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Man sieht kaum noch Kinder. Stattdessen sitzen Drogendealer auf den Spielplätzen. Die Anwohner sind besorgt, ein Anwalt fordert einen Ordnungsdienst gegen den Drogenhandel im Schanzenpark. Besonders Cannabis wird dort umgeschlagen. Wäre eine Legalisierung der Ausweg?

Ein Text von Tobias Bug mit Illustrationen von Yannick de la Pêche und Fotografien von Nicolas Vogelsaenger 

Eine Hand greift die andere. Auf dem Spielplatz stehen zwei junge Männer, im Hintergrund der alte Wasserturm. Der eine trägt eine Mütze und schlichte Kleidung. Der andere sieht mit seinen lockigen Haare aus wie ein Hippie aus den Siebzigern. Irgendetwas wechselt den Besitzer. Schwer zu sagen, um was genau es sich handelt. All das klingt klischeehaft, doch solche Szenen kann man an diesem kühlen, unbequemen Sommerabend im Hamburger Schanzenpark vielfach beobachten.

 

Der Anwalt und der Polizist

„Seht ihr, da hinten? Jetzt findet gerade eine Übergabe statt!“ Christian Abel deutet mit einem Nicken in Richtung Spielplatz. Als der Dealer bemerkt, dass er beobachtet wird, verschwindet er schnell hinter einem Gebüsch vor dem Zugang zur Schanzenstraße. Auch der Hippie sucht das Weite, er hat es jedoch weniger eilig. „Jetzt ist er schon weg. Hat uns gesehen und ist stiften gegangen“, sagt Sven Müller*. Und das, obwohl der großgewachsene, breitschultrige Kriminalbeamte, der eigentlich anders heißt, aber anonym bleiben möchte, Zivilkleidung trägt.

Christian Abel ist Anwalt. Mit seinen ordentlich nach hinten gekämmten Haaren, dem Polohemd und dem Sakko, kann man sich ihn gut im Gerichtssaal vorstellen. Nur seine lockere Art entspricht nicht ganz dem Stereotyp. Abel bezeichnet sich selbst als Problemlöser. Als Anwalt für Insolvenzrecht drehe er Firmen „von innen nach außen“. Nun steht für ihn etwas anderes im Fokus: die Drogenproblematik im Schanzenpark. Er vertritt einige Anwohner, die die Zustände nicht mehr ertragen wollen.

„Ein Kaufhaus für Drogen“

„Das ist wie ein Kaufhaus für Drogen hier. Das einzige, was du nicht bekommst, ist ein Kassenzettel“, sagt Abel über das Gebiet zwischen dem Vereinsheim des Sportclubs Sternschanze und den Hamburger Messehallen. In dem großen Park, über den das Mövenpick-Hotel im Wasserturm auf einem Hügel thront, gibt es kein Eis zu kaufen, sondern vor allem eines: Cannabis.

Neben dem Schanzenpark gebe es in Hamburg noch zwei weitere solcher „Kaufhäuser“: die Reeperbahn und den Steindamm in St. Georg. Besonders die Anwohner im Schanzenviertel stören sich jedoch an den Drogendeals vor ihrer Haustür, merkt Abel an.

“You want some?”

Die Dealer sprechen Vorbeigehende auf Englisch an. Der Anwalt beschreibt die Situation: Bewohner werden auf ihrem Weg zur Arbeit gefragt, ob sie Drogen kaufen wollen. Vor allem Frauen würden das Gebiet rund um den Schanzenpark abends großräumig meiden. Es gebe dort „No-Go-Areas“, in die sich zu bestimmten Tageszeiten keiner mehr traue. Kinder sehe man auf den Spielplätzen schon lange nicht mehr. Kein Wunder: Dort fänden rund um die Uhr Drogendeals statt.

 

 

 

Vergrößern

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Kartendaten: Google, DigitalGlobe

Ohne Chance gegen die Sterntaktik

Vor dem Eingang des Hotels im Wasserturm stehen zwei Studenten. Sternförmig nähert sich eine Gruppe von Männern. Der kleinste von ihnen spricht die beiden an – vorbei an seiner unangezündeten Kippe: „Ich bin von der Polizei. Zeig‘ mir deinen Ausweis!“ Er berührt den Student mit der Schirmmütze am Arm, dieser weicht zurück. Auf einen Beamten ist der Student hier ganz sicher nicht getroffen. Ein Zaun und die S-Bahn-Gleise versperren den Weg. Unangenehme Sekunden verstreichen, dann zieht die Gruppe weiter, ohne dass klar wird, was sie wollte. Die Kippe des Kleinen glüht immer noch nicht, wohl aber die roten Ohren unter der Kappe des Studenten. Es sind auch solche bedrohlich anmutenden Situationen, die die Anwohner fürchten.

„Sehr geehrter Herr Meyer…“

Heike Walker wohnt am Rande des Schanzenparks. Die Seniorin freut sich über die schnelle Antwort des Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer auf eine ihrer schriftlichen Beschwerden. Behördenvertreter, so hatte sie gedacht, arbeiten eher „geräuschlos“ und ignorieren sie. Der Leiter der Hamburger Polizei schrieb: „Ich habe im April 2016 speziell eine Drogen-Task-Force mit dem Ziel der Intensivierung der Bekämpfung der Drogenkriminalität für den Bereich St. Pauli, St. Georg und Sternschanze eingerichtet.“

Eine Sonderkommission, wie sie etwa für die Ermittlungen rund um den G20-Gipfel 2017 eingerichtet wurde, sei eine solche Task-Force nicht, bemängeln der Anwalt Abel und der Kriminalbeamte Sven Müller. Auch Heike Walker findet die Bemühungen der Behörden für den Schanzenpark grundsätzlich nicht ausreichend.

Deshalb geht die Rentnerin persönlich gegen die Problematik vor – aus sicherer Entfernung: Beinahe jeden Abend sitzt sie auf ihrem Balkon in der Schanzenstraße, neben ihr eine Videokamera auf einem Stativ. Damit filmt sie jede Person, die ihr verdächtig erscheint. Tagsüber ordnet sie fein säuberlich ihre Filmaufnahmen, pflegt ihr Archiv, bereitet Anzeigen vor. Damit gehe sie fast täglich zur Polizei. Um die 500 Anzeigen stelle sie im Jahr – seit etwa zwei Jahrzehnten.

Fast alle der Beschwerden Walkers landen im Papierkorb. Doch zunächst werden sie überprüft – die Polizei muss jeder Anzeige nachgehen. In aller Regel fehlen jedoch stichhaltige Beweise, um die Dealer zu überführen. Walkers Fotos sind nicht hochauflösend genug. Vor fast 20 Jahren wurde einmal ein Dealer aufgrund ihrer Beweise verurteilt. Alle anderen wurden freigesprochen.

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„Man muss hingucken“

In einem Schreiben an Andy Grote vom Juli diesen Jahres erinnert Walker den Innensenator an sechs ihrer unbeantworteten Briefe. „Man muss ab und zu hingucken“, steht darin geschrieben, in Großbuchstaben. Sie nennt den Schanzenpark einen „rechtsfreien Raum“ und beschreibt in neun Stichpunkten einen Mann, der seit wenigstens drei Jahren in Bahnhofsnähe sitzen soll. Sie nennt ihn „Frontdealer“. Er handele abends mit bis zu zwei Dutzend Drogenpäckchen. Schwarze Kreuze auf ihren verwackelten Graustufen-Bildern markieren ihn.

Walker ist sich bewusst, dass sie einigen Polizisten und Politikern auf die Nerven geht. Auch an Christian Abel schreibt sie – einmal pro Woche. Nicht aus Protest, sondern zur Unterstützung.

Abel fordert Verdrängung der Dealer

Christian Abel richtet sich an die Stadtpolitik. Der Anwalt hat in der Bezirksversammlung Altona eine Beschwerde eingebracht. Titel: „Schanzenviertel – die Hochburg der Drogendealer“. Seine Forderung an die Politik: Die Einführung eines uniformierten bezirklichen Ordnungsdienstes. Dieser könne entweder von einem privaten Unternehmen oder von der Polizei beziehungsweise dem Ordnungsamt organisiert werden.

Im Schanzenpark halten sich laut Abel zu den Stoßzeiten etwa 17 Drogendealer auf. Vier Uniformierte sowie zwei Schutzhunde reichen aus, um sie aus dem Park zu verdrängen, so der Anwalt. „Wenn die Dealer Uniformen und Hunde sehen, rasten die aus und rennen weg.“ Er schlägt außerdem vor, in einem Container eine Sicherheitswache einzurichten, die rund um die Uhr besetzt ist.

Für das Parkraummanagement, welches in Hamburg Strafzettel für Falschparker verteile, stelle die Stadt Unmengen an Personal. „Doch für den Schutz der Kinder unserer Stadt hat man kein Geld”, argumentiert Abel und spielt damit auf die drogenabhängige Tochter einer Klientin an. Einen bezirklichen Ordnungsdienst (“BOD”) gab es in Hamburg übrigens schon einmal. Er sollte sich jedoch vor allem um andere Vergehen kümmern: nicht vorschriftsmäßig geführte Hunde, Vermüllung, Falschparker. Ende 2014 wurde er eingestellt, zu unwirtschaftlich war sein Einsatz.

Abels Beschwerde bei der Bezirksversammlung Altona zog einen Beschluss der Hamburgischen Bürgerschaft und des Senates nach sich, die notwendigen Mittel für einen uniformierten Dienst bereitzustellen. Dieser werde frühestens 2019 eingeführt – die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam, so der Anwalt.

 

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Sucht man Cannabis, wartet man hier nicht lange auf einen Verkäufer.

 

 

 

 

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Eine kleine Plastiktüte. In solchen wird Cannabis verkauft.

 

Neue Hotspots

Abel ist bewusst, dass ein solcher Ordnungsdienst die Drogenhändler lediglich verdrängen würde. Woanders würden neue „Kaufhäuser“ eröffnet werden. Dann muss man eben nachziehen und Kräfte in die neuen Hotspots verlegen, so der Anwalt. Gleichzeitig könne man in den alten Problemgebieten die Zahl der Uniformierten herunterfahren.

Sven Müller stimmt zu. Drogenkonsum sei ohnehin nicht abzuschaffen: „Die Menschen wollten sich schon immer berauschen. Das ist nicht zu ändern.Doch würde die Szene aus der Öffentlichkeit verschwinden, dann würden die Bürger sich auch wieder sicherer fühlen. Der Drogenhandel würde in den Untergrund verschwinden. Noch nachhaltiger wäre es, das Problem bei seiner Wurzel zu packen. Dafür hat der Kriminalbeamte mehrere Ideen.

Problemlösung durch bessere Integration

Die überwältigende Mehrheit der Drogendealer sind Flüchtlinge, so der Polizist. Sie kämen nach Deutschland ohne Perspektive, ohne Aussicht auf einen Job.

„Eine Integrationspolitik findet kaum statt. Und die, die stattfindet, reicht lange nicht aus”, so Sven Müller. Es müsse deutlich mehr Sprach- und Integrationskurse für die Geflüchteten geben. Sonst bleibe den Schutzsuchenden gar keine andere Wahl, als ins kriminelle Milieu abzurutschen.

 

Steve, der Dealer aus Gambia

Die finanzielle Verlockung ist groß: Einige Zwischenhändler kommen auf knapp 30.000 Euro im Monat, so Christian Abel. Deutlich weniger Geld verdient Steve*. Er ist Anfang 30, trägt eine dunkle Kapuzenjacke und eine Mütze. Ihm scheint kalt zu sein an diesem Juli-Abend im Schanzenpark. In holprigem Englisch erzählt er, dass er vor knapp einem halben Jahr aus Gambia nach Hamburg gekommen ist.

Aus seinem Heimatland sei er nach Italien geflohen. Zuvor hatte Steve als Soldat unter dem früheren Präsidenten Yahya Jammeh gedient. Dieser hatte sich Ende 2016 – nach seiner überraschenden Wahlniederlage – geweigert, dem Herausforderer Adama Barrow die Macht zu übertragen. Den Einmarsch senegalesischer Truppen Anfang 2017 verstand Jammeh als Kriegserklärung. Steve und seine Kameraden wurden von Militär und Revoluzzern verfolgt. Das Leben in Gambia wurde zu gefährlich für ihn. Er flüchtete.

Die gambische Flagge zeigt die Farben Grün, Blau und Rot. Steve droht immer mehr vom grünen in den roten Bereich abzurutschen, vom Legalen ins Illegale. Er will in Hamburg nicht mit Drogen handeln. „Drogen sind nicht gut“, sagt er, nimmt einen tiefen Zug von seinem Joint und bläst den Rauch durch die vom Nikotin verfärbten Zähne.

Er möchte einen gewöhnlichen Job finden. Ohne Hilfe sei das aber kaum möglich: „Wenn die Regierung uns besser unterstützen würde, müssten meine Brüder und ich das hier nicht tun. Wir sind Familienmenschen, wir wollen nicht ins Gefängnis.“

Er verkaufe hauptsächlich Cannabis im Schanzenpark. Gerade einmal 30 bis 40 Euro verdiene er damit an einem Tag. Zusätzlich durchsuche er Mülltonnen nach Brauchbarem. Kein zufriedenstellendes Leben, und trotzdem: „Ich mag Deutschland, ich möchte hier für immer bleiben.“

Legalisierung von Cannabis als Ausweg?

Sven Müller ist der Meinung, dass Flüchtlinge wie Steve besser integriert werden sollten. Gleichzeitig hält der Polizist eine Legalisierung von Cannabis für sinnvoll. Wäre der Besitz straffrei, könnte man so den Schwarzmarkt effektiv bekämpfen, über den auch gefährliche Streckmittel im Umlauf seien. Darüber hinaus würden dem Staat die zusätzlichen Steuereinnahmen zugutekommen. Dealer seien immer auch Sünder gegen das Gewerbeamt, das Finanzamt, den Staat. Im Schanzenpark herrsche das Motto „linke Tasche, rechte Tasche“.

Justus Haucap, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Düsseldorf, rechnet mit Mehreinnahmen von 1,4 Milliarden Euro durch eine Cannabis-Steuer. Geld, das etwa in die Drogenprävention und -behandlung investiert werden kann, schlägt Müller vor. Dann gäbe es keine Cannabis-Deals mehr unter der Tischtennisplatte – die Hamburger könnten ihren Schanzenpark wieder nutzen, die Kinder ihre Spielplätze. Mit anderen Drogen wird hier schließlich kaum gedealt, so Müller.

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Menschenleer: Ein Kinderspielplatz im Schanzenpark.

 

 

 

 

 

 

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Keine Droge ohne Schäden

Auch wenn es gute Argumente für die Legalisierung gibt, eine Freigabe von Cannabis birgt dennoch Risiken – das betont auch der Kriminalbeamte. Sie würde besonders Minderjährigen vermitteln, dass die Droge vergleichsweise harmlos sei, ähnlich, wie das bei Alkohol der Fall ist.

Speziell bei jungen Menschen kann der Konsum von Cannabis jedoch ernsthafte psychische Schäden hervorrufen. Christian Abel hält Kontakt zu einer Klientin, deren minderjährige Tochter im Schanzenpark die Cannabissorte „Haze“ gekauft habe und abhängig geworden sei – die Sorte habe ein besonders hohes Abhängigkeitspotenzial. Das Mädchen sei bisher aus jeder Beratungssituation geflohen.

Vor allem junge Menschen in Behandlung

Die Leiterin des Sozialtherapeutischen Zentrums der Therapiehilfe (STZ) in Elmshorn, Anja Lohse, nimmt die Folgen von Cannabis ebenfalls sehr ernst. Ihre Beratungsstelle hilft Menschen, die mit illegalen Drogen ein Problem haben, sowie ihren Angehörigen. Besonders viele Jugendliche kommen wegen einer Cannabissucht in die Beratungsstelle – meistens nicht freiwillig, sie werden von ihren Eltern geschickt oder ein Gericht ordnete eine Beratung an.

Lohse betont, dass es vor allem für junge Menschen wichtig ist, frühzeitig mit einer Therapie zu beginnen, um nicht abzurutschen. Die Erfahrungen des STZ zeigen: Durchschnittlich liegt das Eintrittsalter in den Drogenkonsum bei knapp unter 15 Jahren. Viele Teenager würden früh mit dem Konsum beginnen, sich aber erst mit Mitte 20 behandeln lassen.

Entwicklungsdefizite seien oft die Folge. Der Großteil von Lohses Patienten hätte weder einen Schulabschluss noch eine abgeschlossene Ausbildung und noch nie eine feste Beziehung geführt. In dieser Situation nehme ihnen dann nur noch Cannabis den Druck. Einer sagte mal: „Bekifft werde ich eins mit meinem Sofa.“

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Das Sozialtherapeutische Zentrum in Elmshorn. Foto: STZ

Gefährlich: eine vielseitige Droge

Regelmäßiger Konsum kann ernste Folgen haben, wie Motivations- und Antriebslosigkeit, Depressionen, Psychosen und Hirnschäden. Auslöser ist der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol, kurz THC, so Lohse. Je nach Krankheitsbild können Betroffene wenig bis keine Freude mehr empfinden, nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden und sind mitunter selbstmordgefährdet. Das Gehirn werde besonders in der Adoleszenz in Mitleidenschaft gezogen, da es erst mit 21 bis 24 Jahren voll entwickelt sei.

Neuseeländische Wissenschaftler haben in einer Langzeitstudie herausgefunden, dass gewohnheitsmäßiges Kiffen neuropsychologische Schäden verursacht. Die Forschergruppe begleitete Probanden von deren Geburt bis zum 38. Lebensjahr. Interviews und neurologische Tests ergaben, dass die Personen, die regelmäßig Cannabis konsumieren, häufig Probleme bekommen. Abwesenheit und Konzentrationsstörungen sind zwei der schwer reversiblen Symptome. Zudem fanden die Forscher heraus, dass der Intelligenzquotient bei regelmäßigem Konsum sinkt.

Wege aus der Sucht

Lohse berichtet von einer klassischen Cannabis-Karriere vieler Patienten am STZ: Erst kiffen sie mehrmals in der Woche. Wenn die Toleranz für die Droge steigt, konsumieren sie schnell mehr. Einer ihrer jugendlichen Patienten habe fünf Gramm Cannabis am Tag geraucht, das koste 12.000 Euro im Jahr. Viele Abhängige finanzieren ihre Sucht, indem sie selbst dealen, so Lohse.

Die Beratungsstelle vermittelt Abhängige nach vier Erstgesprächen in den Entzug – für zwei bis drei Wochen. Anschließend ist häufig eine drei- bis sechsmonatige Therapie in einer Fachklinik vonnöten. Ob die Behandlung erfolgreich ist, hängt in erster Linie von Einsicht und Motivation der Patienten ab, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Svenja Bölter vom STZ Elmshorn. Viele bräuchten mehrere Anläufe, bevor sie ihr Problem akzeptieren und eine Behandlung durchhalten.

Alkohol und Cannabis: Was ist schlimmer?

Der britische Psychiater David Nutt, Mitglied der „Psychopharmacology Unit“ der Universität Bristol, ordnet Cannabis in einer Drogen-Risikotabelle etwa mittig ein. Laut dem Diagramm ist Alkohol fast dreimal so gefährlich, psychogene Pilze am harmlosesten. Das liege vor allem an der großen Fremdgefährdung, die von Alkoholisierten ausgehe. Diese sei beim Kiffen deutlich niedriger.

Und die Eigengefährdung? Lohse betont, dass Alkohol nach Tabak „der größte Killer in Deutschland“ sei. Tabak ist für etwa vier von zehn Krankheiten verantwortlich, die im Krankenhaus behandelt werden müssen, so Nutt. Zudem sei er für beinahe zwei Drittel der Drogentode verantwortlich. 70.000 Menschen sterben jährlich in Deutschland an den Folgen von Alkohol, 1200 an illegalen Drogen, so Lohse. Unmittelbare Cannabis-Tote gebe es nicht.

Entkriminalisierung und kontrollierte Abgabe als Mittelweg

Dennoch: Eine Legalisierung von Cannabis wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Verharmlost werden darf Cannabis auf keinen Fall, da sind sich die beiden Suchtberaterinnen einig. Sie sprechen sich nach anfänglichem Zögern für eine kontrollierte Abgabe und die Entkriminalisierung des Besitzes aus. Die strafrechtliche Behandlung von Konsumenten ist extrem unangemessen, so Bölter.

Wird der Besitz entkriminalisiert, ist er nicht legal. Es wird lediglich von einer Strafverfolgung abgesehen. Eine entsprechende Regelung gibt es aktuell in den Niederlanden: Käufer müssen mindestens 21 Jahre alt sein und erhalten in den Coffeeshops nur eine bestimmte Menge Cannabis pro Tag.

Hoffnung für den Schanzenpark?

Kalifornien hat als größter US-Bundesstaat Anfang des Jahres die Droge legalisiert. Für ein Fazit ist es noch zu früh. Andere diskutieren ebenfalls mögliche Veränderungen der Gesetzeslage. Bölter ist sich sicher: Auch in Deutschland wird sich etwas tun.

Und irgendwann wohl auch im Schanzenpark – sei es durch Verdrängung der Dealer durch einen Ordnungsdienst oder eine Eindämmung des Schwarzmarktes durch die langfristige Entkriminalisierung der Droge. Steve würde dann hoffentlich legal an sein Einkommen gelangen, sich besser in die Gesellschaft integrieren können. Frau Walker würde sich wieder sicher fühlen. Die Anwohner könnten ihren Schanzenpark zurückerobern. Gemeinsam mit ihren Kindern.

* Namen geändert