag austauschen, lange Sommernächte auf dem Balkon: WG-Leben kann auch schöne Seiten haben. Mit einer Mitbewohnerin habe ich so viel Zeit verbracht, gelacht und geweint, dass sie wie eine Schwester für mich wurde. Wer sich mit seinen Mitbewohner*innen aber nicht versteht, fühlt sich oft gefangen in den eigenen vier Wänden. Eine WG mit fehlender Harmonie kann schnell zum Albtraum werden.

Serie “Aus den 20ern”
FINK.HAMBURG hat Personen unter dreißig befragt, welche Themen sie grade beschäftigen. Diesen Themen wurde jeweils eine Folge der Serie gewidmet – um sie zu diskutieren, Lösungsansätze zu bieten und einen Raum zu kreieren.
Vincent (18) hat gesagt: “Ich habe irgendwie Angst, mit den falschen Leuten zusammenzuwohnen und dann Stress zu haben, den ich eigentlich nicht haben will.”

Die Serie erscheint jeden Donnerstag hier auf FINK.HAMBURG.

Von Putzplänen und dreckigem Geschirr

Wenn ich das Wort Putzplan höre, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken, und damit bin ich sicher nicht allein. Ich erinnere mich an unzählige WG-Krisensitzungen und meine Mitbewohnerin, die nach sechs Monaten des Zusammenlebens gefragt hat, ob der Putzplan eigentlich bedeute, dass man tatsächlich putzen müsste. Wie ihrer Meinung nach das letzte halbe Jahr die Wohnung sauber gehalten wurde, weiß ich bis heute nicht.

“Wir sind zu alt, um zu glauben, dass nachts Kleine Elfen in die WG fliegen und schmutzige Teller spülen.”

Wir sind zu alt, um zu glauben, dass nachts kleine Elfen in die WG fliegen und schmutzige Teller spülen. Geträumt habe ich von solchen Elfen trotzdem. Besonders, als sich meine Mitbewohnerin für zwei Wochen in den Sommerurlaub verabschiedete und einen riesigen Stapel an dreckigem Geschirr in ihrem Zimmer zurückließ. Geschlossene Zimmertüren dienten in dieser Zeit nicht nur der Privatsphäre, sondern auch dem Schutz der eigenen Nase – der Geruch von Schimmel und vergorenem Obst grenzte an Körperverletzung.

Eine Reihe: Aus den 20ern. Eine Illustration von Elizaveta Schefler.
Eine Reihe: Aus den 20ern. Illustration: Elizaveta Schefler.

Ist es wirklich günstiger, nicht alleine zu leben?

Warum ich nicht ausgezogen bin? Die geringeren Kosten. Damit stimmen mir 51 Prozent der Befragten der Studie zu. Dabei kostet ein WG-Zimmer in Hamburg mittlerweile durchschnittlich 570 Euro im Monat. Besonders für Studierende ist das viel Geld, aber noch die beste Lösung. Wer für diesen Preis online nach einer eigenen Wohnung sucht, findet vor allem Wohnungen in Rahlstedt, Harburg oder Ohlsdorf. Zentral klingt anders.

Ob ich mit der Entscheidung in einer WG zu leben wirklich Geld gespart habe, bin ich mir nicht sicher. Der finanzielle Verlust durch von Mitbewohner*innen geklaute Lebensmittel war hart. Der emotionale Verlust noch viel härter. Mit jedem vermissten Pudding, jeden fehlenden Resten vom Vortag wurde der Wunsch nach einer eigenen Wohnung größer.

Mitbewohner*innen als zweite Familie

Trotzdem bin ich bei meinem Umzug nach Hamburg nicht in eine eigene Wohnung gezogen. Als ich nach einem Beziehungsende weinend in den Armen meiner Mitbewohnerin lag, war ich wirklich dankbar, nicht alleine zu leben. Und das gemeinsame Lernen in Klausurenphasen hat mich mehr als nur einmal vor einer schlechten Note gerettet. Ich würde mich jederzeit wieder für eine WG entscheiden – weil Groll über Geschirr vergeht, aber die Erinnerungen an schöne Zeiten bleiben.

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Louisa Eck, Jahrgang 2002, schrieb in der 3. Klasse für die Schülerzeitung einen Artikel über einen Bauern, der Kastanien für seine Schweine sammelte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war klar: Sie möchte Journalistin werden. Louisa studierte Medienwissenschaft in Köln. Auch ein Abstecher in die PR beim dortigen Institut der deutschen Wirtschaft brachte sie nicht vom Journalismus ab. In der Domstadt entdeckte sie neben ihrer Liebe zum Karneval auch ihr Talent für die Herstellung von veganem Gebäck. Seit ihrem Umzug in ihre Geburtsstadt Hamburg ruht ihr Froschkostüm. Im HAW Newsroom verteidigt sie jetzt Alaaf gegen Helau und Kölsch gegen Alt und Astra. Kürzel: eck