Die Stadt verkauft Anteile am Hamburger Hafen, die HHLA-Umsätze brechen aktuell ein und der Maersk-Chef findet Bremerhaven sowieso besser. Vielleicht die wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt, einer der größten Häfen Europas, droht an Relevanz zu verlieren . Das muss sich ändern. Ein Kommentar.
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Vincent Clerc, Chef von Maersk und damit der zweitgrößten Reederei der Welt, sagte der „Zeit“ in einem Interview: „Nein, Hamburg ist nicht das natürliche Tor zur Welt“. Eine Aussage, die sitzt. Wie ein Schlag mit der Fischflosse mitten ins hanseatische Gesicht. Der Hamburger Hafen ist ein Wahrzeichen der Stadt. Ein Motor der Wirtschaft, eine Sehenswürdigkeit, ein wichtiger Teil der Hamburger Geschichte. Ein Ort, für den es sich zu kämpfen lohnt – oder?
“Nicht das Tor zur Welt” – in Bezug auf den deutschen Auto-Export stimmt das definitiv. Nicht Hamburg, sondern Bremerhaven ist einer der größten Autohäfen der Welt. Dort werden jährlich über 1,5 Millionen Fahrzeugen pro Jahr umgeschlagen. In Hamburg nur etwa 200.000 pro Jahr. Und was ist mit Lebensmitteln, Baustoffen, Getreide und Turnschuhen?
Hamburger Wahrzeichen in der Kritik
Hamburg ist der größte Hafen Deutschlands – weit vor Bremerhaven – in Bezug auf die Umschlagszahl von Containern. Der Hamburger Umsatz übersteigt den von Bremerhaven um eine Viertelmillion Euro. Mit der Gemini Cooperation der Hapag-Lloyd und Maersk könnte sich dies in Zukunft aber ändern. Der Hamburger Logistiker und die dänische Reederei arbeiten ab 2025 zusammen. Die Maersk Reederei hält Anteile in Bremerhaven. Dort ist der Hafen laut deren CEO Clerc günstiger. Günstiger nur für Anteilseigener*innen oder für alle Reedereien?
In Bremerhaven stehen moderne und leistungsfähige Anlagen. Der Bremerhavener Hafen übernimmt künftig einen Teil der Abfertigung. Ein Teil soll darüber hinaus nach Wilhelmshaven gehen – statt nach Hamburg. Das wäre ein Einschnitt in den Erfolg des Hamburger Hafens.
Was den Hafen ebenfalls schwächt sind Umsatzeinbrüche im ersten Quartal 2024 bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Der Senat hat Ende 2023 beschlossen, die Hälfte der Anteile des Hafens an die Mediterranean Shipping Company (MSC) zu verkaufen. Dann gehen 49,9 Prozent aus den Händen der Stadt in die Verantwortung der MSC, der größten Reederei der Welt.
Mit diesem Teilverkauf sollen mehr Container der MSC-Gruppe im Hamburger Hafen abgefertigt werden. MSC wechselt durch den Kauf der Anteile den Logistiker. Weg von Eurogate, hin zur HHLA. Die HHLA steht dann besser da, die Arbeitsplätze bei Eurogate könnten leiden.
Mehr als 60.000 Menschen sind in der Metropolregion Hamburg beruflich auf den Hafen angewiesen, bundesweit sogar fast 115.000. Mit diesen Arbeitsplätzen und Betriebswegen werden jährlich Steuereinnahmen und Wertschöpfungsketten in Milliardenhöhe erwirtschaftet. Viele Unternehmen hängen existenziell daran, dass das System funktioniert. Ein Hafen, der an Relevanz verliert, kann weitreichende Folgen haben. Nicht nur für die Stadt Hamburg und die Mitarbeiter*innen des Hafens. Auch Steuer- und Zolleinnahmen könnten einbrechen.
Hamburger Hafen – nur eine Geldverschwendung?
Es ist daher nachvollziehbar, dass der Unternehmensverband Hafen Hamburg und die Handelskammer Hamburg mehr städtische Investitionen fordern. In den Niederlanden oder in Belgien ist die finanzielle Unterstützung für Häfen Staatsaufgabe – in Deutschland nicht. 38 Millionen Euro im Jahr, die aktuelle Subventionssumme, reichen nicht aus für alle deutschen Seehäfen. Bei der Nationalen Maritimen Konferenz letzten September forderten die deutschen Küstenländer 400 Millionen, mehr als zehnmal so viel wie bisher. Die deutsche Politik und insbesondere die Stadt Hamburg sollten über den Stellenwert der maritimen Wirtschaft mitten in der Stadt noch einmal nachdenken.
Zwar argumentiert Clerc, die Kosten der Elbvertiefung von 100 Millionen Euro – jährlich – könne man sich sparen. In Bremerhaven, nur 100 Kilometer weiter, wäre es schon tief genug, sagt er. Allerdings hat Bremerhaven mit 115.000 Einwohner*innen eine kaum zu vergleichende Infrastruktur, selbst wenn der Hafen großes Potenzial hat. Die Waren müssen abgeladen werden, weiterverladen, auf Gleisen oder der Autobahn ins Inland gefahren. Personal muss zur Arbeit kommen. Bei einem stark wachsenden Hafen an der Nordseeküste müsste viel passieren in der Umgebung, ohne Arbeitnehmer*innen funktioniert kein Hafen der Welt.
Hamburg hat schon jetzt sowohl die Infrastruktur für Personal als auch Menschen, die in unmittelbarer Nähe wohnen. Es ist an der Stadt in den Hafen zu investieren, der Tourismus alleine wird nicht reichen. Die Infrastruktur des Hafens muss ausfinanziert sein, um am Weltmarkt mithalten zu können.
Oder geht es auch ohne Hafenwirtschaft? Der Schweizer Thomas Sevcik ist Metropolenberater. Er sieht in Hamburg eine Stadt, die sich dynamisch weiterentwickeln muss. “Der Hamburger Hafen wird sich irgendwann aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten und strukturellen Gründen selber schließen”, sagt er. London könnte ein Vorbild sein. Die britische Hauptstadt hatte eine wichtigen Hafen, hat immer noch einen. Der ist nur nicht mehr ganz so wichtig.
Der Hafen habe sich emanzipiert, das Stadtentwicklungsprojekt Docklands ihren Platz als Medien-, Finanz- und Handelszentrum gefunden. „Ein Verlust des physischen Hafens heißt noch lange nicht, dass Hamburg seine maritime Kompetenz verlieren muss”, so Sevcik. Das Hamburg von morgen könnte eine experimentelle Spielwiese sein. Auf dem bisherigen Hafengelände können Wohnungen entstehen, neue Zentren mit innovativen Konzepten zur Stadtentwicklung, Medienstandorte. Bisher noch ein Gedankenexperiment – das auf einige Hamburger*innen bedrohlich, auf andere erleichternd wirken könnte.
Egal, was im Kühlschrank steckt: Antonia Luca Fiedler, geboren 1999 in Winsen an der Luhe, verwandelt es in ein köstliches Menü. Kreativ sein liegt ihr, beim Bauer Verlag hat sie Grafikerin gelernt. Außerdem arbeitete sie für Hörfunk und Fernsehen: Sie schmierte vor der Kamera Brote für einen Margarine-Test beim ZDF Berlin, moderierte fürs Hitradio Namibia und sammelte O-Töne für Rock Antenne Hamburg. Für Antonia gilt: Einfach mal machen - auch bei der Jugendarbeit im Schützenverein oder im Eine-Welt-Laden. Studiert hat Antonia Medienwirtschaft und Journalismus in Wilhelmshaven. Kürzel: alf