Elias Dadé ist Maler in Hamburg. Mit 13 Jahren floh er aus Tschetschenien. Seit zehn Jahren macht er Kunst. Wie er dazu kam und wie sich die Berufe Krankenpfleger und Maler ergänzen, hat uns der 34-Jährige bei einem Gespräch in der Zwei Raum Galerie erzählt.

FINK.HAMBURG: Wie bist du zur Kunst gekommen?

Elias Dadé: Ich habe angefangen zu malen, als meine Mutter abgeschoben werden sollte. Das war vor etwa zehn Jahren. Ich war beruflich ausgebrannt, arbeitete Vollzeit als Krankenpfleger und hatte noch Nebenjobs, um die Anwaltskosten zu finanzieren. Wäre meine Mutter abgeschoben worden, hätten mein Bruder und ich sie begleitet. Denn ich verdanke es ihr, dass ich hier bin und mich so bunt entfalten kann. Als mir eines Abends alles zu viel wurde, saß ich in meinem Zimmer und hatte das Bedürfnis zu malen. Ich bin direkt in die Europapassage gegangen und habe mir ein paar Tuben Ölfarbe und eine kleine Leinwand gekauft. Mein erstes Bild habe ich mit einem Fensterwischer gemalt und es hängt immer noch bei mir zu Hause.

Elias will mit seiner Kunst in den Austausch mit anderen Menschen kommen.
Eine Gesellschaft ist bunt und verstrickt. Foto: Stella Bruttini.

Wie kommt es, dass du als Gesundheits- und Krankenpfleger arbeitest?

Elias Dadé: Mit 13 Jahren bin ich aus Tschetschenien nach Deutschland geflohen. In Tschetschenien habe ich durch den Krieg viel Leid gesehen. Ursprünglich wollte ich Medizin studieren, um Menschen helfen zu können. Um praktische Erfahrungen zu sammeln, habe ich vorher eine Ausbildung gemacht. Aber dann habe ich schnell gemerkt, dass Medizin nichts für mich ist. In der Praxis war es eher wie Fließbandarbeit und ich hatte keine Zeit mehr, den Menschen zuzuhören. Das hat mich kaputt gemacht. Ich bin in meinem Beruf als Krankenpfleger geblieben. Parallel dazu habe ich mit der Malerei angefangen.

Mit dem Zerfall der Sowjetunion verlor die Zentralregierung in Moskau an Macht. Die Unabhängigkeitsbestrebungen Tschetscheniens führten zu zwei Kriegen mit Russland. 1999 begann mit dem Einmarsch russischer Truppen der zweite Tschetschenienkrieg, der 2009 offiziell für beendet erklärt wurde. Internationale Organisationen kritisieren regelmäßig schwere Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien, darunter Entführungen, Folter und Hinrichtungen.

Mit welchen Themen beschäftigst du dich in deiner Kunst?

Elias Dadé: Ich beschäftige mich mit gesellschaftlichen und psychologischen Themen. Ich male meine Beobachtungen, meine Meinung und meine Gefühle zu Situationen, die ich erlebt habe. Jedes Bild behandelt auf seine Weise verschiedene Themen, über die ich lange nachgedacht habe und für die ich oft keine Worte fand. Beim Malen finde ich dann die richtigen Worte.

Kannst du uns etwas Konkreteres über eines deiner Bilder erzählen?

Elias Dadé: Ja, dieses Bild hier zeigt meine Eindrücke von Deutschland, als wir aus Tschetschenien hierherkamen. Ich war überwältigt von all den Farben. Ich kam aus einer hochgradig radikalisierten muslimischen Gesellschaft. In Tschetschenien gab es kein einziges Haus, was noch gerade stand. Zum Glück war mein Zuhause liberal und ich konnte mich dort frei entfalten. Aber an Selbstverwirklichung war nicht zu denken. Jeder Haushalt hatte auf die eine oder andere Weise Leid erfahren und mindestens einen Menschen verloren. Hunger, Schutt und Bomben waren allgegenwärtig.

Und dann war ich plötzlich in Deutschland. Wir hatten kein Fernsehen oder andere Medien, alles war neu für mich. Zum ersten Mal sah ich tätowierte Menschen, es gab keine Kleidungsvorschriften. Ich sah gleichgeschlechtliche Paare, die sich in der Öffentlichkeit küssten. Das hat mich total umgehauen und ich dachte: Deutschland ist ein unglaubliches Land.

Ein buntes Kunstwerk, das Elias ersten Eindruck von Deutschland zeigt.
Isolierte Koexistenz von Elias Dadé. Foto: Stella Bruttini

Warum malst du?

Elias Dadé: Der Dialog mit anderen Menschen ist meine Inspirationsquelle. Wir leben in einer Bubble und das digitale Zeitalter verstärkt das noch. Wenn ich meinen Youtube-Account oder ein anderes Portal öffne, funktionieren die Algorithmen so, dass ich genau die Inhalte bekomme, an die ich sowieso schon glaube. Ich werde in meiner Meinung bestätigt und bleibe letztlich in meiner eigenen Echokammer. Ich glaube, Kunst ist gerade dafür da, dass man mit den Leuten ins Gespräch kommt.

Wie geht es nach der Ausstellung weiter?

Elias Dadé: Ich habe noch keinen Plan. Als Nächstes werde ich wieder ein paar Monate Vollzeit als Krankenpfleger arbeiten. In dieser Zeit male ich meistens nicht, aber ganz aufgeben möchte ich meinen Beruf auch nicht.

“Ich beschäftige mich mit gesellschaftlichen und psychologischen Themen. Ich male meine Beobachtungen, meine Meinung und meine Gefühle zu Situationen, die ich erlebt habe.”

Vermisst du das manchmal beim Malen?

Elias Dadé: Ja, auf jeden Fall. Kunst ist nicht objektiv. In der Medizin ist alles genormt. Es gibt ein Problem und ich weiß, was zu tun ist. Am Ende, wenn jemand entlassen wird, weiß ich, dass ich gute Arbeit geleistet habe. Ich versuche, die Nachhaltigkeit, die ich in der Medizin schaffe, durch den Austausch über meine Kunst zu erreichen.

Wie gelingt dir dieser Austausch?

Elias Dadé: Für mich ist es wichtig, über meine Kunst zu sprechen. Einige in der Kunstszene denken, dass Kunst für sich selbst sprechen muss. Sobald man darüber spricht, beeinflusst man den Betrachter oder die Betrachterin. Ich sehe das anders. Für mich ist es wichtig, mit Menschen über meine Arbeit zu sprechen. Ich gebe meine Bilder gerne weiter, ich will sie nicht behalten. Aber es fällt mir schwer, sie einer Galerie zu geben, die damit nur Geld verdienen will und ich nicht mehr involviert bin. Vielleicht würde ich mehr verdienen, aber das ist nicht mein Ziel.

Die Galerie befindet sich im Keller eines Hinterhauses auf St. Pauli.
Ein Blick in die Zwei Raum Galerie. Foto: Stella Bruttini

Mit einem Bachelorabschluss in Tourismusmanagement liegt ihr Fernweh nahe: Patricia Zippel, Jahrgang 1997, hat schon alle Kontinente bereist - nur Australien fehlt ihr noch. In Hamburg ist sie schon seit 2020. Für das Netzpiloten Magazin produzierte sie hier einen Podcast über Themen wie digitale Kunst oder nachhaltige Handys. Danach absolvierte sie ein Redaktionsvolontariat bei dem Magazin “Flow”. Sprachlich bleibt Patricia ihrer Geburtsstadt Gera treu. Nischel, Ganker oder Konsum - typisch ostdeutsche Wörter sammelt sie mit einer Freundin in einer Whatsapp-Gruppe. Ihr Plan: Diese ins Norddeutsche schmuggeln, vielleicht auch auf die FINK-Website. Kürzel: zip

Stella Bruttini, geboren 1997, hat bei ihrem ersten Casinobesuch in Las Vegas direkt den Hauptgewinn am Einarmigen Banditen abgestaubt: Einen Dollar eingesetzt und 1000 Dollar gewonnen. Der Gewinn wurde danach ordentlich für den restlichen Urlaub verpulvert. Mit dem Auto ging es durch den amerikanischen Westen. Stella stammt aus Kiel und hat dort PR und Marketing studiert. Nach ihrem Bachelor testete sie sich beim Online-Stadtmagazin "Mit Vergnügen Hamburg" durch alle Restaurants Hamburgs - am liebsten isst sie Pasta. Ihr Traum folgerichtig: Irgendwann mal an den Gardasee auswandern, aber niemals ohne ihren Kater Steven. Kürzel: ini

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