Illustration eines Schreibtisches mit einem Notizbuch Titelbild: Illustration von Ronja Opladen
Illustration eines Schreibtisches mit einem Notizbuch.

Social Media zeigt uns das perfekte Leben, makellose Gesichter und grenzenlosen Erfolg – und sorgt oft dafür, dass wir uns klein und ungenügend fühlen. Warum vergleichen wir uns ständig? Und wie finden wir zurück zu uns selbst?

Titelbild: Illustration von Ronja Opladen, Icon: Illustration von Elizaveta Schefler

Manchmal scrolle ich durch Instagram, wie andere durch alte Fotoalben blättern. Nur, dass die Bilder in meinem Feed nichts mit der Realität zu tun haben. Es ist, als würde ich durch eine Galerie perfekt kuratierter Momente spazieren: Cappuccinos mit Herz-Milchschaum, strahlende Lächeln vor Sonnenuntergängen in Thailand, durchtrainierte Körper in makellos eingerichteten Wohnzimmern.

Perfekt? Nur auf den ersten Blick

Es gibt diese Stimme in meinem Kopf, die flüstert: „Warum bist du nicht so produktiv, so glücklich, so erfolgreich?“ Sie vergleicht mein Backstage-Chaos mit den inszenierten Highlightreels anderer. Sie ignoriert, dass die strahlenden Gesichter genauso müde sind wie meins, dass der Cappuccino kalt wurde, bis das perfekte Foto entstand, und dass der durchtrainierte Körper wahrscheinlich nach einer Stunde im Fitnessstudio auch einfach nur Muskelkater hatte.

Aber Social Media macht es schwer, diese Perspektive zu behalten. Es ist, als habe man ständig einen Spiegel vor sich, der uns nicht so zeigt, wie wir wirklich sind, sondern wie wir sein könnten – oder sollten. Die Ironie ist ja, dass ich selbst Teil des Problems bin. Wenn ich doch wieder einen Sonnenuntergang poste, der mich glücklich gemacht hat, oder ein Bild von einem guten Kaffee, dann mache ich genau das: Ich kuratiere. Ich zeige einen Ausschnitt, der schön aussieht – ohne die Momente zu teilen, in denen ich mich über den Alltag ärgere oder mich frage, was ich eigentlich mit meinem Leben anfange.

Eine Illustration von Elizaveta Schefler.

Warum reicht es nicht, wir selbst zu sein?

Manchmal frage ich mich, wie es wäre, wenn wir alle einen Tag lang nur die ungeschönten Momente posten würden. Keine Filter, keine perfekten Posen, keine makellosen Mahlzeiten. Stattdessen Bilder vom Chaos auf dem Schreibtisch, von der zerknitterten Bettdecke nach einer schlaflosen Nacht oder von uns selbst, wie wir zum dritten Mal die Woche Nudeln mit Pesto essen, weil der Kühlschrank leer ist.

Das wäre ehrlich und wahrscheinlich auch befreiend. Aber es wäre auch unbequem – weil wir daran gewöhnt sind, uns durch Perfektion zu präsentieren. Vielleicht haben wir Angst, dass wir ohne diesen Glanz nicht genug sind?

Doch hier liegt für mich die eigentliche Frage: Warum reicht es nicht aus, einfach wir zu sein? Warum müssen wir uns aufpolieren, um uns wertvoll zu fühlen? Und warum messen wir unseren Wert in Likes und Kommentaren, die oft nichts über die Realität aussagen?

Filterwelten und echte Menschen

Eine von der AOK Gesundheitskasse in Auftrag gegebene Umfrage von YouGov gibt Einblicke in die Schattenseiten von Social Media. 40 % der jungen Erwachsenen verspüren durch Social Media den Druck, schöner aussehen zu müssen. Doch wie entkommen wir diesem Kreislauf?

Ein erster Schritt ist, die Realität hinter den Bildern zu hinterfragen: Niemand sieht 24/7 perfekt aus. Dazu hilft es, bewusster Accounts zu folgen, die Authentizität und Vielfalt zeigen, statt unrealistische Standards zu fördern. Was mich tröstet, ist, dass ich nicht allein bin. Es gibt viele, die sich im Netz zeigen, wie sie wirklich sind. Accounts, die über schlechte Tage, mentale Gesundheit oder Body Positivity sprechen. Sie erinnern mich daran, dass es okay ist, unperfekt zu sein. Dass hinter jedem Filter ein echter Mensch steckt – mit Ängsten, Unsicherheiten und Macken.

Wir sind mehr als unser Feed auf Social Media

Das Problem mit Social Media ist, dass wir uns in den Vergleichen verlieren. Wir sehen andere nicht als Menschen, sondern als Maßstäbe, an denen wir uns messen. Und je öfter wir das tun, desto weniger können wir unser eigenes Leben und unsere persönlichen Erfolge wertschätzen.

Vielleicht geht es genau darum: den Mut zu finden, sich nicht in diesen Vergleichen zu verlieren. Mein Leben ist nicht weniger wert, nur weil es anders aussieht als das der Anderen. Und vielleicht sind wir alle ein bisschen glücklicher, wenn wir uns nicht so sehr darauf konzentrieren, was wir nicht haben, sondern mehr darauf, was wir bereits sind.

 

Ayan Balakhanova, Jahrgang 1999, hat schon mehr falsche Aussprachen ihres Namens gehört als Timothée Chalamet, weshalb sie sich beim Journalismusstudium in Magdeburg dazu entschied, eine Präsentation darüber zu halten: Man nehme Fußballer (Michael) Ballack + Hannover nur mit einem a am Ende – und voilà. Ayans Eltern stammen aus Aserbaidschan, sie ist in Düsseldorf aufgewachsen. Kürzel: abk

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