Mehr Platz für Familien, günstige Wohnung für Senior*innen, die WG auflösen und umziehen: All das soll ein Wohnungstausch möglich machen. Doch geht das Konzept in Hamburg auf? Eine Datenanalyse.

Illustration, Titelbild: Florentine Sießegger

Ein leises Surren, ein kurzes Aufleuchten des Handy-Bildschirms. Kristina weiß genau, was das bedeutet. Die Push-Benachrichtigung: „Ein neues Tausch-Match für ihre Wohnung!”. „Vielleicht funktioniert es dieses Mal”, denkt sie und loggt sich in das Portal ein. So oder so ähnlich erlebt sie es gerade täglich, sagt sie uns.

Kristina ist auf der Suche nach einem Wohnungstausch. Das heißt zunächst einmal genau das, wonach es klingt: Zwei Menschen, die nicht zufrieden mit ihrer Wohnsituation sind, finden sich und tauschen ihre Wohnungen. Das Konzept geht nur für diejenigen auf, die schon in Hamburg leben. Für Kristina ist es das erste Mal, dass sie einen Wohnungstausch ausprobiert.

Ein Wohnzimmer mit großem Küchentisch und Holzboden.
Kristinas Wohnzimmer in Eimsbüttel. Foto: Privat

Lange Suche ohne Erfolg

Kristina ist 30 Jahre alt und arbeitet im sozialen Bereich. Ihr Gehalt ist überdurchschnittlich hoch. Eigentlich ist sie zufrieden mit ihrer Wohnsituation, sagt sie. Zweieinhalb Zimmer mit Balkon, mitten in Eimsbüttel. Hohe Decken, Holzdielen, Stuck. Doch für sie fehlt etwas Entscheidendes: Gemeinschaft. Deshalb hat sie beschlossen, mit zwei Freund*innen in eine WG zu ziehen. Da ihre aktuelle Wohnung dafür nicht groß genug ist, muss eine Neue her.

Neuvermietung ist oft teuer 

Die Suche nach einer neuen Wohnung gestaltet sich in Hamburg jedoch immer schwieriger. So ist die Stadt schon seit 2021 im Landesrecht als „Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt” geführt. Ein Grund dafür sind die stetig steigenden Preise für Wohnraum. 

Allein von 2022 bis 2023 stiegen die Mieten um durchschnittlich 5,8 Prozent. Vor allem auffällig: Angebots- und Bestandsmieten unterscheiden sich teilweise enorm. So kostet eine 60 Quadratmeter Wohnung in der Neuvermietung im Schnitt etwa 350 Euro mehr. Das macht den Wechsel in eine kleinere Wohnung für viele Menschen unattraktiv.  

Das Verteilungsproblem  

Dass die Bereitschaft, sich zu verkleinern, eher gering ist, zeigt auch eine vom Senat finanzierte Studie in Zusammenarbeit mit der HafenCity Universität aus November 2024. Rund 4300 Hamburger*innen wurden gefragt, wie zufrieden sie mit ihrer Wohnsituation sind. 85 Prozent sind demnach zufrieden mit ihrer Wohnung und Wohnsituation. Bei Senior*innen liegt die Zufriedenheit sogar bei 98 Prozent. Unzufrieden sind vor allem Familien mit Kleinkindern und mit geringem Einkommen.  

Hier zeigt sich ein zentrales Problem des Hamburger Wohnungsmarktes: die Verteilung. Paare oder junge Familien wollen sich häufig vergrößern, Senior*innen sich jedoch selten verkleinern. Daraus entsteht ein Dilemma: Im Schnitt wohnen ältere Menschen auf 20 Quadratmetern mehr als der Durchschnitt, oft mit attraktiven Bestandsmietverträgen.  

Weil Neuverträge fast immer teurer wären, lohnt sich ein Umzug in eine kleinere Wohnung meist nicht. Manchmal fehlt auch der Wille dazu. Das führt dazu, dass Menschen, die sich vergrößern wollen, keine Wohnung finden – obwohl es genügend große Wohnungen gäbe.     

Hamburger Wohnungen sind zu groß

Anke Hunold, Sprecherin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, macht für den Mieterverein Mieter helfen Mietern folgende hypothetische Rechnung: Verkleinert sich jede*r Hamburger*in nur um einen Quadratmeter, könne man bis zu 25.000 Wohneinheiten frei machen. 

Hamburg liegt im deutschen Vergleich der Wohnungsgrößen der Bundesländer auf dem vorvorletzten Platz. Im Schnitt leben Hamburger*innen auf einer Fläche von 76,4 Quadratmeter, beim Spitzenreiter Rheinland-Pfalz sind es beispielsweise 104,6 Quadratmeter. 

Trotzdem scheint es der Hansestadt an kleinen Wohnungen zu fehlen. So haben über die Hälfte der Hamburger Wohnungen vier Zimmer oder mehr. Fast 80 Prozent der Haushalte bestehen jedoch aus ein bis zwei Personen. Hier gelten zwei bis zweieinhalb Zimmer als angemessen.

Schere zwischen Haushalts- und Wohnungsgrößen

Immer höhere Einkommensbelastung

Ein weiteres Problem: Die rasante Steigerung der Mietkosten deckt sich nicht mit der Gehaltsentwicklung der Hamburger*innen. So gab ein Single 2023 im Schnitt knapp 40 Prozent seines Nettogehalts für Miete aus. Zum Vergleich: 2012 waren es noch etwas mehr als 30 Prozent. Die Folge: Viele Hamburger*innen können sich einen Umzug in eine geeignetere Wohnung nicht leisten.

Letzter Ausweg Tausch?

Wie schwer es ist, eine größere Wohnung für einen Tausch zu finden, merkt auch Kristina. Sie sucht bereits seit über vier Monaten mit ihren Freund*innen auf dem Portal „Tauschwohnung”. Dabei sind ihre Ansprüche noch recht gering: Ab 3,5 Zimmer, zentrale Lage, nicht über 2000 Euro warm. Vielleicht einen Balkon. Bei den vielen Online-Tauschinseraten hat sie gehofft, erfolgreich zu sein, sagt sie.

Diese Hoffnung teilten in den vergangenen Jahren immer mehr Menschen in Hamburg. Das Wohnungsportal Tauschwohnung hat sich seit 2011 auf die Vermittlung von Wohnungstauschen spezialisiert. Inserate, die hier veröffentlicht werden, können auch auf anderen Immobilienplattformen geschaltet werden.

Das Phänomen Wohnungstausch wächst

Auf der Webseite berichten Menschen von den Erfolgen der eigenen Anzeigen: WG-Auflösungen, Wohnungsverkleinerungen oder mehr Platz für Familien: All das verspricht das Prinzip Wohnungstausch. Aber kann das funktionieren? Für eine Datenanalyse hat die Tauschwohnung GmbH FINK.HAMBURG Daten der eigenen Plattform zur Verfügung gestellt.

Seit den ersten eingestellten Wohnungen hat die Zahl der Anzeigen in Hamburg stark zugenommen. Über 90 Prozent der gesamten Anzeigen wurden zwischen 2020 und 2024 geschaltet. Hamburg ist deutschlandweit die Stadt mit den meisten Anzeigen nach Berlin: Am 16. Januar 2025 gab es hier etwas unter 4300 aktiven Anzeigen, in Berlin rund 8800 Anzeigen. 

Im Vergleich zu anderen Portalen scheint der Wohnungstausch jedoch noch ein kleines Phänomen zu sein. Auf der Plattform Kleinanzeigen gab es 2023 etwa 88.500 Anzeigen in der Kategorie Immobilien in Hamburg. Im gleichen Jahr waren es 7478 neue Anzeigen auf dem Portal „Tauschwohnung“. Besonders viele neue Anzeigen gab es zwischen 2020 und 2024 im Bezirk Hamburg-Nord.

Viele bieten und suchen im Zentrum

Betrachtet man die einzelnen Stadtteile, wollten in den vergangenen beiden Jahren vor allem viele Hamburger*innen aus Eimsbüttel ihre Wohnungen tauschen. Fast 3000 Anzeigen gab es hier zwischen 2020 und 2024.

In den Stadtteilen mit hoher Tauschnachfrage gibt es gleichzeitig auch viele Wohnungen, was ein Blick auf die Stadtteilprofile für 2023 verrät. Und auch nach Tauschpartner*innen gesucht wurde vor allem in den zentralen Stadtteilen. Auf dem Wohnungsmarkt scheinen Tauschwohnungen für die Menschen eine immer attraktivere Möglichkeit zu sein – oder eben einer der letzten Strohhalme. 

Die Daten zu den Gesuchen errechnen sich aus den eingestellten Gesuchen bei jeder Registrierung auf dem Portal sowie aus jeder Änderung der Gesuche. Damit geben sie zwar sehr hohe Werte an, da auf eine suchende Person auch eine große Zahl an Gesuchen kommen kann – sie können jedoch eine Tendenz angeben, wo nach Tauschwohnungen gesucht wird.

Wohungstausch nur mäßig erfolgreich

Die Möglichkeit eines Wohnungstausches wird beliebter. Mehr Menschen scheinen sie nutzen zu wollen. Es kommt beim Wohnungstausch aber am Ende darauf an, ob die eigene Wohnung mit der Gewünschten matcht. Ob ich das biete, was die andere Seite möchte und umgekehrt. Größe, Stadtteil, Miete – die beiden Tauschpartner*innen müssen mit dem, was sie bekommen, zufrieden sein. Und die Vermieter*innen auch. 

Geschäftsführer John Weinert teilt FINK.HAMBURG mit, dass es deutschlandweit etwa 4000 erfolgreiche Wohnungstausche im Jahr 2024 über die Plattform „tauschwohnung.com” gab. Auf Hamburg heruntergerechnet seien es rund 500 gewesen. Damit sind etwa 6,2 Prozent der neuen Anzeigen 2024 erfolgreich gewesen. Davon, dass jede*r hier sein Perfect Match findet, ist man noch ein gutes Stück entfernt. 

2024 gab es in Hamburg auf „tauschwohnung.com” etwa 500 erfolgreiche Wohnungstausche.

Für Tauschwillige, insbesondere Senior*innen, hat auch die Behörde für Stadtentwicklung in Hamburg eine Koordinationsstelle Wohnungswechsel eingerichtet. Dem Senat zufolge waren von 31 bearbeiteten Vermittlungsversuchen zwischen 2019 und 2023 vier erfolgreich.

Hamburger*innen suchen nach mehr Platz – und sind zahlungswilliger

Vergleicht man Miete und Größe von Anzeigen und Gesuchen zwischen 2020 bis 2024 fällt auf, dass die Hamburger*innen tendenziell nach immer größeren Wohnungen mit weniger Zimmern suchen. Die gewünschten Mindestgrößen steigen schneller als die durchschnittliche Wohnfläche in den Anzeigen. 2024 wünschten sich Wohnungssuchende mindestens rund 66 Quadratmeter, die Anzeigen lagen aber im Schnitt bei etwa 65 Quadratmetern. Preislich sind Suchende dabei bereit, immer mehr Geld auszugeben. 

Das Bild bestätigt sich auch mit Blick auf die Stadtteile. Häufig liegt die Zahlungsbereitschaft in den Gesuchen weit über den durchschnittlichen Mietpreisen der Anzeigen. In Bezirken wie Eimsbüttel gab es im gleichen Zeitraum aber ein Vielfaches an Gesuchen im Vergleich zu den Anzeigen. Und gleichzeitig suchen die Menschen häufig nach mehr Platz als die Anzeigen bieten. Viele möchten sich eher vergrößern.

Möglicherweise ist die deutlich höhere Zahlungsbereitschaft auch ein Signal wachsender Verzweiflung. Es gibt wohl eine Kluft zwischen Anzeigen und Gesuchen – und auch grundsätzliche Probleme bei der Idee des Wohnungstausches.

Was bleibt: Das Potenzial muss besser genutzt werden

Wohnungstausch hat grundsätzlich das Potenzial, den Wohnungsmarkt zu entlasten. Bestehender Wohnraum könnte so bedarfsgerechter genutzt werden. Es gibt eine hohe Nachfrage nach einem Wohnungstausch. Dass er funktionieren kann, zeigen auch die Erfolgsgeschichten auf der Plattform. Etwa die von Hartmut, der sich erfolgreich verkleinert hat oder von Ewa, die ihre WG aufgelöst hat.

Allerdings ist das bei weitem nicht immer der Fall. Viele Tauschversuche auf dem Portal sind auch nicht erfolgreich. Viele Hürden, welche die Daten nicht direkt aufzeigen, könnten einem Tausch im Wege stehen.

Bislang gibt es keine rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Wohnungstausch. Seine Wohnung zu tauschen, bedeutet aktuell, dass beide Parteien ihre Mietverträge fristgerecht kündigen und neue Mietverträge abschließen. Beide Vermieter*innen müssen zudem zustimmen. Hinzu kommen die deutlich höheren Preise für Neuvermietungen. Deswegen lohnt sich ein Tausch für Beteiligte meist nicht.

Die Linken-Fraktion forderte daher 2023 ein Recht auf Mietwohnungstausch mit gleichbleibenden Mietkonditionen. Der Antrag an die Bundesregierung wurde jedoch abgelehnt.

Keine Kompromisse beim Warten auf die Traumwohnung

„Auch der freiwillige Wohnungstausch muss stärker beworben werden, etwa durch Plakataktionen“, sagt Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein. Ebenso seien Einrichtungen des Bezirksamts in der Pflicht, ältere Menschen anzusprechen. 

Laut Mietrechtsberaterin Rebekka Auf'm Kampe braucht es vor allem ein gesellschaftliches Umdenken: „Wenn die Menschen, die es sich eigentlich leisten können, große Flächen zu bewohnen, sich nicht in der Wohnfläche beschränken, werden wir niemals genug Wohnraum für alle haben.“

Mittlerweile schätzt Kristina ihre Erfolgschancen nicht mehr besonders groß ein, wenn das Handy vibriert. Zu hoch seien die Ansprüche vieler potenzieller Tauschpartner*innen, zu unverbindlich die Absprachen. Ihr Gefühl: Viele möchten keine Kompromisse bei ihrer Suche eingehen, immerhin hätten sie auch keine Not. Tauschen – das würden viele eher nebenbei versuchen und dabei einfach auf ihre Traumwohnung warten.

Laurenz Blume, Jahrgang 1999, behauptet von sich selbst, er mache die besten Zimtschnecken. Für die "Neue Osnabrücker Zeitung" schrieb er unter anderem über Schnecken im Garten, Schützenfeste im Norden und tickerte zu "Aktenzeichen XY". Während seines Praktikums bei Spiegel TV recherchierte er für das investigative Dokuformat "Die Spur", führte Vorgespräche mit Protagonisten und begleitete einen Dreh. In seinem Geburtsort Kiel absolvierte Laurenz den Bachelor in Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation. Ausgerechnet als Nordlicht stammt sein einziger Pokal von einem Skirennen. Die Zimtschnecken hätten aber auch einen verdient, sagt die FINK.HAMBURG-Redaktion. Kürzel: lab

Karoline Gebhardt, geboren 1994 in Reinbek, ist Ex-Landesmeisterin im Bogenschießen. Zu dem Hobby kam sie durch den Film „Plötzlich Prinzessin“. Heute schaut sie lieber koreanische Filme mit Untertiteln. Bei Metal-Konzerten crowdsurft sie und landete dabei schon im legendären Club Logo auf der Bühne. Im Bachelor studierte sie Bibliotheks- und Informationsmanagement und recherchierte als Werkstudentin bei der dpa für die Katastrophen-Warn-App Nina. Für „Szene Hamburg“ testete Karo Restaurants und schmiedete für eine Reportage ein Küchenmesser. Karoline ist besessen vom Thema Quiz, ob im Pub oder im TV - sie selbst bezeichnet sich als Günther-Jauch-Ultra. Kürzel: kar

Simon Laumayer, Jahrgang 1992, ist mit 16 Jahren schon Schulmeister im Bouldern geworden. Seit seinem Bachelorstudium Kulturwissenschaften in Lüneburg verdient er sogar Geld damit - als Routenbauer in der Boulderhalle. Auch im Urlaub klettert der gebürtige Hamburger. In einem selbst ausgebauten Van, einem Gärtnermobil, geht es zu Felsformationen, am liebsten in die Schweiz. Als Pressesprecher hat Simon mehrere Jahre fürs Lüneburger Musik- und Kulturfestival “Lunatic” gearbeitet und für den “Rolling Stone” schon den Indie-Künstler Sam Fender interviewt. Privat dröhnt allerdings Hiphop aus den Boxen seines Vans.
Kürzel: sil

Eva Rabbe, Jahrgang 1999, kreidet auf den Straßen ihrer Heimatstadt Braunschweig sexualisierte Gewalt an und gründete 2020 die Initiative Catcallsofbs. Ihren Bachelor machte sie in Medienmanagement in Salzgitter. Für ein Praktikum bei Jung von Matt zog sie nach Hamburg. Dort entwickelte sie als Werkstudentin Social Media Konzepte für diverse Unternehmen: Nur Corona hielt sie davon ab, für Adidas den Halbmarathon in Berlin zu laufen. Privat joggt und fotografiert Eva gerne. Mittlerweile probiert sie sich zudem auf der Bühne im Thalia Theater aus. Kürzel: rab

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