Bei der Fußball-EM kommen alle zusammen, in den VIP-Logen der Stadien nur die, die es sich leisten können – oder eingeladen werden. Darunter reichweitenstarke Influencer*innen. Das sorgt für empörte Fan-Reaktionen auf Social Media. Ein Kommentar.
Dagi Bee (dagibee), Julian (julienco_), Tim (twenty4tim), Paola (paola), Rewi (rewinstagram), Pamela Reif (pamela_rf), Jens Knossalla (knossi), Feli (videozeugs) – reichweitenstarke Influencer*innen wurden in die EM-Stadien eingeladen, wohingegen viele Fans kein Ticket bekommen haben. Während ausgesuchte Content Creator*innen den deutschen Fußball live im Stadion verfolgen durften, übten enttäuschte Fans in den Kommentarspalten der Influencenden einen anderen Nationalsport aus: das Meckern.
„Alle Influencer haben mal wieder Tickets bekommen“
So lauten oft gelikte Kommentare unter den EM-Posts der Content Creator*innen. Oder wütender: „Influencer raus aus dem Stadion!!!“. Unter einem Reel auf Instagram erreicht dieser Kommentar über 21.000 Likes. Der Vorwurf: Influencer*innen nehmen den fußballinteressierten Fans die Stadionplätze weg.
Influencer*innen nehmen Fans die Stadionplätze weg?
Die Vergabe der regulären Tickets ist fair: Jeder Fan konnte sich über das offizielle Uefa-Portal für die Gruppenphase mittels des „first come, first served“-Prinzips auf die EM-Tickets bewerben. Für das Achtel- und Viertelfinale vertreibt der DFB zusätzliche Tickets an Fans der deutschen Mannschaft: In den Verkaufsphasen werden Fan-Club-Mitglieder bevorzugt, auch hier gilt das Schnelligkeitsprinzip.
Ein bestimmtes Karten-Kontingent wird an Sponsor*innen vergeben, die wiederum Influencende einladen. Die Sponsor*innen entscheiden über die Anzahl der Karten, welche sie an Influencende vergeben. Auf Social Media sieht man Influencende oft in den Logen und Premium-Plätzen der Unternehmen. So wurden Pamela Reif (pamela_rf), Nona (nonakanal) und Feli (videozeugs) vom US-Konzern Meta eingeladen. Auch das Sponsoring-Unternehmen Tk Maxx zeigt auf Instagram Influencer wie Julian (julienco_) oder Tim (twenty4tim) in ihrer Loge. Insofern nehmen Influencer*innen den Fans zumindest keine regulären Stadionplätze weg.
Wer war nochmal dieser Jürgen Löw?
Content Creatorin Dalia (dalia) sagt in einem TikTok-Video, sie verstehe alle, die eingeladen wurden: Niemand würde ein geschenktes Ticket ablehnen. Die meisten in ihrem Kommentarbereich sehen das anders. Auch unter einem EM-Foto von Dagi Bee lautet der meist gelikte Kommentar:
„Stadionverbot für alle Influencer, die mit Fußball nie was am Hut hatten.“
Vielen geht es also nicht darum prinzipiell keine Tickets an Influencende zu vergeben, sondern vor allem diejenigen nicht einzuladen, die kein Interesse an Fußball haben. Für die meisten empörten Reaktionen hat daher das Reel von Pamela Reif (pamela_rf), Feli (videozeugs) und Nona (nonakanal) mit folgendem Sound gesorgt: „Ich mag Fußball, aber am meisten mag ich eigentlich die Fußballer – je attraktiver die Fußballer sind, desto mehr mag ich eigentlich das Fußballspiel“. Das Video verdeutlicht die Kritik der Fans treffend: Influencer*innen, die nicht wirklich Fußball interessiert wirken, bekommen trotzdem die besten Stadionplätze geschenkt. Diese könnten die Sponsor*innen lieber an Fußballinteressierte geben – ob Influencer*in oder nicht.
Auch andere Influencende wie Julian, Dagi Bee, Tim, Feli oder Pamela Reif, die zuvor keinen oder kaum Fußball-Content gepostet haben, werden von User*innen nicht als “echte” Fans wahrgenommen. Tragen Influencer*innen im Gegensatz zu den Fans in den Fanblöcken kein Trikot, sticht das hervor. Das Verhalten wirkt desinteressiert gegenüber “echten” Fans, die keine Tickets bekommen haben und wird demtsprechend in den Kommentaren kritisiert.
Influencer Tim (twenty4tim) geht mit seinem Unwissen selbstironisch um. In einem Post mit Joachim Löw schreibt er: „Jürgen Löw (wie ich ihn im Dschungelcamp nannte)”. Immerhin: Zehn Logen-Plätze hat er an seine Community verlost. Dass er sich im Stadion betrunken hat, kam trotzdem nicht gut an. Der Sponsor Tkk Maxx soll daher ein Video von ihm und Influencer Julian wieder vom Kanal genommen haben.
Authentisches Influencerinnen-Marketing mit Oma Lotti
Dabei hat alles so gut angefangen: In der Nominierungskampagne des DFB hat ein authentischer Mix an Persönlichkeiten die nominierten Spieler vorgestellt: Unter anderem Major-Tom-Sänger Peter Schilling, die Kroos-Brüder, ein Tätowierer, eine Dachdeckerin und der Lieblingsdönerverkäufer von Profi-Fußballer Antonio Rüdiger. Die Kampagne und vor allem eine Persönlichkeit kam gut an: Oma Lotti aus Hamburg.
Sie ist sogar Liebling von Bundestrainer Julian Nagelsmann, wie dieser in einer Pressekonferenz bekanntgab. Oma Lotti wirkt authentisch, wie ein echter Fan: In einem Video mit dem befreundeten Pfleger Rashid Hamid (pflege.smile) erinnert sie sich noch an Spielergebnisse von vor drei Jahren. Rashid wirbt daher um einen Platz im Stadion für die 93-Jährige:
Die Sponsor*innen geben Influencenden Premium-Plätze und das nächste Viertelfinale steht bald an. Wie wäre es mal mit Premium-Plätzen für authentische Influencer*innen, wie Oma Lotti?
Montage Titelbild: Eva Rabbe, Kommentare der Instagram-Beiträge von @dfb_team, @videozeugs, pamela_rf und @nonakanal, @rewiinstagram und @marceggers, @dagibee, @knossi, sowie @marenwolf, @paola und @sarellax3.
Eva Rabbe, Jahrgang 1999, kreidet auf den Straßen ihrer Heimatstadt Braunschweig sexualisierte Gewalt an und gründete 2020 die Initiative Catcallsofbs. Ihren Bachelor machte sie in Medienmanagement in Salzgitter. Für ein Praktikum bei Jung von Matt zog sie nach Hamburg. Dort entwickelte sie als Werkstudentin Social Media Konzepte für diverse Unternehmen: Nur Corona hielt sie davon ab, für Adidas den Halbmarathon in Berlin zu laufen. Privat joggt und fotografiert Eva gerne. Mittlerweile probiert sie sich zudem auf der Bühne im Thalia Theater aus. Kürzel: rab