Wer an den Klimawandel denkt, ist oft frustriert und fühlt sich machtlos. Im Interview erklärt der Nachhaltigkeits-Experte Professor Christian Berg, wie wir mit den psychischen Folgen des Klimawandels umgehen können.
Was macht der Klimawandel mit unserer Psyche? Diese Frage wurde am 10. Juni bei der Veranstaltung „Reden statt schweigen” von der Stiftung Freundeskreis diskutiert. Die Stiftung unterstützt Menschen mit einer psychischen Erkrankung und setzt regelmäßig spendenfinanzierte Projekte um. Einer der Gastredner*innen war der Nachhaltigkeits-Experte Christian Berg, Honorarprofessor an der TU Clausthal und Gastprofessor an der Universität des Saarlandes (siehe Kasten).
FINK.HAMBURG: Die Wissenschaft weiß, was im Kampf gegen den Klimawandel getan werden muss. Warum passiert trotzdem nicht genug?
Professor Christian Berg: Unser Fehler war zu glauben, dass Erkenntnis automatisch Handeln bewirkt. Jeder von uns kennt das aus dem Alltag: Man möchte mehr Sport machen, sich gesünder ernähren, weniger rauchen. Aber nur weil man weiß, dass das richtig ist, tut man es noch lange nicht. So ist es auch in der Gesellschaft. Hinzu kommt, dass in den Medien sehr häufig Klimaforschende befragt werden, was ich grundsätzlich richtig finde. Aber wir haben die Klimakrise viel zu lange als naturwissenschaftliches Problem betrachtet und noch nicht verstanden, dass die sozialen Bedingungen viel wichtiger sind. Die Klimakrise ist keine technologische Krise, sondern primär eine soziale. Es muss sich gesamtgesellschaftlich etwas verändern. Das müssen wir viel stärker in den Blick nehmen.
Was müsste man tun, um diese Transformation besser zu vermitteln?
Wenn ich Klimaschutz möchte, muss ich zunächst fragen: Wer sind die Benachteiligten? Diese Frage muss ich mir in einer Demokratie stellen, wenn ich Mehrheiten gewinnen möchte. Ich glaube auch, dass man das Verursacherprinzip durchsetzen muss: Diejenigen, die Umweltschäden verursachen, sollten auch zur Kasse gebeten werden.
Viele Menschen leben nachhaltig, realisieren aber, dass sie als Einzelperson das Klima nicht retten werden. Das frustriert. Wie gelingt es trotzdem, ein Vorbild zu sein?
Man darf nicht glauben, dass man die Welt rettet, indem man „nur” die richtigen Produkte kauft. Der Markt muss die richtigen Preise festlegen. Bis wir dahin kommen, ist ein nachhaltiger Konsum sehr wichtig. Bei manchen in der Gesellschaft habe ich den Eindruck, sie könnten ein bisschen mehr Moralpredigt gebrauchen. Aber bei vielen, die sich sowieso schon Mühe geben, würde ich eher entlasten und sagen: Du musst das Leben auch genießen.
Wie können insbesondere junge Menschen mit den Auswirkungen des Klimawandels umgehen?
Ich bin kein Psychologe, aber was ich aus meiner Lebenserfahrung sagen kann: Selbstwirksamkeit ist wichtig. Damit meine ich, dass man merkt, dass das eigene Handeln etwas bewirkt. Man ist nicht fremdgesteuert, sondern wird von seinen eigenen Zielen und Vorstellungen bestimmt. Ich habe aus der Glücksforschung gelesen, dass es eine sehr enge Beziehung zwischen dem persönlichen Glücksempfinden und der Selbstwirksamkeit gibt. Im Moment erleben wir durch verschiedene Trends das Gegenteil: Wir haben frustrierende Meldungen und das Gefühl der Ohnmacht. Zugleich gibt es die Trends aus den sozialen Medien – dauerndes Vergleichen und Selbstoptimierung. Beides ist der perfekte Cocktail für Frustration und Depression.
Das bedeutet konkret?
Wir brauchen kleine Schritte. Man muss zeigen: Wo kann jede und jeder einen eigenen Beitrag leisten? Das kann bei der Dekarbonisierung, beim sozialen Zusammenhalt oder bei einem Mehr an Transparenz sein, also dass ich mich für faire Bedingungen einsetze. Das kann aber auch beim Respekt vor der anderen Person beginnen. Es gibt viele Ansatzpunkte.
Was möchten Sie mit Ihrem Gastauftritt bei der Konferenz „Reden statt schweigen” erreichen?
Ich möchte vermitteln, dass uns der Klimawandel nicht in Resignation und Depression stürzen lassen darf. Wir sollten ein wenig den Druck rausnehmen. Es geht darum, in kleinen Schritten in die richtige Richtung zu gehen – wissend, dass wir eine Transformation brauchen, die nicht ausschließlich von uns selbst abhängig ist. Das kann dazu führen, wieder mit Lust Zukunft zu gestalten. Es liegt an uns, wie diese Zukunft aussehen wird.
Über Professor Christian Berg
Prof. Dr. Christian Berg ist Experte für Nachhaltigkeit: Er lehrt an der TU Clausthal sowie an der Universität des Saarlandes und ist Mitglied im internationalen Club of Rome. Zudem ist er als freiberuflicher Redner, Moderator und Coach für Nachhaltigkeit tätig.
Katja Niko, Jahrgang 2001, mag keinen Kaffee, ist aber trotzdem immer hellwach. Die passionierte Leichtathletin mit Spezialgebiet Sprint wird auf eine Profikarriere leider verzichten müssen: Schon zweimal hat sich ihre Kniescheibe aus ihrem eigentlichen Aufgabenbereich verabschiedet. Dafür wächst die Fan-Foto-Sammlung weiter – ganz oben auf der Liste: ein Selfie mit der schnellsten Frau Europas. Nach sieben Semestern Journalistik und diversen Medienpraktika hat Katja beschlossen, ihre Heimatstadt Stuttgart zu verlassen und in eine echte Medienstadt zu ziehen. Auf ein Bad in der Elbe verzichtet sie aber vorläufig – in Australien musste sie schon einmal von der Küstenwache aus dem Pazifik gerettet werden. Kürzel: kat