Der Plan war klar – die Volksentscheide zum Grundeinkommen und Klimaschutz sollten zusammen mit der Bundestagswahl 2025 entschieden werden. Doch dann zerbrach die Ampel-Koalition und die Neuwahl wurde vorgezogen. Was bedeutet das für die Volksentscheide?
Die Stimmzettel für die beiden Volksentscheide „Hamburger Zukunftsentscheid” und „Hamburg testet Grundeinkommen” liegen direkt neben neben dem Stimmzettel für die neue Bundesregierung. So hätte es aussehen sollen im Herbst 2025. Dann zerbrach die Ampel, die Bundestagswahl findet voraussichtlich bereits am 23. Februar 2025 statt.
Herausforderung für Volksentscheide
Für die Hamburger Volksentscheide ist die vorgezogene Neuwahl eine Herausforderung. „Das bringt große Probleme, weil unsere Chancen im September dadurch sinken”, sagt Gregor Schürmann, Vertrauensperson von „Hamburg testet Grundeinkommen”. Der Grund? Ohne Bundestagswahl ist es schwieriger, Hamburger*innen zur Urne zu bringen.
Um zu verstehen, was die vorgezogene Neuwahl für die Volksentscheide konkret bedeutet, ist es wichtig zu wissen, wie die direkte Demokratie in Hamburg funktioniert. Damit Gesetze direkt vom Hamburger Volk verabschiedet werden können, müssen sie drei Schritte durchlaufen: Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid. „Zukunftsentscheid” und „Grundeinkommen” haben schon zwei davon geschafft.
Volksinitiative, Volksbegehren, Volksentscheid – was meint was?
Im ersten Schritt, der Volksinitiative, haben jeweils über 10.000 Hamburger*innen den Gesetzesentwürfen zugestimmt. Das Parlament musste sich mit den Anträgen auseinandersetzen, hat sie aber nicht umgesetzt. Daher kam es zum zweiten Schritt: dem Volksbegehren. Dafür sind im Herbst 2024 Helfer*innen mit Warnwesten durch Hamburg gelaufen. Beide Begehren – „Grundeinkommen” und „Zukunftsentscheid” – haben bis Oktober um die 100.000 Stimmen gesammelt und waren somit erfolgreich.
Jetzt hat die Bürgerschaft vier Monate Zeit, die Begehren umzusetzen. Wegen dieser Frist können die Volksentscheide nicht einfach vorgezogen werden – das wäre gesetzeswidrig. Wenn die Bürgerschaft die Anliegen nicht innerhalb der Frist umsetzt – was eher unwahrscheinlich ist –, kommt es zum Volksentscheid.
Für einen erfolgreichen Entscheid müssen mehr Menschen „Ja” als „Nein” ankreuzen. Zusätzliche Herausforderung: Mindestens 20 Prozent der Wahlberechtigten, knapp 300.000 Hamburger*innen, müssen zustimmen. Gehen genug Menschen wählen und stimmen für „Ja”, muss das Gesetz sofort umgesetzt werden. Mit einer Bundestagswahl sei das eher möglich. Schürmann sagt: „Das extra für unser Thema irgendjemand hier in Hamburg das Haus verlässt oder Briefwahl macht, das ist schon seltener.” Der letzte erfolgreiche Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze im Jahr 2013 fand ebenfalls gemeinsam mit einer Bundestagswahl statt.
“Hamburg wählt” ohne Bundestagswahl
„Zukunftsentscheid” und „Grundeinkommen” wollten also zusammen mit der Bundestagswahl abstimmen, dann zerbrach die Ampel. „Das ist erstmal ein ‘Okay was passiert jetzt?’”, sagt Yann Kinkel vom „Hamburger Zukunftsentscheid”. Gleichzeitig verändere sich ohne Bundestagswahl im Grunde wenig: „Ein Volksentscheid ist ja auch eine Wahl. Das heißt, es wird auch Wahllokale, Briefwahl und Wahlbenachrichtigungen an alle Hamburger*innen geben.” Laut Kinkel müssten die Ehrenamtlichen aber mehr Arbeit investieren, um die Hamburger*innen zu überzeugen, dass Klimaschutz wichtig genug sei, um wählen zu gehen. Das gilt auch fürs Grundeinkommen.
„Da müssen wir durch. Die Alternative ist vier Jahre warten und bis dahin ist das Thema vergessen”, so Schürmann. Der Entscheid zum Grundeinkommen findet voraussichtlich im September statt. Schürmann sagt, dass sie die Wahl gerne mit dem Zukunftsentscheid zusammen machen würden – „quasi einen Tag ‘Hamburg wählt’”. Vielleicht sogar mit der dritten Initiative „Hamburg werbefrei”, die im Frühling 2025 erst noch Unterschriften für den zweiten Schritt sammeln muss.
Um was es bei den Volksentscheiden geht
Doch um was geht es bei den Entscheiden eigentlich? Das Ziel der Initiative Grundeinkommen: In Hamburg soll das Grundeinkommen getestet werden. Im Gesetzesentwurf steht, dass 2000 Hamburger*innen über drei Jahre unterschiedliche Varianten von Grundeinkommen bekommen sollen. Weiter heißt es im Gesetzesentwurf, dass der Versuch wissenschaftlich begleitet und staatlich finanziert werde.
Nach eigenen Angaben wird „Hamburg testet Grundeinkommen” finanziert durch private Spenden und Fördergelder von Stiftungen. Schürmann sagt: „Wir wollen mit diesem Volksentscheid das Grundeinkommen nicht einführen, sondern wir wollen einfach mehr darüber wissen. Die Grundfrage sei: „Was macht das Grundeinkommen überhaupt mit den Menschen?”
Strengerer Klimaschutz für Hamburg
Der Zukunftsentscheid will ein strengeres Klimaschutzgesetz für die Stadt Hamburg. Der Entscheid möchte das Gesetz auf drei Ebenen anpassen: Erstens soll Hamburg schon 2040, statt wie gerade geplant bis 2045, klimaneutral werden. Ein zweites Ziel ist es, jährliche Klimaziele einzuführen, die auch stärker kontrolliert werden. Und drittens sollen diese Ziele auch sozialgerecht gestaltet werden.
Kinkel sagt: „Wir schaffen ein Gesetz, was eine Art Rahmen für den Klimaschutz und die CO2-Reduktion in Hamburg darstellt.” Neben “Fridays for Future” wird der Zukunftsentscheid unter anderem noch von dem Naturschutzbund Nabu, dem BUND und der Gewerkschaft Ver.di unterstützt.
Volksentscheid bereits in Berlin gescheitert
Beide Gesetzesentwürfe – „Zukunftsentscheid” und „Grundeinkommen” – sind bereits in ähnlicher Form in Berlin gescheitert. Für den Klima-Volksentscheid sind 2023 nicht genug Berliner*innen wählen gegangen. Bei der „Expedition Grundeinkommen”, wie die Initiative in Berlin hieß, kam es 2022 erst gar nicht zum Volksentscheid. Der Verein „Expedition Grundeinkommen” arbeitet allerdings auch an der Hamburger Kampagne zum Grundeinkommen mit. Nun also in Hamburg der zweite Versuch. Schürmann sagt: „Wir wollen einfach nur, dass möglichst viele Hamburger sich entscheiden, dafür oder auch dagegen. Ganz transparent, ganz offen.”
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Jana Rogmann, Jahrgang 2000, aus Kevelaer, ist den Berliner Marathon schon einmal in unter zwei Stunden gelaufen - allerdings auf acht Rollen: im Sportunterricht gab es Inline-Skating als Wahlfach. Nach einem sozialen Jahr an einer Schule in Bolivien war sie sicher, dass sie nicht Lehramt studieren würde. Sie entschied sich für Komparatistik und English Studies in Bonn, arbeitete bei der WDR-Lokalzeit in der Online-Redaktion und moderierte eine Musiksendung beim Uni-Radio. Einzige musikalische Regel: alles außer Schlager. In ihrer Kolumne in der Rheinischen Post schrieb sie mal über “Uni in der Handtasche” in Zeiten der Pandemie, mal über ihr abgeschnittenes Haar. Seit einem Praktikum beim KiKA kann sie perfekt Kinderstimmen imitieren, will aber lieber Journalismus für Erwachsene machen. Kürzel: rog