Zum ersten Mal durften 16- und 17-Jährige bei der Europawahl abstimmen. Die Ergebnisse sind für einige ein Realitäts-Check und ein Schock: Junge Menschen wählen AfD. Ein Kommentar.
Am Freitag vor der Europawahl haben 30.000 Menschen in Hamburg gegen Rechts demonstriert. Auf Social-Media motivieren Videos und Posts dazu, die eigene Stimme zu nutzen, sie sind mit dem Hashtag #unrechts versehen. Wer sich am Sonntag noch motiviert gefühlt hat und euphorisch vom Wahllokal nach Hause ging, wurde mit den Ergebnissen am Abend aus der eigenen Bubble gerissen. Auf den Bildschirmen: vor allem Schwarz und viel Blau.
Bei der Europawahl haben die CDU/CSU und die AfD Stimmen abgeräumt. Und das gerade auch bei jungen Menschen. Zum ersten Mal durften auch 16- und 17-Jährige bei der Europawahl abstimmen und die wählen anscheinend zumindest in großen Teilen konservativ und rechts: Bei den 16- bis 24-Jährigen erhielt die Union 17 Prozent, die AfD 16 Prozent. Das zeigt das Meinungs- und Wahlforschungsinstitut “Infratest dimap”. Mehr Stimmen erhielten nur kleinere Parteien, die unter “Andere” zusammengezählt werden.
Das Ergebnis ist für viele ein Realitäts-Check. Und ein Schock. Gerade als Teil dieser Altersgruppe bleibt die Frage: Wer von uns wählt denn die AfD?
Raus aus der Filterbubble
Wer demonstrieren geht, gendert und linken Influencer*innen auf Instagram folgt, ist jetzt überrascht. Sie sehen rechte Inhalte nur dann auf Social-Media, wenn sich jemand darüber aufregt. Es ist wohl ein Mythos, dass die Jugend vor allem links ist. Zumindest außerhalb der eigenen Filterblase. Die Europawahl zeigt: Es gibt genügend junge AfD-Wähler*innen, auch wenn sie nicht im eigenen Bekanntenkreis sind.
Sind es wirklich die Tiktok-Videos der AfD, die Neuwähler*innen gewinnen? Naja, auch die spielen sicherlich eine Rolle. Wer sich auf TikTok als AfD-Wähler*in zu erkennen gibt, wird beispielsweise mit blauen Herzen in den Kommentaren belohnt.
TikTok allein die Schuld zu geben, ist aber zu einfach. Neben Social-Media wird die Wahlentscheidung auch durch andere Faktoren beeinflusst. Es gibt einige Erklärungsversuche für das AfD-Hoch bei den 16- bis 24-Jährigen. So kommentiert “Die Zeit”, dass neben TikTok und Protest-Wahlen auch Sorgen und Zukunftslosigkeit der Grund sein könnten. Laut Expert*innen, die von Br24 befragt wurden, sei auch soziale Ungleichheit ein großes Thema. Die jungen Wähler*innen hätten das Gefühl, die regierenden Parteien würden nicht genug dagegen tun und suchen deshalb nach Alternativen. Der NDR schreibt, dass die AfD leichte Antworten auf komplizierte Themen findet. Und das fänden einige junge Menschen angenehm.
Weckruf für die anderen Parteien
Anscheinend gibt es also in dieser Altersgruppe Sorgen oder Forderungen, die von den anderen Parteien nicht aufgefangen werden. Für einige junge Menschen gehört die AfD wohl auch schon immer zu den etablierten Parteien – sie ist für sie wählbar.
Die eine Erklärung für die 16 Prozent gibt es sicher nicht, die Beweggründe sind vermutlich unterschiedlich. Was nach Europawahl aber klar ist: Es gibt eine Gruppe von jungen Menschen, die sich nach Rechts wendet. Jetzt müssen die anderen demokratischen Parteien Zukunftsperspektiven für diejenigen bieten, die sich abgehängt, unverstanden und enttäuscht fühlen.
Sarah Bayerschmidt, Jahrgang 2001, kommt aus Amberg, ihre bayerische Herkunft verrät ihr Nachname oder die Aussprache des Wortes „furchtbar“. Studiert hat sie Journalistik in Eichstätt. Beim ZDF im Landesstudio Berlin hat sie über Blockadeaktionen der Letzten Generation berichtet und war bei einem Klebetraining dabei. Ein anderes Thema, das ihr wichtig ist: Tattoos. In einer Podcast-Folge für das ZEIT-Wissen Magazin hat Sarah eine Tätowiererin begleitet und mit einem Tattooforscher darüber gesprochen, was die Körperkunst für Menschen bedeutet. Sie selbst trägt unter anderem am Bein einen Zeichentrickhasen (mit Zeitung in der Hand!) und den Spruch „wird schon“.
Kürzel: bay