Am 2. März wird in Hamburg die Bürgerschaft gewählt und die Parteien sind schon mitten im Wahlkampf. Wir haben die Wahlprogramme der Parteien untersucht und zusammegefasst. Was planen sie im Sachen Bildungspolitik?
Dass Bildung ein wichtiges Thema ist, darüber sind sich die Parteien einig. Die Vorstellungen darüber, welche Ziele erreicht werden sollen und insbesondere auf welchem Weg, gehen auseinander.
SPD will mehr volldigitalisierte Schulen
Die SPD schreibt in ihrem Regierungsprogramm, sie hat die Betreuung in Kita und Kindertagespflege im Umfang von fünf Stunden beitragsfrei gestellt und werde daran festhalten. „Durch das Kita-Gutscheinsystem und das Recht auf einen Kitaplatz sorgen wir für gute Startbedingungen aller Kinder in unserer Stadt und ermöglichen neben frühkindlicher Bildung und wertvoller pädagogischer Arbeit auch Flexibilität für Familien in der Organisation des Alltags.“
In Hamburg gilt das sogenannte Kita-Gutscheinsystem. Die Stadt schreibt auf ihrer Website: „Eltern erhalten für ihr Kind jeweils einen Kita-Gutschein, den sie in jeder Kita einlösen können, die am Kita-Gutscheinsystem teilnimmt. Da die Stadt Kitas nur für die tatsächlich betreuten Kinder bezahlt, müssen diese mit ihrem Angebot flexibel auf die Anforderungen von Familien reagieren und mit hoher Qualität überzeugen“. Seit Januar 2025 gibt es nun auch den XL-Gutschein, der bis zum regulären Schuleintritt gültig ist.
Die Gültigkeit eines solchen Kita-Gutscheins soll verlängert werden, wodurch die SPD die Familien entlasten will. Außerdem will die Partei die Randzeitenbetreuung in Kitas stärken.
Die Attraktivität des Lehrer*innenberufs will die Partei mit „Fortbildungsangeboten und Maßnahmen zur Personalgesundheit“ steigern. Die SPD setze sich dafür ein, dass die Universität Hamburg mehr Lehrkräfte ausbildet. Damit weniger Studierende ihr Lehramtsstudium abbrechen, will die Partei sie mit einem Coaching unterstützen. Auf die Nachfrage, wie ein solches Coaching aussehen soll, hat die SPD nicht geantwortet.
Das möchte die SPD noch:
- Noch mehr Schulen zu volldigitalisierten Schulen ausbauen und dort allen Schüler*innen ein Tablet zur Verfügung stellen
- Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung und Selbstwirksamkeit von Schüler*innen durch Empowerment, Beteiligungsformen, Feedbackkultur sowie Mitspracherechte
- Das bisherige Konzept der Schulbegleitung für Schüler*innen mit Beeinträchtigung auf Grundlage einer wissenschaftlichen Evaluation weiterentwickeln
Grüne wollen Ganztag statt Hausaufgaben
Die Grünen schreiben in ihrem Programm, dass Bildung „allen Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Beeinträchtigung, Einkommen oder Alter chancengerecht zugänglich sein“ muss. Das Ziel sei eine mündige Gesellschaft, die „die nachhaltige Entwicklung aktiv gestaltet“. Dafür unterstützen sie „Bildung für nachhaltige Entwicklung“, um Lernenden beizubringen „verantwortungsvolle Entscheidungen für Umwelt, Gesellschaft und zukünftige Generationen zu treffen“.
Die Grünen wollen Hausaufgaben für alle Schüler*innen abschaffen, und setzen sich stattdessen für eine ganztägige Rhythmisierung und Raum für Lernen und Bewegung als auch für Ruhe und Entspannung ein. Damit wollen sie ermöglichen, dass auch im „die restlichen Stunden nach der Schule von Schüler*innen noch qualitätsvoll gestaltet werden können“.
Eine Ganztagsschule hat mehr Zeit für die Schüler*innen. Neben dem Unterricht werden viele weitere Angebote gemacht. Die Stadt Hamburg schreibt: „Die Kinder können sich in Sport, Musik, Werken, Kunst, Theater und weiteren kreativen Tätigkeiten erproben. Die Hausaufgaben werden in der Schulzeit erledigt bzw. durch vertiefende Lernzeiten in der Schule ersetzt.“
Das möchte die Grüne noch:
- Eine Integration von guten analogen Lernwegen und den neuen Möglichkeiten digitaler Ressourcen
- Antidiskriminierungs- und Aufklärungsprojekte in allen Bereichen und wollen Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen stärker unterstützen
- eine schulnahe Versorgung mit psychotherapeutischen und familienstützenden Maßnahmen entwickeln
CDU stehe für eine “leistungsfähige Bildungslandschaft”
Die CDU schreibt in ihrem Wahlprogramm für die Bürgerschaftswahl 2025, sie stehe für „eine leistungsfähige Bildungslandschaft“. Wichtig sei das Beherrschen der deutschen Sprache, denn das wäre „die Grundvoraussetzung für gute Bildung und eine gelungene Integration“. Die Regeln der deutschen Rechtschreibung seien eine verbindliche Grundlage für alle Hamburger Bildungseinrichtungen. Weiter schreibt die CDU: „Die grammatikalisch falsche Gender-Sprache lehnen wir ab.“
Das spielt auch für Grundschüler*innen eine Rolle, denn am Ende der Grundschulzeit sollen die Kinder laut CDU „so gut lesen, schreiben, sprechen und rechnen können, dass sie den Anforderungen der weiterführenden Schule gerecht werden können“. Dafür setze die CDU „verbindliche Mindeststandards“, die für einen späteren Schulabschluss verpflichtend sind.
Um Lehramtsstudent*innen zu fördern und vor dem Abbruch ihres Studiums zu bewahren, will auch die CDU „ein Coaching vor Aufnahme des Studiums und während des Studiums“ einführen. Laut eines Pressesprechers der CDU Hamburg stellt die Partei sich ein solches Coaching mit hoher Praxisnähe und erfahrenen Lehrkräften vor. Dieses solle die werdenden Lehrer*innen auf ihren Unterrichtsalltag vorbereiten. „Dabei sollen gezielt soziale Fähigkeiten über das Studium hinaus gestärkt werden.“
Das möchte die CDU noch:
- Das Kita Gutschein-System erhalten und stärken
- Angebote an dualen Studiengängen in Kooperation mit potenziellen Arbeitgebern ausbauen, um die Nachwuchsgewinnung in Feldern mit Fachkräftemangel zu stärken
- Mit den Kammern und Verbänden ein übergreifendes Auszubildendenwerk gründen, um Auszubildendenwohnheime zu betreiben
FDP möchte mehr Lernräume für Schüler*innen
Die FDP fordert ein Startchancen-Programm für Kitas als Ergänzung zu dem für Schulen. Sie schreiben in ihrem Wahlprogramm, dass sie so „Kinder in Stadtteilen mit großen sozioökonomischen Herausforderungen von Anfang an mit besserer Ausstattung, gezielter Sprachförderung und mehr Personal“ unterstützen würden. Wie die SPD, will auch dier FDP für mehr „Flexibilität bei den Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen sorgen und dabei insbesondere die Angebote in den Randzeiten ausbauen“. Kinder von in Schichtdienst arbeitenden Eltern sollen die Möglichkeit bekommen, über Nacht betreut zu werden.
Für den Übertritt in die Grundschule sollen Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse gefördert werden und bei Bedarf „schon vor der Einschulung kostenlose und obligatorische Sprachförderung in der Kita erhalten, bis ein ausreichendes Sprachniveau erreicht ist, um die Grundschule zu besuchen“.
Für Kinder und Jugendliche, die zu Hause kein ruhiges Lernumfeld haben, will die FDP Lernräume öffnen oder schaffen. Sie werde zum Beispiel die Altersgrenze für das FlexiBibAngebot der Bücherhallen absenken. Aktuell können sich hier nur volljährige Personen mit ihrer Bücherhallen-Karte in einigen Stadtteilbibliotheken selbst die Tür öffnen.
Das möchte die FDP noch:
- Berechnungsgrundlage der verschiedenen Kita-Gutscheinhöhen auf den Prüfstand stellen
- Schwimmunterricht und Wassergewöhnungskurse fördern
- Erzieher*innenausbildung attraktiver machen: duale Ausbildung mit angemessener Vergütung und bezahlte Praktika
- Jedem Grundschulkind in Hamburg einen Besuch im Planetarium ermöglichen
- altersgerechte demokratische Teilhabe innerhalb der Schule fördern und den Politikunterricht an allen Schulformen stärken
- Hamburger Schulen auf dem Weg zur „Umweltschule“ und „Klimaschule“ unterstützen
- Mehr Azubi-Wohnheime
AfD will immer höhere Abiturientenquoten stoppen
Die AfD schreibt in ihrem Wahlprogramm, sie wolle die „von Rot-Grün betriebene, ideologisch motivierte Entwertung der Gymnasien und des Abiturs beenden“. Diese steigende Abiturientenquote sei mit einer deutlichen Absenkung der Leistungsstandards verbunden. Außerdem schreibt die Partei, dass sie das bestehende alleinige Elternwahlrecht reformieren wolle. Denn dieses führe oft zu Fehlentscheidungen: „In manchen Stadtteilen scheitern immer noch mehr als die Hälfte aller Schüler am Gymnasium und müssen auf Stadtteilschulen zurückgeschult werden.“ Stattdessen sollen Eltern und Schulen gemeinsam entscheiden, welche weiterführende Schule das Kind besuchen soll.
Weiter will die AfD „mehr Disziplin“ an Schulen. Die Partei schreibt: „Wir setzen uns dafür ein, dass Bewertungen in Notenform anhand sachlicher Kriterien ab der 2. Klasse verbindlich an allen Hamburger Grundschulen erfolgen.“ Das entspreche laut der AfD meist auch dem Wunsch der Kinder und Jugendlichen, „sich mit anderen zu messen“.
Die AfD lehnt „eine ‚Schule für alle‘, die jedes Kind aufnehmen und fördern soll, unabhängig von der Art und Schwere der Behinderung“ ab, schreibt aber auch, dass sie „das Prinzip der gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderung“ befürworte. Auf die Nachfrage, wie die Partei dies stattdessen umsetzen will, hat sie nicht geantwortet.
Das möchte die AfD noch:
- das Wertesystem von Ehe, Elternschaft und Familie soll nicht durch ein Konzept der „sexuellen“ und „geschlechtlichen Vielfalt“ ersetzt werden
- Schüler*innen von neu eingewanderten Migrant*innen, „welche die deutsche Sprache nicht oder nicht ausreichend beherrschen“ in „Vorbereitungsklassen“ unterrichten
- verpflichtende Kindervorsorgeuntersuchungen, deren Einhaltung kontrolliert werden muss. Ärzte sollen altersgemäßen Entwicklungsstand, Aufälligkeiten, z.B. Anzeichen von Misshandlungen, überprüfen
Die Linke will Ausbau der Kinder- und Jugendarbeit
An oberster Stelle unter dem Punkt Bildung fordert die Linke „gleiche Lebenschancen für alle Menschen: unabhängig von ihrer geographischen und sozialen Herkunft“. Beginnend bei der Kita will die Partei acht Stunden „gute Grundbetreuung“ sowie die Absicherung von Früh- und Spätdiensten bei Bedarf. Bei Personalmangel soll es verbindliche Notfallpläne geben. Die Linke fordert „einen massiven Ausbau der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, der Familienförderung und der Jugendsozialarbeit – insbesondere in Stadtgebieten mit wenigen Einrichtungen oder mit vielen Menschen, die in Armut leben“.
Schule müsse „ein Ort demokratischer Bildung und Beteiligung werden“ und Schüler*innen müssten die Möglichkeiten haben, stärker demokratisch an der Gestaltung ihrer Schulen teilzuhaben. Außerdem sollen Menschen aus Nichtakademiker*innen-Haushalten die gleichen Chancen auf ein Studium haben wie der Rest. Die Partei schreibt, Gymnasien müssten für mehr Bildungsgerechtigkeit umfassend an Inklusion und Integration beteiligt und entsprechend ausgestattet werden. Das Abschulen, also das Wechseln von beispielsweise einem Gymnasium auf eine Stadtteilschule, nach der sechsten Klasse wolle die Linke beenden. Jede Schule müsse ihren Schüler*innen eine für sie passende Perspektive bieten.
Das möchte die Linke noch:
- Kostenloses Kita-Frühstück, kostenfreie Sportangebote für alle und kostenfreien Eintritt in die Hamburger Museen für alle Hamburger*innen an mindestens einem Sonntag im Monat
- Statt Hausaufgaben einem gut rhythmisierten Ganztag
- Förderung der Medienkompetenz von Lehrenden und Schüler*innen im Hinblick auf Social Media, Gaming und KI sowie Förderung von Programmen gegen Medienabhängigkeit
- Mehr Wohnheimplätze für Azubis
Sarah Bayerschmidt, Jahrgang 2001, kommt aus Amberg, ihre bayerische Herkunft verrät ihr Nachname oder die Aussprache des Wortes „furchtbar“. Studiert hat sie Journalistik in Eichstätt. Beim ZDF im Landesstudio Berlin hat sie über Blockadeaktionen der Letzten Generation berichtet und war bei einem Klebetraining dabei. Ein anderes Thema, das ihr wichtig ist: Tattoos. In einer Podcast-Folge für das ZEIT-Wissen Magazin hat Sarah eine Tätowiererin begleitet und mit einem Tattooforscher darüber gesprochen, was die Körperkunst für Menschen bedeutet. Sie selbst trägt unter anderem am Bein einen Zeichentrickhasen (mit Zeitung in der Hand!) und den Spruch „wird schon“.
Kürzel: bay