Die Zwanziger sind zum leben da: Freunde, Dating, Karriere. Aber das Leben ist nicht leicht zu stemmen, wenn immer mehr Geld fürs Wohnen draufgeht.
Titelbild und Icon: Illustration von Elizaveta Schefler
Mit 19 habe ich für mein WG-Zimmer in Kiel etwas unter 250 Euro gezahlt. Zentrale Lage, Strom-, Internet-, Wasser- und Heizkosten inklusive. Das war 2018. Wenn ich das heute jemandem erzähle, fallen die Kinnladen herunter. Ich muss selbst über den Preis von damals staunen.
Die Mieten steigen und steigen
Viele meiner Freund*innen suchen aktuell nach einer neuen Wohnung. Mitten in ihren Zwanzigern wollen einige mit dem ersten Vollzeitjob aus der alten Studentenbude raus, andere mit ihren Partner*innen zusammenziehen, die nächsten einfach ein WG-Zimmer, das entfristet ist. Das Ganze dauert lange und wird immer teurer.
In Großstädten wie Hamburg ist die Suche nach erschwinglichem Wohnraum eine Qual. Der Zensus für 2022 ermittelte für Hamburg eine durchschnittliche Nettokaltmiete von 9,16 Euro pro Quadratmeter. Rotherbaum war fast doppelt so teuer wie Hausbruch. Der Deutschlandatlas, ein Projekt verschiedener Bundesministerien, zeigt: Die Angebotsmieten sind insgesamt in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Laut einer Umfrage der Immobilienplattform ImmoScout24 unter eigenen Nutzer*innen in Deutschland sucht jede*r Zweite länger als ein Jahr nach einem neuen Zuhause.
Wohnungssuche mit Geld, Glück und Kontakten
600 Euro oder mehr für ein WG-Zimmer und 1000 Euro aufwärts für eine kleine Mietwohnung müssen‘s in Hamburg schon mal sein. Auch abseits beliebter Stadtteile wie Eimsbüttel, Hoheluft oder Eppendorf.
Ich habe das Gefühl, in Hamburg überhaupt Wohnraum zu mieten, wird immer mehr zu einem großen Privileg. Die Not ist groß, Freund*innen von mir sollten für eine Besichtigung hunderte Euro zahlen. Tauschwohnungen sind eine weitere Absurdität. Besser nicht ausziehen und wenn, dann handeln und tauschen. Bei der Lage verständlich.
Meine Wohnungssuche in Hamburg verlief ungefähr so: Fremden im Internet das eigene Leben offenlegen, auf Antwort hoffen, Massenabfertigungen auf ein paar Besichtigungen – und schließlich die Wohnung über eigene Kontakte finden. Von der gab es kein Inserat. Häufig läuft das ohne Anzeige. Kontakte sind die wichtige Währung bei der Wohnungssuche in einer Stadt wie Hamburg.
Sorgen über die Zukunft
Dass ich oder Freund*innen 200 bis 300 Euro für die Miete gezahlt haben, ist lange her. Es ist fast zu einer Floskel in den vergangenen Jahren verkommen, aber das Leben ist teuer geworden. Und immer, wenn ich mit Freund*innen darüber spreche, holt das Thema alle ab. Miete, Strom und Heizung sind ein Politikum. Kosten für Abendessen, neue Kleidung und Waschmittel belasten alle genauso. Natürlich nicht nur junge Menschen.
Wenn ich mich umhöre, fehlt vielen die Hoffnung, dass das bald besser wird. Mein Umfeld macht es nicht besser. Ich höre ständig Sorgen über die Zukunft von jungen Medienschaffenden: harte Arbeitsbedingungen, prekäre Anstellungsverhältnisse, stark verändernde Berufswelt, ein Gehalt, das kaum zum Leben reicht. Auch ich denke immer mal wieder darüber nach. Und ich bezweifle, dass man als Freischaffende*r besonders gute Aussichten auf dem Wohnungsmarkt in der Großstadt hat.
Serie „Aus den 20ern“
FINK.HAMBURG hat Personen unter dreißig befragt, welche Themen sie gerade beschäftigen. Diesen Themen wurde jeweils eine Folge der Serie gewidmet – um sie zu diskutieren, Lösungsansätze zu bieten und einen Raum zu kreieren. Sam (29) auf die Frage, was ihn beschäftigt: “Die nicht so tolle wirtschaftliche Situation. Mieten auf jeden Fall – deshalb bin ich gerade von Hamburg nach Lüneburg gezogen.“ Die Serie erscheint jeden Donnerstag hier auf FINK.HAMBURG.
Es braucht mehr Miteinander
Das trifft natürlich nicht nur Medienschaffende. Viele zieht es aus der Großstadt ins Umland oder in die nächste Kleinstadt. Die Zahl der Pendler*innen nach Hamburg wächst stark. Die Wohnungssuche in der Großstadt ist ein ziemlich aberwitziger Zirkus geworden. Und ganz ehrlich: Sie ist vor allem finanziell den meisten einfach nicht mehr zumutbar.
“Die Wohnungssuche in der Großstadt ist ein ziemlich aberwitziger Zirkus geworden.”
Was könnte helfen, trotz getrübter Aussichten? Wenn ich in mein Umfeld schaue, dann ist es vor allem: darüber zu sprechen. Geteiltes Leid ist manchmal halbes Leid. Der eine kennt eine WG, in der gerade ein Platz frei wird. Die andere zieht selbst aus ihrer Wohnung aus. Und schon über die eigenen Schwierigkeiten sprechen hilft. Klar, neben dem Notwendigen: Sich für eine bessere Wohnpolitik einsetzen.
Am Ende braucht es mehr Miteinander, mehr Füreinander, mehr Empathie, damit sich etwas verbessert. Unter Freund*innen im Kleinen und politisch. Vielleicht auch einen Schwung mehr Optimismus, dass sich etwas ändern kann. Damit leben in der Großstadt möglich bleibt für Menschen jeden Alters und kein Privileg ist.
Laurenz Blume, Jahrgang 1999, behauptet von sich selbst, er mache die besten Zimtschnecken. Für die "Neue Osnabrücker Zeitung" schrieb er unter anderem über Schnecken im Garten, Schützenfeste im Norden und tickerte zu "Aktenzeichen XY". Während seines Praktikums bei Spiegel TV recherchierte er für das investigative Dokuformat "Die Spur", führte Vorgespräche mit Protagonisten und begleitete einen Dreh. In seinem Geburtsort Kiel absolvierte Laurenz den Bachelor in Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation. Ausgerechnet als Nordlicht stammt sein einziger Pokal von einem Skirennen. Die Zimtschnecken hätten aber auch einen verdient, sagt die FINK.HAMBURG-Redaktion. Kürzel: lab