Das Bettelverbot ist ein Schritt weg von unserer Menschlichkeit. Wir steigen in den Zug mit unseren AirPods, unseren schicken Klamotten und unserem Deutschlandticket. Aber die Armut soll doch bitte draußen bleiben. Ein Kommentar von Pauline Böwing
Wer in letzter Zeit mal in der S-Bahn saß und den Blick von seinem Handy gehoben oder die Kopfhörer vergessen hatte, dem ist vielleicht etwas aufgefallen. Auf den Bildschirmen des Fahrgastfernsehens steht es und die Durchsagen geben es bekannt: In den Bussen und Bahnen des HVV gilt ein Bettelverbot.
Das Bettelverbot ist nicht neu. Es existiert bereits seit 2004 – allerdings nur auf dem Papier. Genauer gesagt in Paragraph 4, Absatz 4, Nummer 9 der allgemeinen Beförderungsbedingungen. Jedoch konnte nur, wer es bis Absatz 11 geschafft hat, nachlesen, dass bettelnden Personen ein Bußgeld von 40 Euro droht.
Seit einem Jahr setzt der HVV das Bettelverbot konsequenter durch. Fast 3000 Mal verhängten Kontrolleur*innen seitdem ein Bußgeld, wie aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linken hervorgeht. Ein lukrativer Nebenverdienst für die Hochbahn. Das Straßenmagazin „Hinz&Kunzt“ hat im März zusammen mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte und zwei Betroffenen Klage gegen das Bettelverbot eingereicht. Eine Entscheidung steht noch aus.
Geldstrafen gegen die Armut
In Hamburg ist jede fünfte Person von Armut betroffen. Das geht aus dem Paritätischen Armutsbericht 2024 hervor. Trotzdem steht für den HVV das Wohl ihrer zahlenden Fahrgäste an erster Stelle und von denen finden, laut einer Umfrage der Hochbahn, 86 Prozent Kontrollen und Platzverweise gut. Aber welchen Wert darf das Wohlbefinden der Gäste einnehmen, wenn es auf der anderen Seite um Menschen in Not geht? Diese Menschen betteln sicher nicht aus Spaß. Diese Menschen haben sich ihre Situation wohl auch nicht ausgesucht. Diese Menschen sind Menschen.
Sie sind bedürftige Menschen, die ohnehin kaum am alltäglichen Leben teilnehmen können. Wer ohne Fahrkarte öffentliche Verkehrsmittel nutzt, macht sich strafbar und muss mit einer Geldstrafe rechnen. Wer sich diese nicht leisten kann, dem droht laut Bußgeldkatalog eine Freiheitsstrafe. Das Bettelverbot zielt nun ebenfalls darauf ab, bedürftige Menschen von Bussen und Bahnen fernzuhalten. Ein Verbot, bei dem unsere Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft auf der Strecke bleibt.
pau
Pauline Böwing, Jahrgang 2003, lässt sich nicht von Telepromptern aus der Ruhe bringen und war sogar trotz Bombendrohung live auf Sendung beim Bayerischen Rundfunk. Die gebürtige Stuttgarterin hat schon in fünf Städten gewohnt, spricht vier Sprachen und war aus Versehen Komparsin bei “Willi wills wissen”. Sie studierte Kommunikationswissenschaft und im Nebenfach Jura in München, schrieb für die “Abendzeitung” und arbeitete beim ZDF. Ihr Auslandssemester hat sie in Leicester absolviert. Sport liebt sie, nur Fußball nicht. Trotzdem ist sie St. Pauli-Fan. Spitzname halt: Pauli. Kürzel: pau