Freundschaften verändern sich – vor allem in den Zwanzigern. Was früher selbstverständlich war, wird plötzlich durch neue Lebensrealitäten auf die Probe gestellt. Was passiert, wenn sich Lebenswege ändern und die enge Bindung zur besten Freundin plötzlich nur noch eine Erinnerung ist?
Titelbild: Illustration von Finja Frank, Icon: Illustration von Elizaveta Schefler
In meiner Handygalerie gibt es mehr als 2000 Fotos: Strandtage mit der Freundesgruppe, die erste Fernreise nach Kolumbien mit zwei Freundinnen, Bilder von ausgelassenen Uni-Partys. Jedes Mal, wenn ich sie durchschaue, fällt mir eine Person besonders ins Auge. Und jedes Mal zieht sich mein Herz ein wenig zusammen. Fast fünf Jahre lang waren wir unzertrennlich. Dann war es vorbei. Die Rede ist nicht vom Zerbrechen einer Beziehung, sondern vom Ende einer engen Freundschaft. Ich frage mich oft, warum eigentlich kaum jemand darüber schreibt, wie weh Freundschaftskummer tut? In Filmen und Liedern geht es immer um Liebeskummer, dabei ist das Ende einer Freundschaft oft genauso schmerzhaft und lehrreich.
Warum Freundschaften in den Zwanzigern zerbrechen
Wir lernten uns in der ersten Uniwoche kennen, wohnten nur wenige Meter voneinander entfernt und sahen uns fast täglich. Wir tanzten die Nächte durch, erlebten Trennungen und neue Beziehungen und lernten gemeinsam nächtelang für Prüfungen. Nach dem Studium zogen wir in dieselbe Stadt, wohnten zusammen, erzählten uns alles. Es schien, als könnte diese Freundschaft alles überstehen – bis sie es nicht mehr konnte.
Einer britisch-finnischen Studie zufolge schrumpft der Freundeskreis ab dem 25. Lebensjahr. Freundschaften, die in der Schule oder im Studium einfach entstanden sind, erfordern plötzlich Arbeit. Vielleicht liegt es an den Zwanzigern, dieser Lebensphase, in der alles in Bewegung ist: Die einen starten ihre Karriere, die anderen stürzen sich in ihr drittes Studium. Manche gründen eine Familie, andere scheitern schon an der Pflege ihrer Zimmerpflanze. Und während die einen es kaum erwarten können, erwachsen zu werden, wünschen sich die anderen, nie erwachsen werden zu müssen.
Es reicht nicht mehr, dass man mal viel gemeinsam hatte. Plötzlich braucht man ähnliche Interessen, ähnliche Prioritäten und oft auch einen ähnlichen Lebensstil. Freundschaft wird zur bewussten Entscheidung, die Planung und Einsatz erfordert. Und manchmal verschieben sich die Lebensrealitäten so sehr, dass sich die Wege trennen – nicht aus Mangel an Zuneigung, sondern weil sie einfach nicht mehr zusammenpassen. Eine weitere Studie von Psychologin Cornelia Wrzus und Kolleg*innen zeigt: Ab Anfang 30 zerbricht im Schnitt alle fünf Jahre eine Freundschaft. Übrig bleiben im Alter nur die wirklich nahestehenden Menschen.
Serie „Aus den 20ern“
FINK.HAMBURG hat Personen unter dreißig befragt, welche Themen sie gerade beschäftigen. Diesen Themen wurde jeweils eine Folge der Serie gewidmet – um sie zu diskutieren, Lösungsansätze zu bieten und einen Raum zu kreieren. Theresa (28) auf die Frage, was sie beschäftigt: “Ich achte viel mehr darauf, welche Freundschaften mir gut tun und in welche Freundschaften ich investiere. Ich musste lernen zu akzeptieren, dass manche Menschen auch nur Weggefährten sind und dass sich die Wege trennen, weil man in den Zwanzigern unterschiedliche Lebenssituationen hat.” Die Serie erscheint jeden Donnerstag hier auf FINK.HAMBURG.
Das Ende einer Freundschaft: Akzeptanz statt Schuld
Das Ende einer Freundschaft kommt oft leise, ohne großes Drama. Bei uns waren es schleichende Veränderungen: weniger Zeit, neue Freundeskreise, andere Interessen. Ich verstehe bis heute den genauen Grund nicht. Vielleicht lag es daran, dass wir uns auseinanderlebten: Wir stritten uns mehr, entwickelten unterschiedliche Vorstellungen von Freundschaft. Ich fühlte mich immer öfter missverstanden, während ich wohl selbst zu wenig Verständnis für meine beste Freundin hatte. Das Gefühl, dass diese Freundschaft nicht mehr passte, ließ mich einfach nicht los. Es war nicht die erste Freundschaft, die zu Ende ging, aber die erste, die sich wie eine Trennung anfühlte.
Damals war ich mir sicher, dass wahre Freundschaft ewig hält. Heute denke ich anders: Manche Menschen begleiten uns nur eine bestimmte Zeit unseres Lebens, und das ist auch okay so. Ich habe gelernt, dass Loslassen zum Erwachsenwerden gehört.
Mit einem Bachelorabschluss in Tourismusmanagement liegt ihr Fernweh nahe: Patricia Zippel, Jahrgang 1997, hat schon alle Kontinente bereist - nur Australien fehlt ihr noch. In Hamburg ist sie schon seit 2020. Für das Netzpiloten Magazin produzierte sie hier einen Podcast über Themen wie digitale Kunst oder nachhaltige Handys. Danach absolvierte sie ein Redaktionsvolontariat bei dem Magazin “Flow”. Sprachlich bleibt Patricia ihrer Geburtsstadt Gera treu. Nischel, Ganker oder Konsum - typisch ostdeutsche Wörter sammelt sie mit einer Freundin in einer Whatsapp-Gruppe. Ihr Plan: Diese ins Norddeutsche schmuggeln, vielleicht auch auf die FINK-Website. Kürzel: zip