Einsamkeit ist kein Phänomen, das nur ältere Menschen betrifft. Mehr als die Hälfte junger Menschen in Deutschland fühlten sich im Jahr 2024 einsam. Zu Weihnachten kann sich dieses Gefühl verstärken. Doch es gibt Hilfsangebote. 

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Du bist jung und fühlst dich manchmal isoliert? Du bist nicht allein: 51 Prozent der jungen Menschen in Deutschland fühlten sich im Jahr 2024 einsam. Das zeigt eine im Dezember veröffentlichte Umfrage der Bertelsmann Stiftung, an der rund 3000 Menschen im Alter von 18 bis 35 Jahren teilgenommen haben. Diese Zahl sei höher als in allen anderen Altersgruppen, so die Stiftung. Die Autor*innen der Studie stufen junge Menschen daher als Risikogruppe für Einsamkeit ein.

Die Bertelsmann-Studie definiert in ihrer Studie Einsamkeit als „unangenehmes, schmerzhaftes Gefühl, das Menschen dann empfinden, wenn sie die Menge und Qualität ihrer sozialen Beziehungen als unzureichend wahrnehmen.”

Wenn die Feiertage schwerfallen

Was bedeutet das für Weihnachten? Für viele sind die Feiertage eine besonders schwierige Zeit. Sei es als frisch getrennter Single, aufgrund jahrelanger Familienkonflikte oder durch getrennt lebende Eltern. Die Erwartungen an Weihnachten sind hoch: Es soll besonders besinnlich, harmonisch und liebevoll zugehen.

An Weihnachten kommt man mit vielen anderen Menschen zusammen. Es können soziale Vergleiche entstehen, wie: ‚Die feiern mit der ganzen Familie und ich habe zum Beispiel nur meine Mutter oder meinen Vater’”, sagt Ricarda Steinmayr, eine Autorin der Bertelsmann-Studie und Professorin für Psychologie.

Dieses ungute Gefühl könne durch die sozialen Medien gesteigert werden, wo häufig ein ideales Bild von Weihnachten existiert, so Steinmayr. Wer an Heiligabend durch seinen Instagram-Feed scrollt, trifft nicht selten auf perfekt inszenierte Familienfotos vor dem Tannenbaum. „Das kann dazu führen, dass man sich sozial ausgeschlossen fühlt”, so Steinmayr. Es sei jedoch völlig normal, sich hin und wieder einsam zu fühlen.

Prof. Dr. Ricarda Steinmayr, Porträt.
Foto: TU Dortmund.

Prof. Dr. Ricarda Steinmayr leitet an der Technischen Universität Dortmund den Lehrbereich für Pädagogische und Differentielle Psychologie. Dabei forscht sie zu den Themen Glück, subjektives Wohlbefinden und mentale Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen. Als eine der Autor*innen war sie an den beiden aktuellen Studien der Bertelsmann-Stiftung zur Einsamkeit junger Erwachsener beteiligt.

Wenn die Einsamkeit länger bleibt

Der aktuellen Studie zufolge fühlt sich mehr als die Hälfte der jungen Menschen nicht nur hin und wieder einsam: Der Anteil der stark einsamen jungen Menschen lag in der Umfrage bei circa zwölf Prozent. Addiert man diejenigen, die sich mode­rat, also oft einsam fühlen, erhöhen sich diese Werte auf rund 51 Prozent.

Einsamkeit junger Menschen

Emotionale Einsamkeit stärker verbreitet als soziale Einsamkeit

Eine vorausgegangene, im Juni 2024 veröffentlichte Umfrage der Bertelsmann-Stiftung, differenziert zwischen dem Anteil emotionaler und sozialer Einsamkeit. Daran teilgenommen haben rund 2500 junge Menschen im Alter von 16 bis 30 Jahren. Emotionale Einsamkeit beschreibt das subjektiv empfundene Fehlen von besonders engen Bezugspersonen, etwa einer engen Freundin. Soziale Einsamkeit empfinden Menschen, wenn sie in ein soziales Netzwerk – etwa Freund*innen oder Familie – nicht in dem Ausmaß eingebunden sind, wie sie es sich wünschen. Der Studie zufolge ist emotionale Einsamkeit häufiger verbreitet als soziale Einsamkeit. Der Anteil der emotional Einsamen beträgt etwa 59 Prozent und der Anteil der sozial Einsamen liegt bei rund 39 Prozent.

Vergleich emotionale und soziale Einsamkeit, Balkendiagramm.

Diese Risikogruppen sind besonders stark betroffen

Weiterhin gibt die im Juni 2024 veröffentlichte Umfrage Auskunft darüber, dass bestimmte Risikogruppen stärker von Einsamkeit betroffen sind. Dies sind junge Menschen, die einen Migrationshintergrund oder einen niedrigen Schulabschluss haben, geschieden, verwitwet oder arbeitslos sind, oder in mittelgroßen Städten leben.

Im Hinblick auf das Alter steigt zwischen dem 16. und 20. Lebensjahr die Einsamkeit. Zwischen dem 20. und 24. Lebensjahr sinkt sie, bevor sie anschließend wieder ansteigt. Am stärksten ausgeprägt ist die Einsamkeit im Alter zwischen 19 und 22 Jahren.

Bei Frauen ist der Anteil der Einsamen mit 48 Prozent höher als bei Männern mit 43 Prozent. Betrachtet man sowohl Altersgruppen und Geschlecht, zeigt sich, dass der Anteil der Einsamen bei Frauen zwischen 20 und 24 Jahren am höchsten ist (51 Prozent), gefolgt von Frauen zwischen 25 und 30 Jahren (49 Prozent) und Männern zwischen 25 und 30 Jahren (47 Prozent).

Einsamkeit nach Alter und Geschlecht

Junge Menschen brauchen mehr Unterstützung

Die häufige Einsamkeit junger Menschen verlangt dringend aktives Handeln, sagt Langness von der Bertelsmann-Stiftung. Es gehe um eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. „Die Politik spielt dabei eine wichtige Rolle, da sie die Rahmenbedingungen solcher Studien beeinflussen und Angebote für einsame Menschen unterstützen kann“, so die Autor*innen. Es brauche mehr Prävention, mehr Online-Beratung und Unterstützung durch Pädagog*innen sowie Psycholog*innen. Risikogruppen wie Frauen oder Migrant*innen müssen dabei besonders berücksichtigt werden. Insgesamt sei es wichtig, junge Menschen aktiv in die Gestaltung dieser Angebote einzubeziehen. 

Das kann gegen Einsamkeit an Weihnachten helfen

Tipps, um sich an den Feiertagen weniger einsam zu fühlen, gibt Psychologie-Professorin Steinmayr. Betroffene sollten versuchen, negative Gedanken zu hinterfragen, die sie mit dem Weihnachtsfest verbinden. Ist es beispielsweise wirklich so schlimm, dieses Jahr nicht mit zehn Leuten Weihnachten zu verbringen? Sind meine Erwartungen realistisch? Setze ich mich unter Druck? Man kann auch versuchen, sich an das letzte Weihnachtsfest zu erinnern. Bestenfalls stellt man fest, dass es doch ganz schön war.

Zudem kann es helfen, sich an den Feiertagen aktiv mit Freund*innen zu verabreden. Oft merkt man, dass auch andere außerhalb der Familie Gesellschaft suchen. Wer sich an Weihnachten doch nach seinen Angehörigen sehnt, kann versuchen, den Kontakt aufzunehmen. Manchmal hilft schon ein kurzes Telefonat, eine geschriebene Weihnachtskarte oder ein Videoanruf, um sich besser zu fühlen.


Hilfsangebote in Hamburg

In Städten ist die Einsamkeit junger Menschen höher als auf dem Land. So zeigt die Bertelsmann-Studie vom Juni 2024, dass der Anteil einsamer junger Menschen in städtischen Gebieten bei 49 Prozent liegt, wohingehen es in ländlichen Gebieten 38 Prozent sind. In Hamburg gibt es zahlreiche Angebote für junge Menschen während der Feiertage oder auch ganzjährig:

Gegen Einsamkeit in der Nachbarschaft

Die Stiftung Nebenan.de hat dieses Jahr wieder die bundesweite Initiative „Wir Weihnachten” organisiert. Ziel ist es, Menschen in der Nachbarschaft durch gemeinsame Aktionen zusammenzubringen. Interessierte können sich seit dem 1. November 2024 hier registrieren. 

Match Later

Match Later

Bei der Kennenlern-App Match Later – übersetzt „später verbinden” – treffen sich die Nutzenden zuerst offline im echten Leben und entscheiden danach, ob sie sich online vernetzen möchten. In Hamburg gibt es dazu 40 Orte. Das mache das Kennenlernen unkompliziert und angenehm, schreiben die Gründerinnen auf ihrer Website. Hier erfahrt ihr, wie die App genau funktioniert.

Hamburger Ladies Stroll

Wer in Hamburg neu ist und nach einer Frauen-Community sucht, kann sich dem Hamburger Ladies Stroll (HLS) anschließen. Dabei treffen sich Frauen zum gemeinsamen Sport, Spazierengehen oder Schlendern über den Weihnachtsmarkt. 

Angebote für migrantische Frauen 

Die Filia-Frauenstiftung bietet auf ihrer Webseite mehrere Projekte von und mit geflüchteten sowie migrantischen Frauen an. Der Service von Stadtkultur Hamburg organisiert mehrere Workshops für Frauen unterschiedlicher Kulturen. So gibt es beispielsweise regelmäßig das Interkulturelle Frauenfrühstück oder den Frauen-Chor Songs from Home.

Infoplattform für junge Erwachsene

“Keiner Bleibt Allein” ist eine Informationsplattform zu Einsamkeit und Alleinsein für junge Erwachsene und Menschen mittleren Alters. Über Facebook, Instagram und Tiktok werden neue Ergebnisse aus der Einsamkeitsforschung geteilt. Damit möchte die Plattform Betroffene dabei unterstützen, sich selbst zu helfen. Nach eigenen Angaben haben dadurch 2019 insgesamt 3500 Menschen Freund*innen gefunden, die Weihnachten oder Silvester alleine gewesen wären.

Telefonseelsorge 

Die Telefonseelsorge Hamburg ist auch an den Feiertagen rund um die Uhr, gebührenfrei und anonym verfügbar. Der Dienst ist unter folgenden Nummern erreichbar: 0800 111 0 111 , 0800 111 0 222 oder 116 123. 

Krisenchat

Für alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen unter 25 Jahren bietet der Krisenchat eine kostenfreie Beratung per Chat an. Das Angebot ist rund um die Uhr über WhatsApp und SMS verfügbar. Hier kann man sich ohne Anmeldung und Registrierung Hilfe suchen. 

Weitere Angebote findet ihr beim Kompetenznetzwerk Einsamkeit

Ehrenamtlich engagieren

Wer sich bei Weihnachtsaktionen und darüber hinaus engagieren möchte, kann sich beispielsweise auf der Seite der Hamburger Freiwilligen Organisationen oder der Diakonie Stiftung informieren. Zudem organisiert die Initiative Mehr zusammen eine Feier an Heiligabend für Alleinstehende und Alleinerziehende mit Kindern im NYX Hotel. Dafür kann man sich über ein Formular anmelden und unterstützen. 

Katja Niko, Jahrgang 2001, mag keinen Kaffee, ist aber trotzdem immer hellwach. Die passionierte Leichtathletin mit Spezialgebiet Sprint wird auf eine Profikarriere leider verzichten müssen: Schon zweimal hat sich ihre Kniescheibe aus ihrem eigentlichen Aufgabenbereich verabschiedet. Dafür wächst die Fan-Foto-Sammlung weiter – ganz oben auf der Liste: ein Selfie mit der schnellsten Frau Europas. Nach sieben Semestern Journalistik und diversen Medienpraktika hat Katja beschlossen, ihre Heimatstadt Stuttgart zu verlassen und in eine echte Medienstadt zu ziehen. Auf ein Bad in der Elbe verzichtet sie aber vorläufig – in Australien musste sie schon einmal von der Küstenwache aus dem Pazifik gerettet werden. Kürzel: kat

Eva Rabbe, Jahrgang 1999, kreidet auf den Straßen ihrer Heimatstadt Braunschweig sexualisierte Gewalt an und gründete 2020 die Initiative Catcallsofbs. Ihren Bachelor machte sie in Medienmanagement in Salzgitter. Für ein Praktikum bei Jung von Matt zog sie nach Hamburg. Dort entwickelte sie als Werkstudentin Social Media Konzepte für diverse Unternehmen: Nur Corona hielt sie davon ab, für Adidas den Halbmarathon in Berlin zu laufen. Privat joggt und fotografiert Eva gerne. Mittlerweile probiert sie sich zudem auf der Bühne im Thalia Theater aus. Kürzel: rab

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