Der Einstieg ins Berufsleben ist ein bedeutsamer Schritt. Damit einher geht die Frage: Wie möchte ich arbeiten? Für viele ist das Angestelltenverhältnis keine Option. Sie gründen. Harriet Dohmeyer ist eine von ihnen.

Mit nur 22 Jahren einen Verlag gründen? Harriet Dohmeyer hat genau das getan. Seit 2017 gibt es den Verlag Ankerwechsel in Hamburg. Dort erscheinen Bücher, die herausstechen: durch ihr Design, ihren Inhalt, ihre Haptik. Angefangen hat alles mit der Reihe “Hallo”: alternative Reiseführer für Hamburg und Kopenhagen, die sie aus ihrem alten WG-Zimmer heraus veröffentlicht hat. Kürzlich erschien im Ankerwechsel-Verlag das Buch “Face with Tears of Joy” – eine Graphic Novel über Emojis und Kommunikation. Im Interview mit FINK.HAMBURG spricht die Absolventin der HAW Hamburg über Mut, Herzensangelegenheiten und Einsicht.

FINK.HAMBURG: Hast du Gegenwind bekommen, als du den Verlag gegründet hast – von Freunden, der Familie oder vielleicht auch dir selbst?

Harriet Dohmeyer: Es gab auf jeden Fall Personen, auch aus dem Verlagsbereich, die mir davon abgeraten haben. Solche Glaubenssätzen begegnen einem schnell, wenn man gründet. Die Verlagsbranche ist sehr reflektiert darüber, wie herausfordernd die Lage teilweise ist. Vor allem für unabhängige Verlage und lokale Buchhandlungen. Diese Hindernisse sind oft wirtschaftlicher Natur und hängen mit gestiegenen Kosten zusammen. Ich habe die Gründung damals sehr lange für mich behalten. Das war strategisch vielleicht nicht das Klügste, hat mir aber dabei geholfen, meinen eigenen “Windbreaker” zu entwickeln.

Warum hast du dich trotzdem für einen eigenen Verlag entschieden?

Bücher haben einen haptischen Zugang, der im digitalen Bereich oft fehlt. Man lässt sich weniger ablenken. Ich finde, Geschichten in dieser gedruckten Form zu erzählen und den Zugang, den man darüber ermöglichen kann, spannend. Wir haben mit der Reihe der Stadtportraits angefangen, die ich selber geschrieben habe. Dabei erhielt ich Unterstützung von freien Mitarbeiter*innen im Textbereich, bei Illustrationen und Grafikdesign. Diese ersten Projekte zeigten mir, wie viel Freude mir das Erstellen von Büchern bringt. Dann habe ich gemerkt, dass ich die Rolle der Verlegerin von anderen Autor*innen auch toll finde.

Wäre es für dich eine Option gewesen, in einem bestehenden Verlag zu arbeiten?

Nein, gar nicht. Ich wollte sehr bewusst gründen, um alles selbst zu entscheiden. Weil ich von anderen Personen gehört habe, wie sich ein Verlag zum Beispiel beim Cover einmischt. Außerdem war mir vor allem die Produktion sehr wichtig – dass lokal und möglichst nachhaltig gedruckt wird. Also war die Motivation zur Gründung auch, Entscheidungen zu treffen und beeinflussen zu können, wie diese Bücher produziert werden. Da hat man viele Möglichkeiten, wenn man selbst einen Verlag gründet. Der Aufwand im Tagesgeschäft ist immens, was beispielsweise rechtliche Themen und den Vertrieb angeht. Also macht eine Gründung besonders dann Sinn, wenn es ein längerfristiges Vorhaben ist. Natürlich verstehe ich heute aus anderer Perspektive, warum wir Verleger*innen beim Cover mitreden.

“Bücher machen ist halt keine Gelddruckmaschine.”

Für welche Vertriebswege hast du dich entschieden?

Wir haben mit einem eigenen Onlineshop und ausgewählten Läden gestartet. Mittlerweile sind wir in allen Buchhandlungen erhältlich. Und auch bei Amazon. Den Versandriesen wollte ich lange meiden, damit vor allem über den lokalen Buchhandel oder direkt bei uns bestellt wird. Wo wir als Leser*in Bücher kaufen, bestimmt schließlich auch, wohin das Geld fließt. Und das passt auch zu unseren Städte-Guides, die viele inhabergeführte Läden vorstellen. Projekte im Kulturbereich haben es ohnehin schwer. Auch für uns im Verlag bedeutet es große Unterstützung, wenn Leute direkt bestellen. Bücher machen ist halt keine Gelddruckmaschine.

Aber gleichzeitig lerne ich viel dazu und habe gemerkt: Ich kann den Weg zu Amazon als Verlag nicht verhindern, wenn ich für den lokalen Buchhandel leicht verfügbar sein möchte, also mit dem dafür wichtigen Großhandel zusammenarbeite. Ich bin froh, dass ich diesen Weg gehen und diese Entscheidungen treffen konnte. Aber es waren vor allem am Anfang Überlegungen wie: “Was möchte ich eigentlich mit diesem Unternehmen hier machen?” Wie möchte ich den Verlag gestalten?” Das ist mir wichtig.

Was sind die wichtigsten drei Parameter, nach denen du auswählst, was publiziert wird?

Das kann ich nicht beantworten, weil ich glaube, dass ich nicht so strategisch bin. Das meiste entscheide ich mit Bauchgefühl. Und Bauchgefühl vereint schon Parameter wie Werte, Möglichkeiten und auch Gefühle, was mir das jeweilige Projekt bedeutet. Ich brauche diesen Zugang, weil jedes Projekt heißt, dass ich da eineinhalb Jahre sehr, sehr viel meiner Zeit reinstecke.

Wie lange sitzt du im Schnitt an einem Projekt?

 Ein Jahr auf jeden Fall.

Kannst du mittlerweile von deinem Verlag leben?

Ja, kann ich. Nebenbei arbeite ich aber immer noch frei und bin an verschiedenen Stellen beratend tätig. Dadurch bekomme ich immer wieder Input, der auch dem Verlag guttut.

Was sind Projekte, die du auf lange Sicht gerne realisieren möchtest?

Es ist immer schwierig, über Sachen zu reden, die noch nicht da sind. Ich freue mich einfach auf alle Projekte, die folgen und ich finde es total schön, wenn Menschen mit konkreten Ideen auf mich zukommen und wir dann in den Austausch gehen. Aber konkrete Ideen für kommende Projekte kann ich noch nicht verraten. Die größere Vision ist auf jeden Fall, weiterzumachen. Viele spannende Bücher auf die Welt zu bringen und mit den Schwierigkeiten, die die Branche hat, umzugehen. Denn die Branche ist großartig: Ich bin so viel im Austausch.

Hier in Hamburg gibt es zum Beispiel die Liste unabhängiger Verlage. Das ist eine Möglichkeit zum Austausch, ebenso mit der Hamburger Kulturbehörde. Außerdem bin ich Teil der Initiative Verlage gegen rechts. Wir tauschen uns nicht nur aus der Verlagsperspektive aus, sondern auch mit Autor*innen, Kreativen, Illustrator*innen, Lektor*innen. Und das auf eine warme und pulsierende, gute Art und Weise. Ich frage mich nicht immer, was sind die ganz großen Ziele vom Ankerwechsel Verlag, sondern kann auch im Kleinen sehr viel mitgeben und mitnehmen.

Karoline Gebhardt, geboren 1994 in Reinbek, ist Ex-Landesmeisterin im Bogenschießen. Zu dem Hobby kam sie durch den Film „Plötzlich Prinzessin“. Heute schaut sie lieber koreanische Filme mit Untertiteln. Bei Metal-Konzerten crowdsurft sie und landete dabei schon im legendären Club Logo auf der Bühne. Im Bachelor studierte sie Bibliotheks- und Informationsmanagement und recherchierte als Werkstudentin bei der dpa für die Katastrophen-Warn-App Nina. Für „Szene Hamburg“ testete Karo Restaurants und schmiedete für eine Reportage ein Küchenmesser. Karoline ist besessen vom Thema Quiz, ob im Pub oder im TV - sie selbst bezeichnet sich als Günther-Jauch-Ultra. Kürzel: kar