Der Bundeskanzler muss zum dritten Mal vor der Hamburger Bürgerschaft zum Thema Cum-Ex aussagen. Dieses Mal im Fokus: die HSH Nordbank. Was erhofft sich die Opposition von der Befragung – und ist eine Aufklärung überhaupt noch möglich?
Am Freitag sagt Bundeskanzler Olaf Scholz erneut vor dem Ausschuss der Hamburger Bürgerschaft aus. Seit 2020 bemüht sich der Ausschuss um Aufklärung. Ursprünglich stand die Warburg Bank im Zentrum der Ermittlungen, doch 2022 erweiterte der Ausschuss auf Drängen der Linken und der CDU die Untersuchung auf die HSH Nordbank.
Diese hatte, ebenso wie die Warburg, über Jahre hinweg Millionen Steuern durch Cum–Ex–Betrug erbeutet. Diese 126 Millionen Euro zahlte die HSH Nordbank der Stadt zurück, doch viele Fragen bleiben offen. Neuen Recherchen des Stern zufolge betrieb die HSH nicht nur Cum–Ex, sondern auch äußerst fragwürdige Cum–Cum–Geschäfte, die mittlerweile illegal sind. Dabei soll die HSH-Nordbank zwischen 2003 und 2012 rund 275 Millionen Euro von der HSH Nordbank erbeutet haben.
Olaf Scholz zum dritten Mal im Zeugenstand
Auf der Zeugenliste des Ausschusses stehen am kommenden Freitag prominente Gäste, die bereits zum Thema Warburg befragt wurden: Bundeskanzler Olaf Scholz und Hamburgs Erster Bügermeister Peter Tschentscher. Doch was erhofft sich die Opposition von den Befragungen? Konrad Duffy, Experte für Finanzkriminalität, sagt: “Die Opposition kann hier zeigen, dass Warburg und Scholz kein Einzelfall sind, sondern dass es eine enge Verbindung zwischen Hamburger Politik und Banken gibt. Außerdem wird es natürlich spannend, wie jetzt dieser neue Cum-Cum Vorfall im Ausschuss am Freitag behandelt wird.”
Bei Bürgermeister Tschentscher kann man beweisen, dass er eine Grenze überschritten hat, indem er sich in das Verfahren der Warburg Bank eingemischt hat.
Farid Müller, der für die Grünen im Ausschuss sitzt, sagt, dass die Opposition mit dem Antrag im Dunkeln tappt. “Der Cum–Ex–Skandal ist eines der schlimmsten Ausplünderungsprojekte in der Bundesrepublik”, doch er betont, dass nicht davon auszugehen sei, dass stand heute Olaf Scholz politischen Einfluss genommen hat.
Für Duffy ist diese Grenze nicht so eindeutig, “Bei Bürgermeister Tschentscher kann man beweisen, dass er eine Grenze überschritten hat, indem er sich in das Verfahren der Warburg Bank eingemischt hat. Bei Olaf Scholz ist es schon schwieriger, doch sein Verhalten im Ausschuss und seine Erinnerungslücken lassen nicht erkennen, dass er an einer Aufklärung interessiert ist”.
Wie schuldig sind die Hamburger Behörden im Fall der HSH Nordbank?
Nachdem 2013 Medienberichte über Cum–Ex–Geschäfte bei der HSH Nordbank aufgekommen waren, beauftragte der damalige Vorstand der Bank die Wirtschaftskanzlei Clifford Chance mit einer internen Untersuchung. Die Kanzlei fand 29 Fälle von erstatteter Kapitalertragsteuer zwischen 2008 und 2011 in Höhe von 112 Millionen Euro. Ihre Erkenntnisse fasste die Kanzlei im sogenannten “Saturn–Bericht“ zusammen, der bereits 2014 der Hamburger Staatsanwaltschaft vorlag.
Doch die Staatsanwaltschaft unternahm nichts. Konrad Duffy sagt dazu: “Die Hamburger Staatsanwaltschaft zeigte damals ein viel zu zaghaftes Vorgehen bei Cum–Ex und hätte aktiv werden müssen. Das wirft die Frage auf, warum das nicht geschah und erst viel später im Jahr 2021 von der Kölner Staatsanwaltschaft die Bank durchsucht wurde.“
“Manche Beamte erklärten, dass sie den Bericht weglegten, weil sie schon das Vorwort nicht verstanden hatten.“
Auch der Hamburger Finanzbehörde lag der “Saturn-Bericht” vor, doch genauso wie die Staatsanwaltschaft stellte die Finanzverwaltung keinerlei weitere Nachforschungen an. Müller, der im Ausschuss mit einigen Beamten gesprochen hat, sagt: “Manche Beamte erklärten, dass sie den Bericht weglegten, weil sie schon das Vorwort nicht verstanden hatten.“
Die Behörde war unterbesetzt und den Banken zu keinem Zeitpunkt gewachsen gewesen, sagt Müller. “Die Finanzverwaltung war überfordert und man ließ sie damals mit ihrem Problem allein.” Für ihn gäbe es nur eine Lösung: die Finanzbehörden besser auszubilden, um künftig solche Steuerschlupflöcher schneller zu erkennen und gezielter unterbinden zu können.
Wie funktionierte der Cum-Ex Betrug
Die Cum–Ex–Betrugsmasche drehte sich um den Handel mit Aktien. Die Finanzbehörde zahlte für eine Aktie Kapitalertragsteuer an mehrere Banken zurück. Finanzakteure nutzten komplizierte Konstruktionen, bei denen Aktien zwischen verschiedenen Parteien hin– und hergeschoben wurden, um den Steueranspruch zu verschleiern. Vereinfacht gesagt, ließen sich Banken wie die Warburg und HSH Nordbank Unmengen Steuern vermeintlich zurückzahlen, die sie in Wahrheit niemals gezahlt hatten. Dadurch erbeuteten die deutschen Banken insgesamt schätzungsweise 10 Milliarden Euro.
“Die HSH Nordbank ist zuvor mehrfach von Steuergeldern gerettet worden und hat zur selben Zeit den Steuerzahler beklaut.”
Bei gewöhnlichen Betrugsmaschen steht immer eine geschädigte Person am Ende. Cum–Ex ist komplizierter, so kompliziert, dass selbst die Finanzbehörden jahrelang den Betrug nicht erkannten. Die geschädigte Person sind wir alle. Bisher wurden von den 10 Milliarden Euro schätzungsweise lediglich 1 % zurückgezahlt. Besonders im Falle der HSH Nordbank ist das bitter, sagt Duffy: “Die HSH Nordbank ist zuvor mehrfach von Steuergeldern gerettet worden und hat zur selben Zeit den Steuerzahler beklaut.”
Mirjam Hutten, geboren 1999, interviewte für die Schülerzeitung schon Auma Obama, die Schwester des ehemaligen US-Präsidenten. Ursprünglich wollte sie das Familienhotel “Am Torturm” übernehmen und studierte daher Wirtschaftswissenschaften in ihrer Heimatstadt Würzburg. Sie entschied sich jedoch gegen das Hotel und bekam ein Stipendium als Videojournalistin der Media School Bayern. Für den Münchner Sender M94.5 moderierte sie das Format “Pocket News” und lief vor der Kamera einen Halbmarathon aus dem Stand. Zurück in Würzburg schrieb Mirjam für die “Main-Post” einen Artikel über das Organspende-Tattoo und ließ es sich auch gleich stechen. Ihr Ziel: Podcasts für die “Süddeutsche Zeitung” entwickeln und Michelle Obama interviewen.
Kürzel: jam