Stage School Hamburg: Rasmus Meyer-Loos und Fanny Mae Mischuretz in einer Foto-Collage
Rasmus Meyer-Loos und Fanny Mae Mischuretz bereiten sich an der Stage School Hamburg auf eine professionelle Karriere als Bühnendarsteller*in vor. Foto/Collage: Pauline Claußen/Diana Waschelitz/sweasy/Adobe Stock

New York, London … Hamburg! Weltweit ist die Hansestadt die drittgrößte Musicalmetropole. Doch die Stadt zeigt nicht nur Shows, hier gibt es auch Ausbildungsstätten. Für viele Talente beginnt die Reise ins Showbusiness an der Stage School Hamburg.

Es ist soweit: Auf dem Weg in die Thedestraße 15 in Altona hört man schon von weitem aufgeregtes Stimmengewirr vor den Türen des First Stage Theaters. Die Luft ist angenehm warm, viele Gäste tragen sommerlich-festliche Kleidung. Obwohl eigentlich Sonntag ist, findet heute im First Stage die „Monday Night“ statt – eine Show, bei der angehende Bühnendarsteller*Innen der Stage School Hamburg ihr Talent unter Beweis stellen. Das Event ist ausverkauft. Um 19 Uhr gehen die Lichter aus, der Vorhang öffnet sich.

Für viele der 60 jungen Darsteller*innen ist es der erste Auftritt vor großem Publikum. So auch für Fanny Mae Mischuretz, deren Solo-Act bei allen Anwesenden Begeisterung auslöst: Im sportlichen Tennis-Dress stürmt sie die Bühne zu dem Song „Fuck You“ und performt eine schnelle Tanznummer, die nach den vorherigen Balladen erheiternd wirkt. Sie ist das coole Basketball-Girl mit blondem Zopf, hält das Publikum mit ihren Hip-Hop Moves in Atem. Mit selbstbewusster Attitüde und verschmitztem Lächeln performt sie ihre Choreo, spielt nebenbei lässig mit einem Basketball. Nach dem Auftritt gibt es großen Applaus.


Zwei Newcomer mit besonderem Talent

Für Fanny Mae ist es der Anfang ihrer Karriere als Bühnendarstellerin. Erst im Januar hat sie ihre Ausbildung in Performance Arts an der Stage School Hamburg begonnen – und zählt damit zu den besonders begabten Schüler*innen der Schule. Als sogenannte 1Xler ist die Ausbildung für sie von 3 Jahren auf 2,5 Jahre verkürzt. Sie hat besonderes Talent.

Porträts von Rasmus Meyer-Loos und Fanny Mischuretz
Rasmus Meyer-Loos und Fanny Mae Mischuretz sind im ersten Jahr ihrer Ausbildung an der Stage School Hamburg. Foto: Pauline Claußen.

Ähnlich sieht es bei ihrem Mitschüler Rasmus Meyer-Loos aus. Auch er steht an diesem Abend auf der Bühne, um als 1Xler im Stepptanz sein Talent zur Schau zu stellen. Im Gegensatz zu Fanny Mae stand Rasmus jedoch schon mit zehn Jahren das erste Mal auf der Bühne, hat bereits beim Phantom der Oper und im Thalia Theater bei Dancer in the Dark mitgespielt. Rasmus ist 18 Jahre alt, groß und hellblond – der nordische Typ. Er hat immer ein breites Lächeln im Gesicht.

Rasmus und Fanny Mae sind zwei von 60 Schüler*innen, die dieses Jahr die Ausbildung an der Stage School Hamburg beginnen. Unter 1000 Mitbewerber*innen haben sie sich in der Aufnahmeprüfung durchgesetzt. Nun lernen sie die fachlichen Grundlagen in Schauspiel, Gesang und Tanz an Deutschlands größter Schule für Performing Arts.

Ein Tag an der Stage School Hamburg

Wir treffen Rasmus und Fanny Mae einige Wochen nach ihrem Auftritt wieder, um einen Einblick in den Schulalltag an der Stage School Hamburg zu erhalten. Auf 4000 Quadratmetern wird hier täglich geprobt, geschwitzt und getanzt. Die Stage School Hamburg wurde 1985 gegründet und ist damit die älteste Bühnenfachschule Deutschlands. In mehr als 20 Fächern erwerben die Auszubildenden Fähigkeiten in Bereichen wie Stimmtechnik, Tanzstilen und darstellendem Spiel. Etwa 60 Dozent*innen sind angestellt, um ihr Branchenwissen an die Schülerschaft zu vermitteln.

Rasmus probt eine Dialogszene mit seiner Mitschülerin Enna
In der geprobten Dialogszene geraten die beiden Figuren in einen Streit. Foto: Pauline Claußen.

Der Tag beginnt in der Schauspielklasse von Musicalprofi Willi Welp. Geprobt wird eine Szene aus dem Stück „Past Perfect“, in dem sich zwei Geschwister streiten. Rasmus spielt den Bruder Seth, der mit seiner Schwester aneinandergerät, als diese den Mord am eigenen Vater vorschlägt. Die Situation eskaliert, als Seth von seiner Schwester eine Ohrfeige bekommt. Eigentlich eine ernste Szene, aber im Schülerpublikum herrscht heiteres Gelächter. Willi Welp lobt seinen Zögling in höchsten Tönen, trotzdem muss die Ohrfeige noch ein paar Mal geübt werden. Nach einigen Wiederholungen sitzt der Schlag dann perfekt: Rasmus Wange glüht, das breite Grinsen ist jedoch nicht aus seinem Gesicht gewichen. Alle Anwesenden verlassen die Klasse in bester Laune.

Unter Druck: Voller Körpereinsatz im Fach Liedinterpretation

Dozentin Christina Pfannkuch visualisiert die Szene. Foto: Pauline Claußen.

Weiter geht es im Nebenraum mit Fanny Mae. Hier unterrichtet Christina Pfannkuch Liedinterpretation. Bei diesem Fach ist vor allem die schauspielerische Interpretation eines Musikstücks wichtig. Bald ist Gesangsprüfung, daher wird es ernst für Fanny Mae. Begleitet vom Klavier trägt sie das Lied „Glocken klingen hell“ aus dem Musical „Hairspray“ vor. Die zuschauenden Mitschüler*innen schauen bewundernd zu, doch die Dozentin wirkt unzufrieden. Fanny Mae wird nach dreimaliger Wiederholung aus dem Raum geschickt, um sich „locker zu machen“. Als sie zurückkommt, soll sie die Gefühle der gespielten Figur analysieren. „Sie ist naiv und verliebt, aber komplett enthusiastisch“, so Fanny Mae. „Yes, aber in allen möglichen Variationen!“, bestätigt die Lehrerin. „Und jetzt stellen Sie sich mal einen Filmstar vor, den Sie total heiß finden!“

Fanny Mae legt erneut los und gibt vollen Körpereinsatz: Die Arme öffnen sich, ihr Blickkontakt zum Publikum wird intensiver. Um die maximale Leistung aus ihr herauszuholen, hüpft Frau Pfannkuch um sie herum und gibt während der Performance Anweisungen: „Und jetzt Sensation – Brad Pitt betritt den Raum!“. Fanny Maes Augen weiten sich, das strahlende Lächeln wird größer. Das Coaching hat Wirkung gezeigt, am Ende ist auch die Dozentin glücklich.

„Kritik ist ganz normal“

Nach der Stunde sieht Fanny Mae erschöpft und erleichtert aus. Das Thema Druck ist in ihrer Branche üblich, so die Schülerin. „Kritik zu bekommen, ist ganz normal. Aber man darf das nicht zu nah an sich ranlassen und kann auch immer mit den Dozenten reden. Wir wissen, nach der Ausbildung wird es hart und hier wird man darauf vorbereitet.“ Die größte Herausforderung sei es, sich nicht mit anderen zu vergleichen. Und zu verstehen, jeder hat seine eigene Entwicklung.

“Die Bühne ist auch ein Safe Space, ein Ort zum Ausprobieren.” – Rasmus Meyer-Loos

Rasmus fügt hinzu, es gebe an der Schule außerdem das Fach Mental Care. Hier lernt man, mit Lampenfieber und psychischem Druck besser umzugehen. Das sei in Stresssituationen sehr hilfreich. Er hat oft auf der Bühne seinen „Anker“ dabei – einen Gegenstand, der ihn erdet und ihm das Gefühl von Sicherheit gibt. Aber Fehler passieren trotzdem jedem. Wichtig sei es, den Spaß an der Sache dabei nicht zu verlieren. “Die Bühne ist auch ein Safe Space zum Ausprobieren. Manche blühen dort erst richtig auf”, so der 18-Jährige.

Sprechtechnik, oder auch: Shaky Belly!

Im Fach Sprechtechnik gibt es Lockerungsübungen für Körper und Stimme.
Im Unterrichtsfach Sprechtechnik werden ordentlich die Hüften geschüttelt. Foto: Pauline Claußen.

Im Fach Sprechtechnik sehen wir wieder den alten, heiteren Rasmus in seinem Element. Hier gibt es Aufwärm- und Lockerungsübungen, für Körper und Stimme. „Machen wir die Übung mit oder ohne shaky belly?“, fragt Frau Pfannkuch in die Runde. „Immer mit shaky belly!“, so Rasmus. Und los geht es, alle Schüler stehen im Kreis und fangen an, ihren Bauch und die Hüften zu schwingen.

„Mammami mammamäh, mammamuh!“„Blablublablublabublääh!“. „Ricola, Ricola, Ricola! Rucola, Rucola, Rucola!“ Immer wieder rufen sich die Auszubildenden Wortfetzen zu, blubbern sich gegenseitig an, lernen, schnell aufeinander zu reagieren. Der Spaßfaktor erreicht seinen Höchstwert in diesem Fach: Von Fantasieakzenten, ausgedachtem Blahblah und lustigen Gesten ist alles dabei. Mit den Worten „Ja so ist das bei uns hier“ beschließt Frau Pfannkuch schmunzelnd die Stunde und entlässt die Schüler*innen in den Nachmittag.

Damit geht der Tag an der Stage School Hamburg zu Ende. Kurz sehen wir Fanny Mae noch in ihre Jazz-Stunde verschwinden, für sie geht es noch nicht in den Feierabend. Eines ist klar: Wer hier zum Bühnenprofi werden will, hat harte Arbeit vor sich – aber auch viel Spaß.

In der Dominikanischen Republik erkundete Diana Waschelitz, geboren 1991 in Bad Segeberg, Leguaninseln und Krokodilfarmen. Sie studierte in Hamburg Amerikanistik sowie Medien- und Kommunikationswissenschaften. Diana war schon Qualitätskontrolleurin für Asos und plante Containerrouten für Hapag-Lloyd. Für ein Erasmussemester ging Diana nach London. Die Mentalität und die Buchläden in Bloomsbury gefielen ihr so gut, dass sie gleich für zwei Jahre blieb. Wieder zurück in Hamburg verbringt sie ihre Zeit am liebsten mit Mats, ihrem Mops. Kürzel: dia