Hamburger Preisträger*innen wurden bei der Landespreisverleihung vom Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ausgezeichnet. Hamburg fiel durch die hohe Beteiligung von Stadtteilschulen auf.

Es ist Anfang Juli. Im Erdgeschoss der Körber-Stiftung leuchtet ein roter Lichtstrahl auf die Bühne. Immer mehr Schulklassen kommen in den Raum. Lange überlegen die Hamburger Schüler*innen, wo sie sich hinsetzen sollen. Manche wechseln mehrmals ihren Platz. Auf der Leinwand beginnt ein Video zu spielen. Die Aufregung ist in den Gesichtern der Schüler*innen zu erkennen. Nach monatelangen Arbeiten haben sie auf diesen Moment gewartet. Es ist der Beginn der 29. Landespreisverleihung in Hamburg für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten.

Junge Menschen forschen für den Geschichtswettbewerb

Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ist der größte historische Forschungswettbewerb bundesweit und motiviert junge Menschen, in der Geschichte ihrer Familie oder Umgebung zu forschen. In jeder Runde gibt es ein neues Thema, zu dem Beiträge in freier Form eingereicht werden können. Im Mittelpunkt steht die historische Spurensuche von Kindern und Jugendlichen. Unterstützt werden sie meist von ihren Lehrer*innen als Tutor*innen. Ausgerichtet wird der Wettbewerb von der Körber-Stiftung, Schirmherr ist Bundespräsident Steinmeier. Zwei Gremien begleiten den Wettbewerb fachlich und beratend.

Viele Teilnehmer*innen aus Stadtteilschulen

Das Thema des diesjährigen Wettbewerbes lautete: „Bis hier hin und nicht weiter!? Grenzen in der Geschichte“. Bundesweit reichten rund 6.720 Teilnehmer*innen 2.289 Beiträge ein. Seit 30 Jahren wurden noch nie so viele Beiträge registriert. Eva Nemela aus dem Vorstand der Körber-Stiftung begründet dieses Ergebnis mit dem Thema, dass so offen und unterschiedlich anwendbar sei. Das habe sich auch in den 187 Beiträgen der Hamburger Teilnehmer*innen gezeigt. Einige forschten über die Völkerschauen im Tierpark Hagenbeck, andere beschäftigten sich beispielsweise mit Ghettos in China. Auch die Darstellungsformen unterschieden sich. 51 Prozent der eingereichten Beiträge sind kreative Formate wie Podcasts oder Theaterstücke. Insgesamt haben 447 Schüler*innen aus Klasse 3 bis Klasse 13 teilgenommen.

In dem Raum sieht man die Leinwand, den Moderator und die Besucher*innen von hinten.
Für ihre Projekte haben die Schüler*innen von Anfang September 2024 bis Ende Februar 2025 Zeit gehabt. Foto: Körber-Stiftung/ Claudia Höhne

Hamburg hat zwar nicht die meisten Beiträge eingereicht, jedoch besuchen 40 Prozent der Teilnehmenden die Stadtteilschule. Bundesweit liegt die Statistik nur bei 16 Prozent, sagt Kirsten Pörschke, die für die Organisation der Hansestadt zuständig ist.

Bewertung durch Juror*innen

Nacheinander werden die Beiträge auf der Leinwand des Körber-Forums präsentiert. Eine Person, die Einfluss darüber hat, wer einen Preis erhält, sitzt hinten rechts im Saal. Joachim Wendt, der bei allen Teilnehmer*innen stolz applaudiert, begutachtet seit über 20 Jahren Beiträge von Schüler*innen und ist gleichzeitig Leiter der Regionaljury. Traditionell erscheinen in den Wettbewerbsrunden viele Beiträge über die NS-Zeit, sagt Wendt. „Abgesehen davon haben viele eigene familiäre biografische Bezüge erforscht. Es war auch erstaunlich, dass diese unsichtbaren Grenzen in der sozialen Schichtung, also nicht die physischen Grenzen, in Blick genommen wurden.”

Die Jury setzt sich aus verschiedenen Personen zusammen, die sich eine Musterarbeit aus vorherigen Wettbewerbsrunden anschauen und daraus Kriterien festlegen, die einen einheitlichen Maßstab ergeben sollen. Denn jeder Beitrag wird von zwei Juror*innen gelesen.

Die Landessiege in der Hansestadt

Maximilian Angert besucht die 11. Klasse des Gymnasium Rahlstedt. Von links nach rechts: Ksenija Bekeris, Bildungssenatorin für Hamburg, Maximilian Angert, Teilnehmer, Matti Kubisch, Tutor, Eva Nemela, Vorstandsmitglied der Körber-Stiftung. Foto: Körber-Stiftung/ Claudia Höhne

Nachdem die 20 Förderpreise und 20 Landessiege sowie ein Gruppenpreis vergeben sind, stürmen die Anwesenden euphorisch ins Foyer. Neben gebratenen Nudeln und Reis schnappen sie sich Franzbrötchen und Limos. Viele von ihnen besuchen das Kaiser-Friedrich-Ufer Gymnasium, welche als landesbeste Schule gekrönt wurde. In der Menschenmenge steht auch Maximilian Angert. Er hat mit seinem Beitrag „Ich bin dann mal Christ! Ein Jude wird Hamburgs Bürger” einen Landespreis gewonnen.

Während seiner Recherche habe er sich wie ein Detektiv gefühlt. Für seine Forschung konnte er das Material zunächst gar nicht lesen: „Ich konnte Kurrentschrift zwar nicht lesen, aber dieses Lesen der Kurrentschrift war nicht essentiell, um das zu verstehen, was da passiert ist. Insofern habe ich KI benutzt, um mir die Seiten zu übersetzen. Und konnte so überhaupt erst Zugang zu diesen fast 300 Jahre alten Akten bekommen.”

Geschichte im digitalen Zeitalter

Auch wenn sich der Geschichtswettbewerb mit der Vergangenheit beschäftigt, passt sich dieser auf die Arbeitsweise der Jugendlichen an. Eine Studie belegt, dass 23 Prozent der Schüler*innen künstliche Intelligenz beim Bearbeiten ihrer Hausaufgaben nutzen. Deshalb hat der Forschungswettbewerb sich mit künstlicher Intelligenz auseinandergesetzt und festgelegt, dass KI nur als Hilfsmittel genutzt werden soll.

Emma Plückhan, Laura Wesseler und Sören Wittmann stehen nebeneinander.
Emma Plückhahn besucht die 9. Klasse des Gymnasium Lohbrügge und erhielt mit ihrem Beitrag einen Landespreis. Von links nach rechts: Emma Plückhahn, Teilnehmerin, Laura Wesseler, Programmleiterin des Geschichtswettbewerbs, Sören Wittmann, Tutor. Foto: Körber-Stiftung/ Claudia Höhne

Einige Meter weiter steht ein junger Mann vor dem Empfangstresen mit einer halbvollen Limonade. Er unterhält sich mit einem Mädchen, dessen königsblaues Kleid durch das Foyer leuchtet. Sören Wittmann wirkt schon seit Jahren beim Geschichtswettbewerb mit. Während er eine Zeit lang als Juror tätig war, unterstützt er jetzt Schüler*innen wie Emma als Tutor. Er hatte sich sehr gefreut, als Emma in der Geschichts-AG mit ihrer Idee auf ihn zukam. „Ich war seit der fünften Klasse Emmas Klassenlehrer und kannte ihr großes Interesse an Geschichte aus unserem gemeinsamen Unterricht”, so Wittmann.Die beiden haben sich jeden Mittwoch für eine Besprechung verabredet. „Dieses regelmäßige Treffen war sehr hilfreich. Wenn man teilweise durch Klassenarbeiten die Zeit vergessen hat, dann war es immer eine Erinnerung für den Wettbewerb zu arbeiten”, sagt Emma und lächelt ihren Tutor an. Heute konnte sie mit ihrem Beitrag über den Stadtteil Allermöhe einen Landessieg mit nach Hause nehmen.

Die 20 Landessieger*innen kommen nun eine Runde weiter. Sie haben die Möglichkeit unter 250 Landessieger*innen, einen von 50 Bundessiegen zu gewinnen. Die fünf besten von ihnen werden sogar vom Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue eingeladen.

Jetzt lassen sich die Gewinner*innen aus Hamburg aber erstmal feiern. Das Licht auf der Bühne ist zwar jetzt aus, die Freude über die Preise hält aber noch an.

Seray Ünsal liefert ab. Mal 200 Rosen aus dem Blumenladen ihrer Familie, vor allem aber klare Botschaften: „Ich will der Boss sein, um Frauen zum Boss zu machen.“ Mit diesem Satz hing sie bereits auf Plakaten der Körber-Stiftung in ihrer Heimatstadt Hamburg. Das Motto zieht sich weiterhin durch Serays Leben. Geboren 2002, studierte sie Politikwissenschaften und arbeitete unter anderem beim NDR im Community Management sowie bei Radio Energy. Ihr Herzensthema: Frauenrechte, insbesondere die Aufklärung über Femizide. Die Energie dafür zieht sie aus einem jährlichen Gossip-Girl-Marathon und Pfingstrosen, ihren Lieblingsblumen.

Kürzel: say

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