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Besitzer der Eisdiele: Dieter Kalvelage. Foto: Christopher Bahl

Südlich der Elbe befindet sich das wohl kreativste Eislabor Hamburgs. Beim Wilhelmsburger Eisdealer wird mit Zutaten wie Gurken-, Rote-Beete- und Holunder-Bier experimentiert. Auch für die Zukunft gibt es schon ausgefallene Pläne für Eis.

Dieter Kalvelage greift zu der übergroßen Bierflasche und ploppt den Bügelverschluss auf. Ein starker Biergeruch verbreitet sich schlagartig in dem kleinen Labor. Vorsichtig lässt Kalvelage das Wild-Ale-Gurkenbier in eine Mischung aus Bindemitteln, Zucker und Saft fließen. Die nächsten Vorgänge übernehmen Profi-Eismaschinen. “Die Stromrechnung am Monatsende ist hoch”, fügt Kalvelage an, bevor er das Bier langsam in die schneeweiße Masse tropfen lässt. Die zweieinhalb Liter reichen für die Herstellung einer Eiswanne mit fünf Liter Inhalt.

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Jeder Tropfen des Bieres ist wertvoll. Foto: Christopher Bahl

Moderne weiße Tische und Stühle, Bilder an der Wand und warmes Licht sorgen für eine angenehme Atmosphäre. Die rustikalen Holzstühle und -tische im Außenbereich laden zum Verweilen ein.

Kalvelage steht im Laden, tippt auf sein Handy und bereitet einen Kaffee zur Begrüßung vor. Er ist sehr stolz auf seine Eisdiele. Nach intensiver Suche nach einer geeigneten Lokalität, eröffnete er 2015 in einem Eckgebäude in der Veringstraße seinen Laden. Im Sommer 2017 zog es ihn wenige Straßen weiter in die Weimarer Straße 85, wo er als Wilhelmsburger Eisdealer außergewöhnliche Sorten verkauft. Besonders stolz ist Kalvelage auf sein Bier-Eis. Dieses Eis bekommt man in Hamburg nur bei ihm.

Der Traum vom Eis

Die Küche, weiß gefliest mit viel Tageslicht und sorgfältig in Regalen gelagerten Lebensmitteln, nennt Kalvelage sein “Labor.” Beim Betreten riecht man die frischen Erdbeeren, die bereits auf dem Küchentisch liegen und sieht die großen Glasgefäße mit der Aufschrift “Bunthaus”. Das Bier bekommt Kalvelage nämlich von der Bunthaus Brauerei, die ihren Standort auf der Elbinsel hat.

Laut Statista hat sich der Anteil von umsatzsteuerpflichtigen Eisdielen im Laufe der Jahre deutlich verringert. Gab es im Jahr 2002 noch 6794 Eisdielen, so ist die Zahl im Jahr 2016 auf 5546 gesunken. Der pro Kopf Verbrauch von Speiseeis hingegen blieb die letzten drei Jahre konstant bei 7,9 Litern.

Der gelernte Küchenmeister Kalvelage ist seit 2002 in Hamburg. Zuvor leitete er 16 Jahre lang einen eigenen Restaurantbetrieb. Nach Stationen als freiberuflicher Küchenchef, Produktionsleiter und Dozent für Gastronomie, erfüllte er sich 2015 den Traum eines eigenen Eisladens.

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Vorsichtig gibt Kalvelage das Bier zur Basismasse. Foto: Christopher Bahl

Die Idee des Bier-Eis

Angefangen hat alles mit dem Craft-Bier “Mitschnagger” aus Stellingen. “Dieses Bier gab es aber nur bei einem Supermarkt, das war nicht immer so leicht zu bekommen.” Heute verarbeitet Kalvelage keine “Mitschnagger” mehr, sondern Biere mit den Geschmacksrichtungen Gurke, Rote Beete und Holunderblüten. “Jens Block von der Wilhelmsburger Bunthaus Brauerei hat mich eines Tages mal gefragt, ob ich nicht Lust hätte aus seinem Bier Eis zu machen. Das erste war ein Black Ape – ein dunkles, karamellisiertes Eis. Später kam dann ein Holunderbier-Eis dazu – geschmacklich einzigartig.”

Stolz greift er zu seinem Notizbuch, blättert durch die bekleckerten Seiten und zeigt seine Entwürfe und Rezepturen. „Wir machen aber nicht so verrückte Sachen wie der Eismacher in München, der Weißwurst-Eis oder Schweineknusper-Eis macht.” Kalvelage lacht und wirft schnell noch einen Blick in sein Notizbuch.

Herstellung mit Muskelkraft

Zügig wird nun Basismasse und Bier vermischt. Ein normaler Pürierstab würde dafür nicht ausreichen. Mit einem großen Ruck wuchtet er den schweren Eimer auf den Boden und greift zu einem Werkzeug, das eher einem Presslufthammer ähnelt. Dann wird die Mixtur ordentlich vermischt.

Gesetzlich ist es vorgegeben, dass aus Milch produziertes Eis mindestens 70 Prozent Milch enthalten muss. Fruchteis, bis auf die Sorte Zitrone, muss mindestens 20 Prozent Frucht enthalten. Insgesamt besteht handwerklich produziertes Eis aus wenigen Zutaten wie Zucker, einem speziellen Pulver zum Gefrieren und Milch.

Die fertig vermischte Masse hievt Kalvelage in eine Kältetrommel. Dort wird das Gemisch auf minus 20 Grad unter Lufteinschlag abgekühlt. Die Kältetrommel erinnert ein wenig an eine Zuckerwattemaschine. Dieter dreht den Regler auf die gewünschte Stufe und blickt auf das Display. Alles läuft. Die Temperatur sinkt und zwanzig Minuten später ist die Eismasse fertig.

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Die Temperatur immer im Blick. Foto: Christopher Bahl

Am Rand der Kältetrommel hat sich durch die Rotation das Eis gebildet. Nicht wie erwartet in Farbe des Bieres, sondern schneeweiß. Mit voller Muskelkraft hebt Dieter die Eismasse aus der Trommel. Seine beiden Hände umklammern den Griff, seine Armmuskeln sind angespannt, während er eine Portion nach der anderen in die Eiswanne hebt. Nach etwa fünf Hieben ist diese voll. Bevor das fertige Eis in den Verkauf geht, wird probiert. Tatsächlich: Es schmeckt wie ein Bier mit einem Hauch von Gurke – sehr erfrischend und lecker. Mit breitem Grinsen erklärt er, dass das Bier jetzt noch einen Restalkoholwert von ca. 3,1 von ursprünglich 5,3 Prozent hat. „Ja, man kann davon schon betrunken werden“, sagt Kalvelage lächelnd.

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Hier bildet sich gleich das Eis. Foto: Christopher Bahl

Sommerplanung

Erstmals ist Kalvelage in diesem Jahr auch mobil mit seinem Eisladen unterwegs ist. Man findet ihn auf dem Daughterville-Festival, beim veganen Straßenfest, der Summersession auf dem Spielbudenplatz und bei “250 Jahre Hamburger Veddel“. Auch auf dem Motorradgottesdienst verkauft er Eis – dann selbstverständlich ohne Alkohol.

Was folgt nach dem Bier-Eis? Aktuell bereitet Kalvelage ein Caipirinha-Eis mit Limettensaft und Cachaca vor. „Da gibt es eine spezielle Formel, die ich ausgerechnet habe. Das versuche ich gerade herzustellen.“