Lisa Gnutzmann fertigt Kostüme aus Abfall und zeigt ihre Arbeiten auf dem Recyclinghof St. Pauli. Im Interview mit FINK.HAMBURG spricht die Design-Studentin über ihre Entwürfe einer dystopischen Welt.
In 50 Jahren haben wir die Erde fast zerstört. Was bleibt, ist Müll. Reiche Menschen leben zurückgezogen in bewachten Metropolen, zu denen die Armen keinen Zugang haben. Es gibt nicht mehr genügend Nahrung und Wasser für alle. Kostümdesign-Studentin Lisa Gnutzmann hat diese dunkle Zukunftsvision für ihre Abschlussarbeit „Irgendwann bald“ an der HAW Hamburg gestaltet.
FINK.HAMBURG: Du hast eine Dystopie entwickelt. Könnte es nicht auch sein, dass die Welt in 50 Jahren viel besser ist?
Lisa Gnutzmann: Ich glaube, dass die Welt in 50 Jahren eigentlich gar nicht so anders aussehen wird als jetzt. Die Dystopie ist eher ein Gedankenspiel. Sie zeigt, was passiert, wenn es richtig nach hinten losgeht. Mir ging es auch gar nicht darum, mit dieser Arbeit Warnungen auszusprechen. Wie: Leute, trennt euren Müll besser! Die Kostüme sind eher das reale Resultat eines Gedankenspiels.
Du hast dir bestimmte Bewohner für diese Welt ausgedacht. Welche sind das?
Ich habe überlegt, welche interessanten Menschen es geben könnte. Da ist zum Beispiel der Eremit. Das ist eine Figur, die nicht in der Stadt lebt, sondern außerhalb in einer selbstgebauten Hütte. Mit solchen Menschen werden wir auch heute konfrontiert: Leuten, die sich nicht als Teil der Gesellschaft sehen, sondern als etwas Besseres oder Außergewöhnliches. Dann ist da noch eine Ärztin, die zeigt, wie die medizinischen Rahmenbedingungen dieser neuen Gesellschaft sind. Und es gibt zwei drogensüchtige Mädchen. Bei denen ging es eher darum, das Elend zu zeigen – wie sich Menschen wegdrönen, die das Leben nicht erträglich finden.
Fotografie spielt in deiner Abschlussarbeit eine große Rolle. Wie hast du mit der Fotografin Alena Sternberg zusammengearbeitet?
Alena und ich wollten abgesehen von normalen Fotografien auch Bewegtbilder produzieren. Es sind Videos entstanden, angelehnt an die Frage: Wo geht eigentlich die Fotografie hin? Bewegte Bilder werden immer wichtiger. Es gibt heute mehr kurze Videos statt Fotos, gerade in Online-Medien. Unsere Videos wirken wie statische Bilder mit minimaler Bewegung. Das sehen wir als eine Mischform aus Videojournalismus und klassischer Fotografie.
Welche Materialien hast du für deine Kostüme verwendet?
Vor allem Plastik! Aber eben auch viele andere Sachen. Ich habe zum Beispiel eine alte Coca-Cola-Fahne benutzt und daraus einen Rock gemacht. Oder aus Kronkorken einen Mantel und aus Plastiktüten ein Kleid. Ich habe auch aus all meinen Klamotten die Etiketten rausgeschnitten und Freunde gebeten, das Gleiche zu tun, damit ich aus dem Schildern einen Rock nähen konnte. Mich interessiert, was in unserer Welt alles weggeworfen wird.
Die Ausstellung „Irgendwann bald“ ist vom 25.5. bis 27.5. von 15 bis 22 Uhr auf dem Recyclinghof St. Pauli zu sehen. Lisa Gnutzmann und Alena Sternberg stellen einige Arbeiten auch im Rahmen des „Müllprojekt“ aus: Vom 3. bis 18. Juni finden auf dem Recyclinghof St. Pauli Workshops, Vorträge und Filmvorführengen zum Thema Müll statt.