Warum sind Menschen in Hamburg obdach- oder wohnungslos?

Neue Erhebung

Obdachlosigkeit in Hamburg: Ein Mann liegt in einem orangenem Schlafsack auf Betonboden, neben ihm ein beschrifteter Karton und ein Getränkebecher.
Die Gruppe Obdachloser in Hamburg wächst und wird diverser. Foto: pixabay

Wer lebt in Hamburg auf der Straße und warum? Zuletzt wurde das bei einer Erhebung 2018 untersucht, nun soll es eine erneute Befragung geben. Diesmal im Fokus: die Gesundheit der Befragten.

Der Hamburger Senat hat angekündigt, die Situation von Obdachlosen und Wohnungslosen im kommenden Jahr genauer zu erforschen. Derzeit geht die Sozialbehörde von rund 2000 obdachlosen Menschen in Hamburg aus. 2009 wurden Wohnungslose in Hamburg erstmals umfangreich zu ihrer Situation befragt, 2018 dann erneut. Fünf Jahre später fordert die Hamburger CDU-Fraktion nun eine erneute Befragung. Thematisiert wird im Antrag der CDU in diesem Zusammenhang nicht nur die Hilfe von Obdachlosen, sondern auch die Sicherheit von Hamburger*innen.

Wohnungslos sind laut Sozialbehörde Personen, die über keinen mietvertraglich abgesicherten oder eigenen Wohnraum verfügen und in staatlichen Einrichtungen leben – also auch dort untergebrachte Geflüchtete. 2022 zählte Hamburg 19.000 Wohnungslose.

Schwerpunkt: Gesundheitlicher Zustand

Die Umfrage solle sich laut Sozialbehörde voraussichtlich an den vorherigen Umfragen orientieren, um einen Vergleich zu ermöglichen. Ein Schwerpunkt der Studie 2018 war die Befragung Obdachloser mit nicht deutscher Staatsangehörigkeit und das Thema EU-Zuwanderung. Bei der Befragung im kommenden Jahr solle der gesundheitliche Zustand der Befragten im Fokus stehen. Diesen Vorschlag brachte die Regierungsfraktionen ein und ein Sprecher der Sozialbehörde bestätigte das Vorhaben. Auch von der antragstellenden CDU-Fraktion wurde diese Idee sehr begrüßt.

CDU spekuliert über Aggressivität und Sicherheit

Neben der Hilfe für Betroffene hat die CDU vor allem das Sicherheitsbedürfnis der Hamburger*innen im Blick. Andreas Grutzeck, sozialpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, betont gegenüber der Redaktion seine Sorge um die „Zunahme aggressiven Bettelns“. Eine zunehmende Durchmischung der Gruppen obdachloser und drogenabhängiger Personen sei außerdem zu beobachten. „Doch bisher ist dies nur ein Eindruck, der nicht verifiziert ist.“, so Grutzeck. Im Antrag der CDU wird deshalb auch eine Erfassung von drogensüchtigen Menschen gefordert.

Auch die Sozialbehörde beschäftigt sich mit dem Thema Drogenkonsum. Dieser führe zu Veränderungen im Verhalten der obdachlosen Menschen, zum Beispiel zu einer verminderten Ansprechbarkeit. Auch zu mehr psychisch bedingten Auffälligkeiten komme es. Die Aussagen über Aggressivität seitens der CDU seien laut Sozialbehörde spekulativ.

Obdachlosigkeit bis 2030 überwinden

Die Durchführung der Studie wird in der nächsten Bürgerschaftssitzung am 22. November Thema sein. Die Sozialbehörde hob hervor, dass „Hamburg als einzige Großstadt in Deutschland bereits drei umfangreiche Erhebungen zur Situation von obdach- und wohnungslosen Menschen veranlasst“ habe.

Auf Bundesebene sollen die Strategien gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit langfristig gebündelt werden. Seit 2022 gilt das Gesetz der Wohnungslosenberichterstattung – eine Dokumentation der Situation von Wohnungslosen, die jedes Bundesland alle zwei Jahr vorlegen muss. Bis Ende 2023 sollen die konkreten Methoden in einem bundesweiten Aktionsplan festgehalten werden. Das gemeinsame Ziel: Obdachlosigkeit bis 2030 „überwinden“.

Anfang des Monats teilte das städtische Unternehmen Fördern & Wohnen mit, dass aktuell 46.000 Personen öffentlich untergebracht seien. „Die Unterbringungskapazitäten in der Stadt sind zu über 97 Prozent ausgelastet“, heißt es dort. Der wichtigste Faktor für die Beseitigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bleibt die ausreichende Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum. Das geht aus dem Wohnungslosenbericht des vergangenen Jahres hervor.

apa

Anne Paulsen, geboren 1996 in Itzehoe, hat Flugangst, reiste nach dem Abitur aber trotzdem für ein Jahr auf die von der Klimakrise bedrohte Pazifikinsel Kiribati. Sie unterrichtete, pflanzte Mangroven und begann zu bloggen. Später schrieb sie für kleinere Magazine und eine NGO über Klimawandel und Nachhaltigkeit. In Hamburg studierte sie Religionswissenschaft. Auf den Salomonen hat sie den ersten Frauenboxkampf mitorganisiert und stieg auch selbst in den Ring. Einen Poetry Slam ohne Wettkampfcharakter zu organisieren, steht noch auf ihrer To-Do-Liste – dann würde sie sich vielleicht mit einem eigenen Gedicht auf die Bühne trauen. (Kürzel: apa)