Junge Erwachsene sind laut einer aktuellen Studie so unglücklich wie noch nie. Dabei sollten die 20er die beste Zeit sein. FINK.HAMBURG-Redakteurin Katja Niko erklärt, warum wir unser Verständnis von Glück hinterfragen sollten.

Titelbild: Illustration von Maria Hüttl, Icon: Illustration von Elizaveta Schefler

Die Stimmung unter jungen Menschen kippt. Das ist zumindest das Ergebnis der aktuellen Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“. Wir sind psychisch stark belastet, gestresst (51 Prozent) und erschöpft (36 Prozent). Glücklich und unbeschwert? Fehlanzeige. Aber ist es gesund, wenn wir unser Glück erzwingen?

Serie „Aus den 20ern”
FINK.HAMBURG hat Menschen unter Dreißig befragt, welche Themen sie gerade beschäftigen. Diesen Themen wurde jeweils eine Folge gewidmet – um sie zu diskutieren, Lösungsansätze zu bieten und einen Raum zu kreieren. Anna (20) hat gesagt: „Viele Leute sollten sich die Frage stellen, wie sie zu dem Ziel kommen, dass sie glücklich werden.“ Die Serie erscheint jeden Donnerstag auf FINK.HAMBURG.

Der schmale Grat zwischen Glück und Unglück

Als ich 18 wurde, habe ich die wohl ungesündeste Suche nach dem schnellen Glück begonnen. Ich wollte mich maximal vergnügen und Nervenkitzel spüren: Partys, toxische Beziehungen, Selbstfindung. Diese Zeit war zwar hin und wieder großartig, das Glück jedoch nie von Dauer. Im Gegenteil: Die pausenlose Jagd nach Endorphinen hat mich depressiv gemacht – ich wollte zu viel, zu schnell. Meine Erfahrung deckt sich mit dem, was man aus der Glücksforschung weiß. Eine Studie der Universität Bochum und Otto Beisheim School of Management von 2019 fand heraus: Wer verzweifelt nach dem Glück jagt, kann auch unglücklich werden.

„Die ständige Jagd nach Endorphinen hat mich krank gemacht – ich wollte zu viel, zu schnell.”

Rechteckiges Icon als Gesicht. Die Augen sind als Sterne abgebildet.
Eine Reihe: „Aus den 20ern”. Illustration: Elizaveta Schefler.

Gibt man im Internet die Worte „20er glücklich sein“ ein, erscheinen über acht Milliarden Suchergebnisse. Zahlreiche Websites locken mit einer Liste an Übungen, wie man glücklich wird. Ich halte das für absoluten Schwachsinn, denn das eine Rezept für Glück, das gibt es nicht. Es ist individuell und bedeutet für jede Person etwas anderes. Manche empfinden Glücksgefühle bei einer Beförderung, für andere sind es die sozialen Kontakte, viel Geld oder eine Partnerschaft.

Zufrieden sein lohnt sich

Seitdem ich wieder gesund bin, definiere ich glücklich sein anders für mich. Ich renne dem Glück nicht mehr hinterher, sondern halte ihm viel lieber in Ruhe die Tür auf. Noch besser: Die Frage sollte nicht „Wie werde ich glücklich?“ heißen, sondern „Wie werde ich zufrieden?“. Denn damit geht für mich ein Gefühl der Ruhe und des Seelenfriedens einher. Für den Psychologen Philipp Mayring ergibt sich Zufriedenheit aus einer grundsätzlichen Haltung dem Leben gegenüber. Deshalb hält es besonders lange an und ist nicht abhängig vom Kontostand oder beruflichen Erfolg.

„Meine Definition von Glück hat sich verändert: Ich bin lieber zufrieden.”

Sport als langfristige Dopamin-Quelle

Heute bedeutet „zufrieden sein“ oder „glücklich sein“ für mich, eine Leidenschaft gefunden zu haben, die mich erfüllt. Diese Leidenschaft habe ich in der Leichtathletik entdeckt. Sprinten kann man sich vorstellen wie einen rauschartigen Zustand – man wird süchtig nach der Geschwindigkeit, die man mit den eigenen Beinen erzielt. Es fühlt sich an wie fliegen. Dass ich mich auch Tage nach dem Training so gut fühle, liegt wahrscheinlich auch am Serotonin, bekannt als Wohlfühlhormon. Wer regelmäßig Sport treibt, erhöht seinen Serotonin-Spiegel in der Regel dauerhaft, sodass Glücksempfinden und Zufriedenheit nachhaltig steigen. Eine super Sache, wie ich finde.

„Sprinten fühlt sich an wie Fliegen. Das ist mein perfekter Cocktail für Glück und Zufriedenheit.”

Hinzu kommt: Wenn ich an der Startlinie stehe, renne ich einzig und allein für mich selbst. In der Wissenschaft wird diese Form des Glücks als „intrinsisches Glück“ bezeichnet. Es wirkt, ähnlich wie Zufriedenheit, langfristig und ist unabhängig von äußeren Einflüssen, so der Neurobiologe Gerhard Roth in einem Interview mit Focus Online. Man erfreut sich an dem, was man gerade tut – rein aus innerer Begeisterung heraus.

Glück: Kein Wettlauf gegen die Zeit

Fest steht: Egal, was Glück oder Zufriedenheit für dich ausmachen, die 20er sind doch sowieso viel zu kurz, um das herauszufinden. Denn seien wir mal ehrlich: Haben wir dafür nicht unser ganzes Leben lang Zeit? Wir sollten uns vom Druck und der Erwartung lösen, ständig glücklich sein zu müssen. In diesem Sinne: The best is yet to come!

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Katja Niko, Jahrgang 2001, mag keinen Kaffee, ist aber trotzdem immer hellwach. Die passionierte Leichtathletin mit Spezialgebiet Sprint wird auf eine Profikarriere leider verzichten müssen: Schon zweimal hat sich ihre Kniescheibe aus ihrem eigentlichen Aufgabenbereich verabschiedet. Dafür wächst die Fan-Foto-Sammlung weiter – ganz oben auf der Liste: ein Selfie mit der schnellsten Frau Europas. Nach sieben Semestern Journalistik und diversen Medienpraktika hat Katja beschlossen, ihre Heimatstadt Stuttgart zu verlassen und in eine echte Medienstadt zu ziehen. Auf ein Bad in der Elbe verzichtet sie aber vorläufig – in Australien musste sie schon einmal von der Küstenwache aus dem Pazifik gerettet werden. Kürzel: kat

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