Das Gut Haidehof betreibt in Wedel regenerative Landwirtschaft. Bei der monatlichen Hofführung führt Hannes Höhne durch den Ort und zeigt, wie ein Hof so geführt werden kann, dass es dem Boden nutzt, nicht schadet.  

Auf dem Bild ist ein Mann zu sehen, der einen Hut trägt. Es ist Hannes Höhne, der die Hofführungen auf dem Gut Haidehof macht.
Hannes Höhne ist für die Hofführungen zuständig, welche jmonatlich am ersten Samstag stattfinden. Foto: Seray Ünsal

Vor einem Haus steht ein Pfau. Als würde er spüren, dass gleich Kameras auf ihn gerichtet werden, richtet er sich auf und schlägt sein Rad, dessen grüne und blaue Farben leuchten. Er präsentiert sich stolz. Für einen kurzen Moment scheint es, als gehöre ihm der gesamte Ort. Dann zerreißt ein lauter Sirenenton die Stille, so wie an jedem ersten Samstag im Monat um zwölf Uhr. Der Alarm ist nicht nur eine Probe, sondern auch ein Zeichen für den Beginn der Hofführung am Gut Haidehof, erklärt Hannes Höhne mit einem sarkastischen Grinsen. Hannes ist ein vielseitiger Mitarbeiter und seit 2020 auf dem Hof tätig. Vielseitig, denn neben den administrativen Aufgaben, die er übernimmt, kümmert er sich um Tierhaltung, Öffentlichkeitsarbeit, er ist Teil des betrieblichen Leitungsteams und wirkt an der strategischen Entwicklung mit. 

Einblick ins Hofleben

Sein dunkler Hut wirft einen leichten Schatten über seine Augen. Mit seinen khakifarbenen Gummistiefeln steht er da und wartet auf potenzielle Besucher*innen. Während sich die Blicke der Anwesenden auf Hannes richten, spielen zwei Hunde von Besucherinnen abseits vom Geschehen. Sie jagen einander und scheinen von der beginnenden Führung kaum Notiz zu nehmen. Als Hannes bemerkt, dass sich zwei Teilnehmerinnen in einer anderen Sprache unterhalten, fragt er nach, ob er die Führung auf Englisch abhalten soll – ein vielseitiger Mitarbeiter eben. 

Arbeiten ohne Maschinen

Das Gut Haidehof ist ein landwirtschaftlicher Betrieb in Wedel. Geführt wird er von einem Team aus siebzehn Menschen, acht davon arbeiten direkt in der Landwirtschaft. Die meisten Arbeiter*innen leben auch auf dem Hof. Hannes steht heute stellvertretend hier, wie er sagt, aber eigentlich sei es immer Teamarbeit.  

Während die Geschichte des Hofes über 120 Jahre zurückgeht, begann mit dem Kauf durch eine Hamburger Familie im Jahr 2019 ein neuer Abschnitt. Heute werden 24 Hektar bewirtschaftet. 

Der Hof verfolgt die Philosophie der regenerativen Landwirtschaft. Das bedeutet, dass die  Böden nicht nur geschont, sondern aktiv verbessert werden. Im Garten arbeiten sie mit Methoden wie No-Dig Gardening und Bio-Intensive Gardening. Der Boden bleibt bei diesen Methoden möglichst ungestört und die Beete werden besonders dicht bepflanzt. Damit soll die Bodenfruchtbarkeit gesteigert werden. 

Hannes betont, dass die regenerative Landwirtschaft auch auf Herausforderungen des 21. Jahrhunderts reagieren soll. Dazu zählen die Klimakrise, der Verlust der biologischen Vielfalt, sowie die zunehmende Verarmung ländlicher Räume. 

Regenerative Landwirtschaft ist ein Ansatz, bei dem Bodenschutz im Mittelpunkt steht. Durch naturbasierte Methoden wie pfluglosen Anbau, Fruchtfolgen, Agroforst und dauerhafte Bodenbedeckung soll der Boden wieder aufgebaut und das Ökosystem gestärkt werden. Ziel ist es, Klimaveränderung zu verlangsamen und Bodenfruchtbarkeit, Biodiversität und natürliche Kreisläufe langfristig zu fördern.

Ran an die Wurzeln

Die Führungen werden vom gemeinnützigen Gut Haidehof e.V. getragen. Ziel des Vereins ist es, Bildung, Forschung und Wissensvermittlung rund um Landwirtschaft und Ernährung zu fördern. Hierfür kommen auch regelmäßig Schulklassen auf den Hof. ,,Wir haben hier eine privilegierte Lage, wo wir relativ nah an der Stadt sind und Menschen direkt erreichen können. Deswegen ist es uns auch wichtig, darüber zu sprechen, wie wir arbeiten und warum wir vielleicht ein bisschen anders arbeiten, als das die industrialisierte Landwirtschaft tut.

Wir haben hier eine privilegierte Lage, wo wir relativ nah an der Stadt sind und Menschen direkt erreichen können. Deswegen ist es uns auch wichtig, darüber zu sprechen, wie wir arbeiten und warum wir vielleicht ein bisschen anders arbeiten, als das die industrialisierte Landwirtschaft tut.

Es ist eine Scheune und ein Beet zu sehen auf dem Gut Haidehof zu sehen.
Das angepflanzte Gemüse kann im Hofladen oder mit einem Gemüse-Abo erworben werden. Foto: Seray Ünsal

Hannes führt die kleine Truppe über den Hof und stellt dabei die Produktionskette rückwärts vor. Jetzt weht der Wind stärker als zu Beginn der Führung. Hannes spricht lauter, um dagegen anzukommen. „Der Garten ist auf den Menschen ausgelegt”, sagt Hannes, während er durch das Beet schreitet. Maschinen kommen hier nicht zum Einsatz. Stattdessen wird dicht gepflanzt und von Hand gearbeitet. „So ein gesunder, lebendiger Boden ist wie eine vielfältige Stadt mit unterschiedlichen Vierteln”, erklärt Hannes. „Manche kommen aus Blankenese und haben eine gute Ausdauer beim Treppensteigen, andere wohnen in St. Pauli und kennen jede Bar.” Jeder Organismus habe seine ökologische Nische. Wird der Boden zu stark bearbeitet, gerät das Gleichgewicht durcheinander. Auf dem Haidehof bleibt er deshalb möglichst ungestört. 

Wenn die Weide wandert

Heute ist der letzte Stop der Führung die Weide mit den Rindern. Nur einige Meter von dem Gemüse entfernt stehen zwei von ihnen nah am Weidezaun. Hier wird ebenfalls eine bestimmte Technik angewendet: Das Weidemanagement nach Allan Savory. Beim Weidemanagement auf dem Haidehof wird die Herde regelmäßig auf neue Teilflächen geführt. Die Tiere fressen dort nicht nur das Gras, sondern düngen gleichzeitig mit ihrem Mist den Boden. Auf der zurückgelassenen Fläche entsteht so eine Schicht aus Mulch und Nährstoffen, die das Bodenleben fördert und die Feuchtigkeit hält. Für ihn sind die Tiere „ökologische Mitarbeiter”, sagt er. 

Als Hannes erklärt, was mit dem Mist passiert, bleibt eines der Rinder stehen und lässt genau in diesem Moment seinen Beitrag zur Bodenfruchtbarkeit fallen, so als hätte es verstanden, was Hannes gerade sagt. Der sagt trocken: „Danke für die Vorführung.” Etwas, das  ungefähr klingt wie: „Come cowey cowey come”, ruft er, wenn es für die Tiere heißt, den Platz zu wechseln. Auf der angrenzenden Weide muhen die Rinder bereits zurück. Hannes öffnet die Abtrennung, die Tiere setzen sich ruhig in Bewegung. Im Sommer passiert das zwei- bis dreimal täglich. 

In zwei Holzkisten sind weiße- und rote Radieschen zu sehen.
Der Hofladen hat zweimal die Woche geöffnet. Foto: Seray Ünsal

Hannes verweist zuletzt noch auf den Hofladen. Rund neunzig Prozent des Sortiments im Laden stammt vom Hof selbst. Ergänzt wird es durch einige regionale Partnerbetriebe, die nach ökologischen oder sozialen Kriterien ausgewählt werden. 

Der Rundgang endet mit der Frage, was Hannes sich für den Hof wünschen würde. Nach kurzem Überlegen sagt er: ,,Dass der Hof noch in 100 Jahren nahrhafte Lebensmittel mit Hilfe von Politik und Gesellschaft anbauen kann.” Der Pfau ist auf dem Hof nicht mehr zu sehen, doch die Rinder muhen auf der neuen Fläche. Damit hat die Wiese nun Zeit zu arbeiten. 

Seray Ünsal liefert ab. Mal 200 Rosen aus dem Blumenladen ihrer Familie, vor allem aber klare Botschaften: „Ich will der Boss sein, um Frauen zum Boss zu machen.“ Mit diesem Satz hing sie bereits auf Plakaten der Körber-Stiftung in ihrer Heimatstadt Hamburg. Das Motto zieht sich weiterhin durch Serays Leben. Geboren 2002, studierte sie Politikwissenschaften und arbeitete unter anderem beim NDR im Community Management sowie bei Radio Energy. Ihr Herzensthema: Frauenrechte, insbesondere die Aufklärung über Femizide. Die Energie dafür zieht sie aus einem jährlichen Gossip-Girl-Marathon und Pfingstrosen, ihren Lieblingsblumen.

Kürzel: say

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