Volkshochschule – schon das Wort wirkt altmodisch. Dabei ist es ein Ort, an dem weitaus mehr als nur Sprachkurse stattfinden. In Hamburg kann man beispielsweise Goldschmieden lernen. Studierende bekommen Rabatte.
Pling, Pling, Pling: Metall trifft auf Metall. Es riecht chemisch, nach Gas und angekokeltem Silber. Der Geruch ist beißend. An einem Tisch bringt ein Mann Kupfer zum Glühen. Gegenüber feilt eine Frau an einem Katzenkopf aus Metall. Neben ihr werkelt Rafael Scheurich. Er ist 26, trägt eine silberne Kette, helle Hosen und ein graues T-Shirt. Seine Oberarme schmücken orangefarbene Tattoos. Seine Haare hat er zu einem Zopf zusammengebunden.
In seinen Händen hält er ein Stück Silber. Daraus soll ein Ring werden. In der letzten Kursstunde, seiner ersten, hat er das Material schon zurechtgebogen. Jetzt muss er ein Stück absägen, damit der Ring rund wird. Bevor er an diesen Ort kam, testete er zu Hause herum. Aber ihm fehlte dort der Platz und die professionelle Anleitung, um Schmuckstücke herzustellen. Das ist an der Volkshochschule Hamburg (VHS) anders: hier gibt es spezielles Werkzeug, Arbeitsplätze und eine erfahrene Kursleiterin. Er sagt: „Das hier macht mich glücklich. Ich habe schon Spaß daran, mit dem Hammer auf dem Ring zu klopfen.“ Für Scheurich ein Ausgleich zur Arbeit als Sozialarbeiter.
Volkshochschulen sind langweilig – von wegen
Insgesamt sitzen neun Personen an diesem Tag in der Werkstatt. An der Volkshochschule Hamburg gab es im letzten Jahr 158 Goldschmiedekurse. Die Nachfrage ist groß. Und das, obwohl Volkshochschulen teilweise ein altmodisches Image haben sollen. Grade in ländlichen Regionen werden sie häufig belächelt, sagt eine Sprecherin der Institution.
Nach Angaben des Deutschen Volkshochschul-Verbands sind die Einrichtungen der größte Träger von Weiterbildungsangeboten. 2022 haben sechs Millionen Menschen einen Kurs an einer Volkshochschule besucht. In Hamburg hat die VHS einen guten Ruf. Die Vielfalt der Großstadt findet sich in ihrem Programm wieder. Zwar sind Sprachen mit Abstand das größte Feld, aber Franzbrötchen backen, Akkordeon spielen oder jiddische Literatur lesen, gehören ebenfalls zum Angebot.
Studierende bekommen auf alle Kurse der VHS Hamburg 50 Prozent Rabatt. Außerdem besteht die Möglichkeit eines finanziellen Zuschusses durch den Verein „Bildung für alle! e.V.“
Goldschmieden lernen können Interessierte seit den Siebzigerjahren an der VHS. Mittlerweile an fünf Standtorten in Hamburg. Die Kurse finden vormittags, nachmittags, abends und an manchen Wochenenden statt. 1991 war es schwer an einen Platz zu kommen – es gab nur 20 Kurse und wer einmal angefangen hat, wollte meist nicht mehr aufhören. Das hat sich gebessert: Scheurich suchte im November einen Platz; seit Februar schmiedet er in der Sternschanze.
Goldschmieden lernen – den Ring löten
Dort liegt der Kursraum im dritten Geschoss eines Backsteingebäudes. Der Flur ist weiß gestrichen und mit Linoleumboden ausgelegt. Krankenhausatmosphäre. Ganz anders wirkt der Goldschmiederaum. Zwei große Holztische stehen im Zentrum und in jeder Ecke sind Maschinen und Regale. Jeder Arbeitsplatz hat seinen eigenen Gasanschluss mit Bunsenbrenner. Den braucht nun auch Scheurich. Der Ring ist bereit zum Löten.
Der Spalt zwischen den beiden Enden des Rings ist klein. Mit einer Pinzette drückt er ein Stück Lot hinein und bestreicht den Ring mit Flussmittel. Danach legt er den Ring auf einen Stein, den sogenannten Lötblock, und zündet den Bunsenbrenner an. Um die Flamme besser zu kontrollieren, nimmt Scheurich ein Stück Schlauch in den Mund, das mit der Gaszufuhr verbunden ist. Um die Flamme spitzer zu machen, pustet er dort hinein. So kann er feiner löten.
Mit der Flamme verbindet Scheurich das Silber. Dabei beobachtet ihn Kursleiterin Daniela Wensenberg. Sie sagt zu ihm, er solle den Bunsenbrenner mehr kippen, dann verteile sich die Wärme besser.
Die Lehrerin ist ausgebildete Goldschmieden
Wesenberg ist gelernte Goldschmiedin und gibt seit Jahren Kurse an der VHS. Sie trägt ein schwarzes T-Shirt und dunkle Jeans. Dadurch kommen ihre rotbraunen Haare stark zur Geltung. Auf den Fingern ihrer linken Hand stecken Silber- und Goldringe – natürlich selbst geschmiedet. „Mir macht es Spaß, die Kurse zu geben. Ich finde es großartig, jemanden zu befähigen, etwas selbst zu machen“, sagt sie.
Bei einem fortlaufenden Kurs gibt es zehn Termine mit jeweils drei Stunden – Kostenpunkt: 276 Euro. Materialien wie Silber, Gold oder Steine kommen noch obendrauf. Es gibt auch kürzere Kurse, die sind günstiger. Laut Wesenberg kann man mit zehn Terminen schon einiges schaffen. In der ersten und zweiten Stunde ist ein Probestück aus Messing oder Kupfer Pflicht. Danach können die Teilnehmer*innen mit ihren eigenen Projekten beginnen. Wesensberg leitet dabei an, aber schmiedet nicht mit.
Anfängern empfiehlt sie einen Kurs, der mit Sägen und Feilen zu tun hat. Das sei eine Grundlage, die beim Goldschmieden immer gebraucht wird. Sie lernt auch einiges von den Teilnehmer*innen. Beispielsweise, wenn sie Schmuckstücke schmieden wollen, die Wesensberg noch nie angefertigt hat. Am beeindruckendsten findet Wesenberg aber: „Es gibt Kursteilnehmer*innen, die gleich ihr erstes Stück verschenken. So wäre ich nicht.“
Ein Ring für die Ewigkeit
Scheurich taucht seinen Silberring nach dem Löten in Wasser. Ein „Zschhhhh…“ hallt durch den Raum. Der Ring ist matt und hat schwarze Stellen vom Erhitzen. Damit er glänzt, kommt er für zwei Minuten in eine chemische Lösung.
Auf die Idee zum Schmieden, ist Scheurich durch einen Freund gekommen. Der Freund hat von seinem Opa einen Ring geschenkt bekommen. „So ein schönes Erbstück hat mich fasziniert. Mehr, als es ein fettes Haus tun würde. Ein Ring transportiert eher eine Geschichte“, sagt er.
Nun muss er den Ring weiten. Dafür nimmt Scheurich den Dorn, ein spitz zulaufender Kegel aus Stahl. Auf diesen stülpt er den Ring, mit einem Gummihammer haut er darauf. Dabei muss er aufpassen, dass er gleichmäßig schlägt, damit der Ring gleich dick bleibt. Nach einem letzten „Pling“ ist er zufrieden. Der Ring ist erstmal fertig. Eventuell kommt noch eine Fassung für einen Stein darauf, aber das bleibt für die nächste Stunde.
tog
Till Tognino, Jahrgang 2000, auf Bumble auch als der Junge mit dem „Colgate Lächeln“ bekannt, wollte eigentlich Goldschmied werden. Am Ende wurde es dann aber doch ein Journalismusstudium in seiner Heimat Magdeburg. Und siehe da - it’s a match. Seitdem schmiedet Till statt Goldketten lieber pointierte Texte. Mal für das MDR Fernsehen, dann für namibische Radiosender oder eine deutschsprachige Wochenzeitung in Spanien. Als selbsternannter „Politik-Nerd“ konnte er schon mit 13 alle Minister*innen aus Angela Merkels damaligem Kabinett aufzählen. Wenn er nicht gerade jemandem erklärt, was ein Überhangmandat ist, fotografiert er gerne. Lieblingsmotive: Papageien und Frösche aus Costa Rica, wo er acht Monate lang in einem Nationalpark gearbeitet hat. Kürzel: tog