Mehr als Kommerz: Die Genossenschaftskampagne des FC St. Pauli zeigt, dass Fußballfans mehr als nur Zuschauer sein können – sie können mitbestimmen. Ein Modell, das Solidarität, Demokratie und Fannähe stärkt und anderen Vereinen als Vorbild dienen könnte. Ein Kommentar.
Während viele professionelle Fußballvereine weiter Milliardäre, fragwürdige Sponsoren und Staaten hofieren, setzt der FC St. Pauli auf seine Anhänger – und schreibt damit Geschichte. Die Genossenschaftskampagne des Hamburger Kultclubs zeigt, wie demokratische Mitbestimmung und Fannähe im modernen Profifußball aussehen können. Es handelt sich dabei um mehr als ein bloßes Finanzierungsmodell: Es ist eine Botschaft. Und es ist die erste Genossenschaft im Profifußball.
Die Genossenschaft des FC St. Pauli ermöglicht Fans, Anteile am Millerntor-Stadion zu erwerben und Mitbesitzer zu werden. Nach dem Prinzip „eine Person, eine Stimme“ fördert sie demokratische Mitbestimmung und Fannähe – ein Modell gegen Kommerz im Fußball.
Demokratische Mitbestimmung statt Kommerz
Die Grundidee der FCSP eG ist ebenso einfach wie revolutionär. Durch den Erwerb von Anteilen an der Genossenschaft werden Fans zu Miteigentümer*innen des Millerntor-Stadions – der Heimspielstätte ihres Vereins. Unabhängig von der Anzahl der Anteile gilt dabei das Prinzip: eine Person, eine Stimme. Es ist ein klares Zeichen gegen die zunehmende Kommerzialisierung im Fußball, bei der die Interessen der Anhänger*innen oft hinter den finanziellen Interessen von Investor*innen zurückstehen.
Und die Zahlen sprechen für sich: Innerhalb von nur zwei Monaten hat die Genossenschaft mehr als 18 Millionen Euro gesammelt und 14.500 Genoss*innen gewonnen. Diese Begeisterung zeigt, wie groß das Bedürfnis nach Mitgestaltung und einer anderen Art von Vereinsfußball ist.
Mehr als nur ein Stadion
Doch die Bedeutung der ersten Genossenschaft im Profifußball geht über finanzielle Aspekte hinaus. Sie steht für Werte, die in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft relevanter sind denn je: Solidarität, Partizipation und Gemeinschaft. Oder wie Pauli-Präsident Oke Göttlich es formuliert:
„Diese Genossenschaft lebt Partizipation und demokratische Mitbestimmung – und das ist etwas, was wir in diesen Zeiten mehr denn je brauchen.“
Grenzen und Chancen
Natürlich hat auch dieses Modell seine Grenzen. Nicht jede*r kann sich die 850 Euro pro Anteil leisten – ein Problem, das die Frage nach sozialer Durchmischung aufwirft. Denn so sehr St. Pauli auch für Inklusion und Solidarität steht, leisten können muss man es sich trotzdem. Hier wären vielleicht zusätzliche Initiativen denkbar, um noch mehr Menschen den Zugang zur Genossenschaft zu ermöglichen.
Dennoch überwiegt der positive Effekt: Die Kampagne hat gezeigt, dass ein Verein auf die Kraft seiner Gemeinschaft vertrauen kann. Und das ist in Zeiten zunehmender Kommerzialisierung seitens Fifa und Vermarkter alles andere als selbstverständlich.
Ein Hoffnungsschimmer für den Fußball
Der FC St. Pauli beweist also, dass Fußball weit mehr sein kann, als reines Business. Die Kampagne hat der Verein noch einmal bis Ende März verlängert. Damit gibt er noch mehr Menschen die Möglichkeit, Teil dieses besonderen Projekts zu werden.
Das Modell könnte auch als Blaupause für andere Vereine dienen, die sich von der Abhängigkeit von Großinvestoren lösen wollen. Weitere Clubs sollten den Mut haben, ähnliche Wege zu gehen. Laut Göttlich haben sich bereits andere Proficlubs wie der FC Schalke 04 nach dem Konzept erkundigt. Es zeigt: Es gibt Alternativen zur Kommerzialisierung, und sie können funktionieren.
Als Kind träumte Luca Schafiyha, Jahrgang 1994, davon, Schriftsteller zu werden. Ein ganzer Roman war dem Rheinländer dann aber doch zu viel. Journalist lautete der neue Berufswunsch. Seitdem ist viel passiert: Neben seinem Germanistik- und Politikstudium in Düsseldorf veröffentlichte Luca regelmäßig eine Kolumne in der „Rheinischen Post“. Luca arbeitete beim WDR, für die Redaktionen des „Handelsblatt“, der „Wirtschaftswoche“, „ran.de“ sowie des „Rolling Stone“. Er selbst spielt gerne Bass-Gitarre. In Bologna absolvierte er ein Erasmus-Semester – den täglichen Aperitivo auf der Piazza Maggiore vermisst er bis heute. Kürzel: sha