Eine Frau, die im Auge den Schatten eines Mannes hat.
Was hilft gegen Femizide und Gewalt gegen Frauen? Illustration: Paula Härtel

Fast jeden Tag wird in Deutschland eine Frau getötet. Wegen ihres Geschlechts. In den ersten zwei Wochen des Jahres gab es auch schon einen mutmaßlichen Femizid in Hamburg. Frauenhass zieht sich durch alle Schichten einer patriarchalen Gesellschaft. Wie können wir der Gewalt begegnen? 

Illustration: Paula Härtel

Das Jahr 2025 ist gerade mal zwei Wochen alt. Zwei Wochen und schon gab es den ersten mutmaßlichen Femizid in Hamburg. Am 3. Januar wurde die Polizei gegen 20.30 Uhr zu einem Einsatz nach Groß Borstel gerufen, wo die Beamt*innen eine durch Messerstiche schwer verletze Frau im Treppenhaus fanden. Für die Frau kam jede Hilfe zu spät, sie starb noch vor Ort.

Der Ehemann war mit dem gemeinsamen Kind vom Tatort geflüchtet. Eigentlich nicht die Reaktion, die man von einem Lebenspartner erwarten würde. Es sei denn, er ist der mutmaßliche Täter. Gegen den Ehemann wird noch am selben Tag ein Haftbefehl erlassen und wegen Mordes ermittelt.

Dass Frauen durch Männer getötet werden, mit denen sie in einem engen Verhältnis stehen, kommt häufiger vor, als erwartet: 2023 wurden in Deutschland 938 Mädchen und Frauen zu Opfern von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten. Diese Zahl entspricht einem Anteil von 32,3 Prozent aller Opfer von Tötungsdelikten. Fast jeden Tag stirbt in Deutschland eine Frau durch einen Femizid. In Hamburg wurden 2023 so 13 Frauen getötet, sechs weitere überlebten einen Tötungsversuch. Die polizeiliche Kriminalstatistik unterscheidet hier nicht zwischen Frauen und FLINTA* – also Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen, die aufgrund ihrer Geschlechtsidentität patriarchal diskriminiert werden.

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ bietet Frauen, Personen aus deren sozialem Umfeld und Fachkräften unter der Nummer 116 016 rund um die Uhr kostenlose, barrierefreie und anonyme Beratung auf Deutsch und 18 Fremdsprachen an.

„Gewalt gegen Frauen gibt es in ganz unterschiedlichen Formen und Strukturen”, erklärt Traumatherapeutin Iris Hannig. Es gebe Gewalt, die in normalen Konfliktsituationen auftritt als eine Art von Eskalation, wobei es um Impulskontrollprobleme gehe. Das sei überwiegend körperliche Gewalt. “Und dann gibt es die Gewalt, die der systematischen Kontrolle und Unterdrückung dient. Da ist psychische Gewalt dabei – aber auch sexualisierte Gewalt”, so Hannig. Diese Männer würden eher dazu tendieren, Konflikte mit Gewalt zu lösen. “Das sind dann auch die, die aus Rache töten oder töten, weil die Frau sie verlassen will oder zu verlassen droht”, so Hannig weiter.

Was ist ein Femizid?

Das Wort Femizid bezeichnet die Tötung von Frauen oder Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Das bedeutet, dass Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind. Es kann sich hierbei um Mord, Totschlag oder eine Körperverletzung mit Todesfolg handeln. Der Begriff wurde in den 1970er Jahren erstmals von Feministinnen genutzt, um zu verdeutlichen, dass ein Großteil der Tötungsdelikte an Frauen auf geschlechtsspezifischer Gewalt basiert. Die häufigste Form des Femizids fällt in den Bereich der Partnerschaftsgewalt. Es gibt außerdem den sogenannten „Ehrenmord“, bei dem der Tod einer Frau in den Augen des Täters dem Ansehen eines Mannes oder ihrer Familie geschadet haben soll. So soll die „Familienehre“ wieder hergestellt werden.

Femizide sind Hassverbrechen

Für 2024 gibt es noch keine Zahlen. Für die vergangenen Jahre lässt sich ein Trend erkennen: die Fallzahlen steigen von Jahr zu Jahr. Der Ausreißer, ein sprunghafter Anstieg der Fallzahlen im Jahre 2020, beruht auf der Corona-Pandemie. In häuslicher Isolation waren Frauen und Mädchen der Gewalt oft schutzlos ausgeliefert. Hilfe durch Behörden oder andere Organisationen zu erhalten, war kaum möglich. Die Datenlage zu Femiziden in Hamburg ist unübersichtlich. Ein Beispiel: Um im Presseportal der Polizei auf eine Liste an Ergebnissen zu stoßen, muss man statt des Wortes "Femizid" nach dem Stichwort "Ehemann" suchen.

Neben den offiziellen Meldungen existiert eine Dunkelziffer. Dunkelfeldstudien zeigen, dass 25 Prozent aller Frauen mindestens einmal körperliche oder sexualisierte Gewalt durch ihren Lebenspartner erfahren und zwei von drei Frauen sexuelle Belästigung erlebt haben. Im Bereich der Femizide gibt es keine Schätzungen. Hannig nimmt allerdings an, dass das Dunkelfeld hier nicht ganz so groß ist wie bei häuslicher oder sexualisierter Gewalt im Allgemeinen, da bei (versuchtem) Mord häufig die Polizei hinzugezogen wird.

Femizide fallen in den Bereich Hasskriminalität, denn das Motiv zur Tatbegehung ist schlicht und einfach Frauenhass. Dieser zeigt sich vor allem in der ablehnenden Haltung der Täter gegenüber der Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung der Geschlechter und lässt sich auf immer noch bestehende patriarchale Denkmuster und Strukturen zurückführen.

Woher kommt dieser Frauenhass?

Kulturelle und religiöse Prägungen spielen bei Femiziden eine große Rolle. Männer, die in besonders patriarchalen Strukturen aufgewachsen sind, neigen eher dazu, partnerschaftliche Konflikte mit Gewalt zu lösen. Bei Femiziden geht es darum, die Frau zu unterdrücken und die männliche Macht und Kontrolle zu verteidigen. Die WHO bezeichnet Femizide als den äußersten Akt eines weiten Spektrums von Gewalt gegen Frauen.

80 Prozent der Tötungsdelikte werden von Ehemännern oder aber auch Ex-Ehemännern begangen. Am stärksten gefährdet sind hier Frauen, die gerade durch eine Trennung oder Scheidung gehen, denn das bedeutet für den Mann einen Kontrollverlust. Ein Gedanke, der oft eine Rolle spielt: "Wenn ich sie nicht haben kann, soll sie niemand haben", sagt Hannig.

Die Opferhilfe Hamburg e.V. bietet seit mehr als 30 Jahren professionelle Beratung für Opfer von Straftaten an. Das Team besteht aus psychologischen und ärztlichen Psychotherapeut*innen. Die Beratung erfolgt telefonisch unter der Nummer 040 / 38 19 93 und vor Ort.

"Wir brauchen vernünftig erzogene Männer"

Gewalt gegen Frauen tritt in allen gesellschaftlichen Schichten auf, sagt Iris Hanning. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapeutin und Expertin für Traumatherapie und arbeitet bei der Opferhilfe Hamburg. Im Gespräch mit FINK.HAMBURG berichtet sie von ihrer Arbeit, erklärt, welche Warnsignale es in Beziehungen gibt und wie die Gesellschaft das Risiko von Gewalt und Femiziden verringern könnte.

FINK.HAMBURG: Was für Frauen wenden sich an die Opferhilfe?

Iris Hannig: Wir haben junge Frauen, wir haben ältere Frauen, wir haben Frauen mit Migrationsgeschichte, wir haben Frauen ohne Migrationsgeschichte, wir haben Frauen mit Kinder und welche ohne Kinder. Akademikerinnen und Arbeiterinnen. Gewalt kommt in jeder sozialen Struktur und Schicht vor.

FINK.HAMBURG: Gibt es Warnsignale, die auf Gewaltbereitschaft in einer Beziehung hindeuten?

Iris Hannig: Häufig beginnt es mit einer Überidealisierung nach dem Motto: „Du bist mein Engel, du bist meine Rettung. Ohne dich bin ich verloren." Dann gehört extreme Kontrolle und Eifersucht dazu. Ein Muster ist zudem, andere Familienmitglieder und Freunde schlecht zu machen, also die betroffene Frau zu isolieren, um eine Abhängigkeit zu erzeugen. Das sind dann nicht nur Warnsignale sondern bereits psychische Gewalt.

Frauen in Gewaltbeziehungen sind in einer wirklich schwierigen Situationen – auch weil sie sich so schämen.

FINK.HAMBURG: Können Freund*innen und Familie an dieser Stelle eingreifen?

Iris Hannig: Unbedingt. Das Wichtigste ist: Die Entscheidung, sich zu trennen oder etwas zu verändern, muss die betroffene Person selbst treffen. Als Bezugsperson kann man das Gefühl vermitteln, dass man da und ansprechbar ist. Man kann dabei helfen, eine professionelle Beratungsstelle zu finden. Aber Frauen in Gewaltbeziehungen sind in einer wirklich schwierigen Situationen – auch weil sie sich so schämen. Das ist Teil der Täterstrategie.

FINK.HAMBURG: Gibt es in Hamburg genug Beratungsstellen für betroffene Frauen?

Iris Hannig: Was heißt schon genug? Hamburg ist als Großstadt sehr gut aufgestellt und auch als rot-grün regierte Großstadt. Trotzdem haben wir viel zu wenig Plätze in Frauenhäusern. Wir sind an der Grenze unserer Kapazitäten. Und wenn wir mehr Stellen hätten und mehr Öffentlichkeitsarbeit machen würden, dann könnten wir auch noch mehr Frauen beraten. Wenn irgendwas hilft, dann ist es, Frauen anzusprechen.

FINK.HAMBURG: Hast du Ideen, wie man Gewalt gegen Frauen und Femizide verhindern kann?

Iris Hannig: Durch vernünftig und gewaltsensibel erzogene Männer. Sensibilisierung und Prävention von Anfang an – also bereits in den Kitas. Wir müssen männlich sozialisierten Kindern beibringen, Konflikte mit Worten und nicht mit Schlägen zu lösen. Und wir müssen Frauen und Mädchen sensibilisieren, wo bereits Gewalt anfängt und wie sie sich Hilfe suchen können. Und vor allem auch: Wir müssen Gewalt als Gesellschaft ächten.

Stella Bruttini, geboren 1997, hat bei ihrem ersten Casinobesuch in Las Vegas direkt den Hauptgewinn am Einarmigen Banditen abgestaubt: Einen Dollar eingesetzt und 1000 Dollar gewonnen. Der Gewinn wurde danach ordentlich für den restlichen Urlaub verpulvert. Mit dem Auto ging es durch den amerikanischen Westen. Stella stammt aus Kiel und hat dort PR und Marketing studiert. Nach ihrem Bachelor testete sie sich beim Online-Stadtmagazin "Mit Vergnügen Hamburg" durch alle Restaurants Hamburgs - am liebsten isst sie Pasta. Ihr Traum folgerichtig: Irgendwann mal an den Gardasee auswandern, aber niemals ohne ihren Kater Steven. Kürzel: ini

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