Trump und Harris zerreißen eine Amerika Flagge.
Illustration: Paula Härtel

Donald Trumps Wahlsieg markiert nicht nur eine konservative Wende, sondern verdeutlicht auch eine tief verwurzelte Doppelmoral im Umgang mit der Meinungsfreiheit in den USA. Ein Kommentar von Patricia Zippel.

In den USA wird „Cancel Culture“ oft als Vorwurf gegen die Linke erhoben, während sich konservative Politiker*innen als Verteidiger*innen der Meinungsfreiheit darstellen. Tatsächlich aber kommt die eigentliche Zensur zunehmend von rechts. Republikanische Gouverneure  und Gesetzgeber*innen haben in den letzten Jahren immer wieder Gesetze erlassen, die abweichende Meinungen und Lebensweisen unterdrücken. Konservative zeichnen immer wieder das Bild einer „woken“ Gesellschaft, die Meinungsfreiheit und traditionelle Werte bedrohe.

Der Gouverneur von Florida, Ron DeSaints, verkündete dies auf einer Veranstaltung in Virginia 2023: „Wir bekämpfen die Woke-Ideologie in der Legislative. Wir bekämpfen die Woke-Ideologie in den Schulen. Wir bekämpfen das Woke in den Unternehmen. Wir werden uns niemals dem woken Mob beugen. Florida ist der Ort, an dem die Wokeness sterben wird.“ Betrachtet man jedoch die politischen Veränderungen im ganzen Land, ergibt sich ein ganz anderes Bild – ein Bild, in dem die Rechte genau die Cancel Culture gefördert hat, die sie ständig anprangert.

Wenn Meinungsfreiheit zur Einbahnstraße wird

Sie dient als Abwehrmechanismus gegen Kritik, etwa bei rassistischen, transfeindlichen oder sexistischen Äußerungen, erklärt die Autorin und Konfliktforscherin Annika Brockschmidt im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur.

Das macht sich auch der alte-neue US-Präsident Donald Trump in seinen Reden immer wieder zunutze. Seine Rhetorik ist immer wieder beleidigend, rassistisch und frauenfeindlich. Auch wenn das manchen Frauen in Amerika nicht aufzufallen scheint. Trump sagte bei einem Auftritt in Greenbay, Wisconsin er werde „Frauen in unserem Land schützen“ , und zwar „ob es den Frauen gefällt oder nicht“ . In Wahrheit sollen Rassismus und Frauenfeindlichkeit unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit salonfähig gemacht werden.

Gefährdung demokratischer Grundwerte

Republikaner setzen Maßnahmen durch, die Meinungen und Menschen ausgrenzen, die nicht in ihr konservatives Weltbild passen. Das schadet der Demokratie, denn es untergräbt das Fundament einer offenen Gesellschaft: die Akzeptanz von Vielfalt. Schon jetzt werden die persönlichen Freiheiten massiv eingeschränkt: „Die amerikanische Rechte ist auf Bundesstaatsebene gerade schon dabei die Bürger- und Freiheitsrechte, die seit den 50er und 60er Jahren erkämpft wurden, abzuschaffen. Der Supreme Court hat nämlich vor kurzem nicht nur das Recht auf Abrteibung abgeschafft, sondern argumentiert, dass es das Recht auf Privatheit, auf eine Privatsphäre, das sich aus dem 14. Zusatzartikel der Verfassung ableitet, gar nicht gibt“, so Brockschmidt.

Gesetzliche Ausgrenzung

Diese Politik schränkt das Selbstbestimmungsrecht ein und trifft vor allem Menschen, die nicht in das konservative Bild der amerikanischen Familie passen. DeSantis verbietet in Florida an öffentlichen Schulen Gespräche über Geschlechtsidentitäten und Sexualitäten außerhalb der heterosexuellen Norm, Bücher wurden aus Schulen und Bibliotheken verbannt. Eine Lehrkraft, die gegen das sogenannte „Don’t say gay“-Gesetz verstößt, riskiert eine Suspendierung. Angeblich dient dies dem Schutz der Kinder und traditioneller Werte. Tatsächlich aber unterdrückt diese Politik Perspektiven, die das konservative Weltbild herausfordern. Sie ist damit ein Angriff auf Vielfalt, Inklusion und Meinungsfreiheit in den USA.

Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt

Wer versucht, die Teilhabe bestimmter Gruppen an der Gesellschaft zu verhindern, gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In einer funktionierenden Demokratie müssen alle Stimmen gehört werden, unabhängig von Geschlecht, Sexualität oder ethnischer Herkunft. Vielfalt und Inklusion sind keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung, die es der Gesellschaft ermöglicht, gerecht und lebendig zu bleiben. Die wahre Bedrohung der Meinungsfreiheit geht von den Leuten aus, die das nicht wahrhaben wollen.

Lagewoche zur US-Wahl 2024

Donald Trump ist wieder Präsident in den USA. Am 5. November haben die Vereinigten Staaten ihren neuen Präsidenten gewählt. Kamala Harris hat als zweite Frau gegen Donald Trump verloren. Wie geht es weiter? Was bedeutet Trumps Präsidentschaft für die USA und den Rest der Welt? Wie ist die Stimmung in Deutschland und Hamburg? FINK.HAMBURG versorgt euch eine gute Woche lang mit den neuesten Infos rund um die Wahl.

Mit einem Bachelorabschluss in Tourismusmanagement liegt ihr Fernweh nahe: Patricia Zippel, Jahrgang 1997, hat schon alle Kontinente bereist - nur Australien fehlt ihr noch. In Hamburg ist sie schon seit 2020. Für das Netzpiloten Magazin produzierte sie hier einen Podcast über Themen wie digitale Kunst oder nachhaltige Handys. Danach absolvierte sie ein Redaktionsvolontariat bei dem Magazin “Flow”. Sprachlich bleibt Patricia ihrer Geburtsstadt Gera treu. Nischel, Ganker oder Konsum - typisch ostdeutsche Wörter sammelt sie mit einer Freundin in einer Whatsapp-Gruppe. Ihr Plan: Diese ins Norddeutsche schmuggeln, vielleicht auch auf die FINK-Website. Kürzel: zip