„The Wedding Ring“ erzählt die Geschichte einer Frau aus Niger, die für ihr Studium nach Frankreich gegangen ist und zurück in ihrer Heimat einen Kulturschock erlebt. Der Film bietet dabei einen Einblick in die Traditionen und Wertevorstellungen einer fremden Kultur – mehr aber auch nicht.
Tiyaa sitzt mit ihrer Familie auf dem Boden zusammen und isst. Alle sind in traditionelle Gewänder gekleidet. Sie essen den Reis mit den Händen aus einer großen Schale. Eine weitere Frau kommt hinzu, sie ist westlich gekleidet, trägt Make-Up und hat sich die Haare schick frisiert. „Kann ich bitte eine Gabel haben?“ fragt sie geradezu angewidert beim Anblick der restlichen Familie. Sie kniet sich hin und stochert ein wenig im Essen herum. Als sie wieder geht, schauen ihr die Anderen fassungslos hinterher.
Alte Traditionen
Das Liebesdrama dreht sich um Tiyaa, einer jungen Frau aus Niger, die für ihr Studium nach Frankreich gegangen ist. Als sie in den Ferien nach Hause zurückkehrt, fällt es ihr schwer, sich wieder an die Gepflogenheiten ihrer Heimat anzupassen, wofür sie von ihrer Familie viel Kritik einstecken muss.
In Frankreich hat sie sich in einen jungen Mann verliebt, der der Tradition entsprechend nun offiziell um ihre Hand anhalten soll. Die ihr schier endlos erscheinende Zeit bis zu seiner Ankunft vertreibt sie sich, indem sie mit Familie und Freunden über die Liebe spricht. Und über das in ihrer Kultur verankerte traditionelle Verständnis von Ehe und Familie
Außen hui, innen pfui
„The Wedding Ring“ glänzt nicht nur mit tollen Bildern, Kostümen und Kulissen, sondern auch mit atmosphärischer Musik, guter Schauspielleistung und extrem authentisch wirkenden Dialogen. Der Film schafft es in unaufgeregter Weise zu verdeutlichen, wie westliche Kultur Einfluss auf die nigrischen Menschen nimmt. Jeans, freie Liebe, Monogamie und titelgebende Eheringe – all das, was vor ein paar Jahren noch undenkbar schien, wird inzwischen scheinbar von allen akzeptiert.
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Doch genau hier liegt auch die große Schwäche des Films. Die Geschichte um Tiyaa und ihren Geliebten gerät durch die soziokulturelle Thematik immer wieder in den Hintergrund. Plötzliche Rückblenden ohne Dialoge in die Zeit in Paris sollen dem Zuschauer in Erinnerung rufen, was das eigentliche Thema des Films ist. Doch das funktioniert aufgrund der flach geschriebenen Hauptfigur nur bedingt. Tiyaa hangelt sich lediglich von Dialog zu Dialog und suhlt sich zwischendurch in ihrem Liebeskummer, indem sie trübselig am Ufer eines Flusses sitzt oder mit sich selbst über ihre Gefühle sinniert.
Nach einem wirren Einstieg folgt eine langatmige Odyssee durch Schauplätze und Charaktere, die schneller wieder verschwinden, als sich der Zuschauer an sie gewöhnen kann. Dabei wird die eigentliche Handlung kaum vorangetrieben und spannende Wendungen gibt es praktisch nicht. Erst zum Schluss nimmt das Liebensdrama wieder etwas Fahrt auf. Der Zuschauer ist jedoch die meiste Zeit damit beschäftigt, sich durch das Wirrwarr an Charakteren, Traditionen und Handlungsbausteinen zu kämpfen. Vorkenntnisse in nigrischer Kultur können daher von großem Vorteil sein.