Das BaNotke ist Schreibservice, Café und Sozialkaufhaus in einem. Teilnehmende an Arbeitsgelegenheiten, auf dem Weg zurück ins Berufsleben, helfen hier Menschen aus der Nachbarschaft, die ein geringes Einkommen haben.

Der Eingang zu einem fünfstöckigen Bürogebäude. Treppen führen hinauf zur Eingangstür.
Im Erdgeschoss befindet sich der Schreibservice, im Keller der Rest des Sozialkaufhauses. Foto: Emily Rotthaler

Montagmorgen, 9:30 Uhr in der Notkestraße 7. Eingebettet zwischen einer ehemaligen Kaserne und einem verglasten Bürogebäude liegt der fünfstöckige Business Campus Bahrenfeld. Eine Treppe führt hinauf zur Eingangstür ins Erdgeschoss, hinter der sich ein langer Flur erstreckt. Hier befinden sich die Räumlichkeiten einer physiotherapeutischen Praxis sowie Büros verschiedener Betriebe.

Vor einem davon warten schon mehrere Kund*innen. Es ist das Büro des Schreibservice BaNotke. Kaum eine halbe Stunde geöffnet, vermischt sich hier auf engem Raum Deutsch mit Englisch – drei Kund*innen werden bereits betreut. Der Drucker spuckt surrend die ersten fertigen Dokumente aus und wird kurz darauf vom klingelnden Telefon übertönt.

Der Schreibservice BaNotke ist einer der drei Bereiche des gleichnamigen Sozialkaufhauses in Bahrenfeld. Menschen mit geringem Einkommen erhalten hier für wenig Geld Hilfe, beispielsweise beim Ausfüllen von Behördenanträgen oder dem Erstellen von Bewerbungsunterlagen.

Das Jobcenter fördert das Projekt. Im Sozialkaufhaus tätige Menschen nehmen an sogenannten Arbeitsgelegenheiten (AGH) teil. Durch ihre Arbeit lernen sie, sich wieder an die Anforderungen des Berufslebens zu gewöhnen: Kundenanliegen werden zu Lernmomenten. Dabei werden sie von drei Anleiter*innen und einer Sozialpädagogin angewiesen und unterstützt.

Arbeitsgelegenheiten, im Volksmund auch Ein-Euro-Jobs genannt, sind vom Jobcenter geförderte Tätigkeiten. Daran teilnehmen können Menschen, die länger erwerbslos waren und Bürgergeld beziehen. Die Tätigkeiten stehen im öffentlichen Interesse.

Mantra für die Stressbewältigung: „Immer ruhig bleiben“

Einer der im BaNotke tätigen Teilnehmenden ist Alex N. Der gelernte Bürokaufmann ist seit Februar 2024 im Schreibservice tätig, das BaNotke wurde ihm vom Jobcenter als „Belastungserprobung” im gewohnten Umfeld vorgeschlagen. An diesem ersten Montag im Mai, macht er sich am Ende seines Kundengesprächs auf den Weg zum Drucker und holt die fertigen Dokumente ab. Auf den wenigen Metern dazwischen tauscht er sich kurz mit seinen Kolleg*innen und der Anleiterin Nicole Schwarzbauer über das rege Treiben aus. „Immer ruhig bleiben!“ erinnern sie sich gegenseitig.

„Man muss versuchen, auch auf sein eigenes Wohl zu achten. Einfach mal zu sagen: ich grenze mich ab, ich brauche jetzt fünf Minuten Ruhepause. Das ist nicht so ganz einfach.” – Alex N.

Keine leere Floskel, denn die Teilnehmenden sollen lernen, besser mit Belastungsspitzen umzugehen – sich abgrenzen, wie es im BaNotke heißt. Sie versuchen sich von wartender und fordernder Kundschaft nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Auch nicht an gutbesuchten Tagen wie dem heutigen Montag.

Einer der Teilnehmenden an Arbeitsgelegenheiten fährt mit einer Computermaus über einen Bildschirm.
AGH-Teilnehmer Alex N. an seinem Arbeitsplatz. Foto: Emily Rotthaler

Sein Kunde verlässt das Büro, Alex dokumentiert die letzten Details zu dem Gespräch und nimmt sich dann eine kleine Pause. Anschließend hilft er einem Kollegen bei einem Gespräch, bevor er an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt und sich den Anliegen der nächsten Person widmet.

„Man muss versuchen, auch auf sein eigenes Wohl zu achten. Einfach mal zu sagen: Ich grenze mich ab, ich brauche jetzt fünf Minuten Ruhepause. Das ist nicht so ganz einfach,” sagt Alex. Wenn sich schon früh am Morgen eine Menschenschlange bildet, fühle er schon einen gewissen Druck.

Wenn sich die Teilnehmenden schwertun, Situationen wie diese zu verarbeiten, stehen ihnen die Anleiter*innen und Sozialpädagogin als Ansprechpersonen beiseite. Zu Themen wie mentaler Gesundheit findet im BaNotke zudem einmal in der Woche ein Entspannungsprogramm statt. Dort lernen die Teilnehmenden Achtsamkeitsübungen wie Body-Scan und progressive Muskelentspannung.

Das BaNoke Sozialkaufhaus ist eines der Projekte des Beschäftigungsträgers KoALA e.V. und hat insgesamt 28 Stellen für Arbeitsgelegenheiten. Neben dem Schreibservice führen die AGH-Teilnehmenden dort auch ein Café und eine Secondhand-Warenabteilung. Gemäß den AGH-Vorschriften des Jobcenters ist das BaNotke wettbewerbsneutral: Gewinn und Umsatz spielen keine Rolle.

Arbeitsgelegenheiten: Struktur wiederfinden, Belastungen räumen

Unter den Teilnehmenden an den Arbeitsgelegenheiten sind Berufsanfänger*innen Mitte 20 sowie Personen, die kurz vor der Rente stehen. Wie Alex, sind manche bereits büroerfahren und hochqualifiziert. Andere steigen neu oder quer ein und erlernen im Schreibservice den Umgang mit Computern. Auch ein Teilnehmer mit juristischer Berufserfahrung war schon dabei. Viele bringen persönliche, psychische, oder gesundheitliche Vorbelastungen mit, so Anleiterin Nicole Schwarzbauer.

„Wenn da das Feld geräumt ist, kann man gucken und sagen: Mensch, ich habe das Gefühl du bist jetzt langsam am Start, du könntest!” – AnNette Kellner

Die Hauptaufgabe der AGH heute sei, die Teilnehmenden zu stabilisieren, ihnen einen strukturierten Alltag zu bieten und sie so wieder an den Arbeitsmarkt heranzuführen.

Das sei nicht immer der Auftrag gewesen, erinnert sich Annette Kellner, Bereichsleiterin der Beschäftigungsprojekte bei KoALA e.V.. Früher habe das Hauptaugenmerk mehr darauf gelegen, Teilnehmende zurück in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln.

In Kellners Augen eine gute Entwicklung. Sie habe gesehen, dass wenige AGH-Teilnehmer*innen damit beschäftigt sind, wieder an Arbeit zu kommen. Es gehe ihnen eher darum, ihre Belastungen hinter sich zu lassen und Struktur zu finden. „Wenn da das Feld geräumt ist, kann man gucken und sagen: Mensch, ich habe das Gefühl du bist jetzt langsam am Start, du könntest!” sagt sie.

Gemäß den Vorlagen des Jobcenters ist die Zeit aller Teilnehmenden in den Arbeitsgelegenheiten nach zwei, bei Verlängerung spätestens nach drei, Jahren vorbei. Zum Ende hin unterstützen die Anleiter*innen sie bei ihren eigenen Bewerbungen und dem Verfolgen ihrer beruflichen Perspektiven.

Komplexe Anliegen – „Betreten einer neuen Welt“

Zwei Schreibtische neben Alex hat sich Jan-Ole J. eingerichtet. Der 62-Jährige nimmt seit November 2024 an den Arbeitsgelegenheiten im Schreibservice dabei. Früher war er mit einer kleinen Fahrradwerkstatt selbstständig.

Der Schreibservice sei für ihn „das Betreten einer neuen Welt“ und eine interessante Erfahrung. Mit jedem Menschen, der bei der Tür herein kommt, käme etwas Neues auf ihn zu, erzählt Jan-Ole.

Ein Mann mit dunklen Haaren und Brille liest eine Website auf einem Computer. Er sitzt an seinem Schreibtisch im Schreibservice und ist Teilnehmender an den Arbeitsgelegenheiten.
Jan-Ole J. nimmt seit November 2024 an der Arbeitsgelegenheit im Schreibservice teil. Foto: Emily Rotthaler

Als erstes erfrage er das Oberthema des Anliegens. Dann sehe er, ob die Person dazu schonmal im Schreibservice betreut wurde und prüfe, ob der Schreibservice mit dem Anliegen überhaupt helfen könne. Ab diesem Punkt sehe jedes Gespräch inhaltlich anders aus.

Für manche Kund*innen vereinbaren die Teilnehmenden telefonisch Termine. Anderen helfen sie dabei Schreiben von Behörden zu verstehen und zu beantworten, sich für Kita Plätze zu bewerben oder Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Manche der Anliegen seien komplizierter, zum Beispiel wenn es um Wohnungsnotfälle oder mehrseitige Bürgergeld- und Elterngeldanträge gehe.

Viele Kund*innen sprechen wenig oder kein Deutsch, manche auch kein Englisch. Sprachbarrieren überwinden die Teilnehmer*innen mithilfe von Übersetzungstools auf einem Tablet, erklärt Jan-Ole.

Einem Grundsatz müssen sie bei allen Aufträgen folgen: Der Schreibservice solle als niedrigschwellige Anlaufstelle unterstützen – dürfe aber nicht beraten. Manchmal seien die Anliegen zu komplex, ein anderes Mal scheitere das Verständigen auch mithilfe des Tablets. In solchen Fällen leiten die AGH-Teilnehmenden die Kund*innen an die passende Fachstelle weiter.

Belastungsspitze überstanden – bis zum nächsten Tag

Zum Ende der Öffnungszeiten löst sich die Schlange wartender Kund*innen langsam auf. Sind die letzten betreut und an die richtigen Stellen weiterverwiesen, wird es ruhig im Schreibservice. Durchatmen ist angesagt. Alex und Jan-Ole tippen letzte Auftragsdaten ab, tauschen sich über die Geschehnisse des Tages aus und schließen auf dem Weg in den Feierabend die Tür ab. Abschließend gehen sie nochmal im Büro von Schwarzbauer vorbei und verabschieden sich. Dann kehrt Ruhe ein im BaNotke – bis um 9 Uhr Früh am nächsten Tag.

Die Warenverkaufsfläche des Sozialkaufhauses. Auf der linken Seite ist das dazugehörige Café.
Ein Stockwerk unter dem Schreibservice befindet sich die Warenverkaufsfläche und das Café des Sozialkaufhauses. Foto: Emily Rotthaler
Junge Frau mit dunklen Haaren, Brille und braunem Mantel vor grüner Tür

Eine Fußballerin mit Diplom als Käsekennerin und Weinsommelière? Das ist Emily Rotthaler. Seit ihrer Kindheit spielt die 2000 geborene Tirolerin Fußball. Nach der Matura an einer Tourismusschule, wo sie auch ihr Sommelière-Diplom erwarb, studierte sie Massenkommunikation in Iowa und arbeitete in Minnesota in einer Lokal-Redaktion. Ob Auswirkungen der Dürre auf die Landwirtschaft, High School-News oder Zugentgleisung – sie berichtete über alles. Emily liebt Crime-Serien und Alternative-Musik, vor allem die Band Bastille. Wo sie später leben wird? Noch offen – Hauptsache, es gibt Geschichten zu erzählen und einen Platz zum Kicken. Kürzel: emy

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