Mariybu macht Musik für die queere Community. Ihre Lieder: süß, provokant, drüber. Im Interview mit FINK.HAMBURG erzählt sie, warum es gar nicht so schlimm ist, wenn Leute bei ihrer Musik auch mal sauer werden.

Foto: Katja Ruge

„Was soll ich im Himmel, wenn es da keine Babes gibt? Steck mich in die Hölle, weil ich mehr als nur straight lieb,” singt Mariybu auf ihrem Debüt-Album „Slaybae”. Mariybu kommt ursprünglich aus Hamburg, lebt aber mittlerweile in Berlin. Ihren Musikstil ordnet sie in das Genre Hyperpop ein. Was sie mit ihren Liedern erreichen will und wie sie mit Hass und Beleidigungen im Internet umgeht, erzählt sie FINK.HAMBURG nach ihrem Auftritt beim Vogelball 2024.

FINK.HAMBURG: Du kommst gerade frisch von der Bühne. Wie war’s?

Mariybu: Es war mega krass. Der krasseste Moment war, als ich kurz runter zur Crowd gegangen bin und dann Blümchen zu mir kam, mich umarmt hat und meinte: „Tolles Konzert.” Ich bin fast gestorben. 

Gibt es einen Song, den du am liebsten vor der Crowd performst? 

Gute Frage. Was mir immer richtig Spaß macht, sind neue Sachen. Aber das macht der Crowd nicht so viel Spaß, weil die die neuen Songs noch nicht kennen. „Was soll ich im Himmel?” macht mir aber immer extrem viel Spaß, weil wir da eine kleine Choreo haben und das einfach pure Queer-Joy ist. 

Der Vogelball ist ja auch ein queeres Festival, das jedes Jahr am Tag des CSD in Hamburg stattfindet. Fühlt sich das dann nochmal anders an hier auf der Bühne zu stehen?

Mariybu
In Berlin hat Mariybu ihr Zuhause gefunden. Foto: Katja Ruge

Voll! Vor großen Festivals wie dem Deichbrand oder so denke ich immer: Okay, mal gucken, wie die Leute das finden. Aber hier habe ich mich einfach mega gefreut, weil ich wusste ich: Das ist Hamburg, hier habe ich mal gewohnt und es ist ein queeres Festival – das wird geil. Es ist von der Community für die Community.

Du warst gerade erst auf Tour. Wie war es, die erste eigene Tour zu spielen?

Letztes Jahr habe ich schon die ersten vier Termine gespielt und dann dieses Jahr eine erste größere Tour. Das war auf jeden Fall eine krasse Erfahrung. Krass schön. Einfach, weil die Leute, die da sind, mich alle kennen.

So eine Erfahrung hatte ich vorher noch nie, weil ich anfangs erstmal bei irgendwelchen Festivals gespielt habe, um halt bekannter zu werden. Und es fühlt sich so krass an, jetzt zu wissen, dass die Leute sich ein Ticket für mich kaufen. Zu sehen, wie die alle den Text kennen, sodass ich zwischendurch das Mikro in die Masse halten kann und weiß, die singen mit. Das ist so heftig.

Es war teilweise auch richtig überfordernd, weil ich damit emotional gar nicht umgehen konnte. Am Ende bin ich ja genauso wie die anderen in der Community, bloß stelle ich mich mit einem Mikrofon auf eine Bühne. Das ist einfach ganz schwer zu fassen. 

Du sagst, du machst Hyperpop. Kannst du mal erklären, was das eigentlich ist? 

Für mich ist Hyperpop auf jeden Fall drüber. So fühlt sich meine Emotionswelt auch an und deswegen passt es voll zu mir. Für mich bedeutet Hyperpop einfach: extreme Sounds, verzerrte Sounds, kaputte Sounds. Teilweise auch extrem süße Sounds, glitchy oder extrem doll. Bei dem neuen Projekt, an dem ich jetzt arbeite, habe ich zum Beispiel super viel Hardstyle mit reingemischt. Hyperpop ist nur so ein Überbegriff für extrem. Einfach doll.

„Wenn Kunst gar nichts mit dir macht, finde ich sie einfach super langweilig.”

Ich liebe es auch zu übertreiben – in meinem Alltag mit Outfits, mit Glitzer, mit knappen Outfits, mit Texten. Kunst, die Leute irgendwie wütend macht, super happy macht oder einfach irgendetwas macht mit den Leuten, das ist für mich Kunst. Und wenn Kunst gar nichts mit dir macht, finde ich das einfach super langweilig. Ich freue mich auch, wenn Leute ein bisschen sauer werden. Dann habe ich mit meiner Kunst auf jeden Fall etwas erreicht.

Angefangen hast du mit Rap. Wie bist du denn dann zum Hyperpop gekommen?

Ich habe Deutschrap gemacht und auch überhaupt erst angefangen Musik zu machen, weil ich ein Ventil für Wut gesucht habe. Und dann war Deutschrap für mich genau die richtige Musik, um auf patriarchale Missstände aufmerksam zu machen. Dafür eignet sich Hip-Hop einfach sehr gut. Irgendwie habe ich dann aber Lust gehabt mehr zu singen und auch mal eine sweetere Seite von mir zu zeigen. Seitdem ich mit der Musik angefangen habe, hat sich das viel verändert, auch, weil ich seitdem eine Therapie mache, mich natürlich die ganze Zeit weiterentwickle und dann musikalisch auch irgendwie etwas anderes machen wollte. Mein Engineer, der meine Mix-Masters macht, hat mich dann irgendwann gefragt, ob ich Hyperpop kenne. Ich habe erst „Nein” gesagt, aber dann hat er mir Songs gezeigt und ich habe gemerkt: Doch, das kenne ich! Ich wusste keinen Namen dafür, aber das ist genau das, was ich liebe.

Dann bin ich für ein paar Wochen komplett abgetaucht und habe gar nichts anderes mehr gemacht, außer Hyperpop-Artists zu suchen. Ich produziere meine Musik selbst, deshalb kommt das, was in meinem Kopf ist, dann auch genauso raus. Damals sollte ich eigentlich ein Deutschrap-Album machen, aber ich musste meinem Label sagen: Sorry, es kommt gerade nur Hyperpop raus. Wir machen jetzt ein Hyperpop-Album.

Mariybu
Mariybu ist wichtig, dass ihre Kunst etwas mit den Hörer*innen macht. Foto: Katja Ruge

Wie ist das denn bei deinen Songs. Du hast ja schon angesprochen, dass du darin auch deine Gefühlswelt verarbeitest. Was möchtest du den Menschen darin mitgeben?

Es ist das Schönste, wenn ich es schaffe, Leute zu empowern und ein gemeinsames Gefühl für die Community in der Community zu schaffen. Mir ist wichtig, dass die Leute nach dem Konzert nach Hause gehen und sich stärker fühlen, sich schöner fühlen, sich glücklicher und zugehöriger fühlen. 

Du bist viel auf Social Media unterwegs, nimmst deine Fans mit oder promotest deine Songs. Wie wichtig ist das für dich und deine Musik?

Die meiste Zeit nutze ich Social Media gerne. Aber wenn ich keinen Bock habe, dann poste ich auch mal tagelang nichts. Für mich ist dabei vor allem der Austausch mit der Community wichtig. Wenn ich eine Story mache, dann reagieren Leute darauf, schreiben mir etwas und ich schreibe wieder zurück. Dadurch kommt so ein Communitygefühl auf, das total schön ist. Ohne Social Media würde ich gar nicht wissen, wer die Leute sind, die meine Musik hören. Das wäre irgendwie voll schade.

Das klingt total schön, aber leider hat Social Media ja auch eine andere Seite, die du dort auch schonmal selbst angesprochen hast. Wie gehst du mit Hass im Netz um? 

Ich muss sagen, der Hate ist weniger geworden. Nein. Der Hate ist nicht weniger geworden, aber ich weiß mittlerweile, wann ich Hate bekomme. Ich habe gecheckt, mit was ich die Leute provoziere und bevor ich so etwas poste, überlege ich mir immer: Schaffe ich es gerade psychisch damit umzugehen oder nicht? Wenn die Antwort nein ist, dann stelle ich die Kommentare aus oder lege fest, dass nur Leute, die mir folgen, kommentieren können. Wenn dann doch Hate kommt, ignoriere ich das oder lache darüber. Aber eigentlich ist es schon sehr schlimm. Manchmal ging es mir auch richtig, richtig schlecht. Seitdem mache ich diese limitierte Kommentarfunktion oder poste manchmal auch etwas nicht, weil ich weiß, ich würde es gerade nicht schaffen, mit den Reaktionen umzugehen.

„bevor ich so etwas poste, überlege ich mir immer: Schaffe ich es gerade psychisch damit umzugehen oder nicht?”

Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft. Was steht als nächstes an?  

Auf jeden Fall wird demnächst wieder ein größeres Projekt von mir kommen. Da freue ich mich sehr drauf. Und weitere Releases und nächstes Jahr wieder eine Tour. Wenn jetzt alles so bleibt, wie es ist, wäre das mega. Wahrscheinlich wird es sogar noch ein bisschen größer. Das wäre auch mega. Ich freue mich einfach, wenn ich es schaffe, dabei psychisch gesund zu bleiben, meine Friends immer noch genug zu sehen und genug Zeit für mich zu haben. Das ist das Wichtigste für mich in der Zukunft.

Gegensätze ziehen Kristin Müller, geboren 2001 in Ulm, regelrecht an. Sie wuchs in Baden-Württemberg auf, spricht allerdings kein Schwäbisch, trinkt gerne Guinness, mag aber eigentlich kein Bier und hat sich tierisch über den Cliffhanger aus Crescent City aufgeregt – nur um den nächsten Band nicht zu lesen. Nach ihren journalistischen Anfängen bei der Walsroder Zeitung landete sie während des Studiums im Community Management des Stadtportals “bremen.de” und bei der Social Media Agentur Himmelrenner. Für den Master wurde die selbsterklärte Bremen-Liebhaberin schließlich zur Wahl-Hamburgerin. Kein Gegensatz, wie Kristin findet.
Kürzel: mü

Sarah Bayerschmidt, Jahrgang 2001, kommt aus Amberg, ihre bayerische Herkunft verrät ihr Nachname oder die Aussprache des Wortes „furchtbar“. Studiert hat sie Journalistik in Eichstätt. Beim ZDF im Landesstudio Berlin hat sie über Blockadeaktionen der Letzten Generation berichtet und war bei einem Klebetraining dabei. Ein anderes Thema, das ihr wichtig ist: Tattoos. In einer Podcast-Folge für das ZEIT-Wissen Magazin hat Sarah eine Tätowiererin begleitet und mit einem Tattooforscher darüber gesprochen, was die Körperkunst für Menschen bedeutet. Sie selbst trägt unter anderem am Bein einen Zeichentrickhasen (mit Zeitung in der Hand!) und den Spruch „wird schon“.

Kürzel: bay