Ob ein Leben im Bauwagen oder im Tiny House: Alternative Wohnkonzepte liegen im Trend. Aber wie funktioniert das Leben auf einem Bauwagenplatz? Und wie gestaltet man die minimalistische Wohnfläche effektiv?
Die Illustrationen und die Animation für diesen Artikel wurden von der HAW-Studentin Anna Nägel angefertigt.
Mitten in der Sternschanze stehen auf dem Wagenplatz Zomia Bauwagen und umgebaute LKWs nebeneinander. Der Raum hier ist überschaubar. Trotzdem: Auf dem Schotterplatz wohnen 15 Leute, unter ihnen Kai Mehring, 36 Jahre alt. Der Trend eines Lebens auf kleinem Raum ist schon seit den 80ern in Deutschland verbreitet – spätestens seit dem blauen Bauwagen von Peter Lustig aus der Kindersendung „Löwenzahn“. Der eine entscheidet sich für ein ruhiges Leben auf dem Land im Tiny House (auf Deutsch: kleines Haus). Ein anderer wählt den Trubel der Stadt in einem Bauwagen. Doch sie alle haben eines gemein: Ihr Leben spielt sich auf wenigen Quadratmetern ab – so auch bei Mehring.
Vom Zirkuswagen in den LKW
Er lebt seit acht Jahren auf Zomia und bewohnt einen schwarzen Lastwagen mit einem kleinem Holzhaus auf dem Anhänger. Vor einigen Jahren hat Mehring sich sogar nochmal verkleinert: Seinen acht Meter langen Zirkus-Packwagen tauschte er gegen das halb so lange mobile Haus. Das sei so eingerichtet, dass es den grundlegenden Bedürfnissen entspreche, so Mehring. “Man braucht einen Platz zum Schlafen und Stauraum.”
Er hat sein Bett möglichst hoch gebaut, um darunter Stauraum zu schaffen. Eine Faustregel ist das aber nicht, jeder richtet seine kleine Fläche anders ein. “Ich bin angewiesen auf einen Holzofen, eine kleine Küchenzeile und Sitzgelegenheiten, um Besuch zu empfangen“, so Mehring. In einem so kleinen Raum ein ganzes Leben unterzubringen, erfordert Kreativität und handwerkliches Geschick: „Vieles baut man sich selbst. Klassische Wohnmobile dagegen sind deutlich optimierter, was die Raumplanung betrifft”, sagt der 36-Jährige. “Das meiste darin ist aber unnötig. Hier noch ein Fach und da noch ein Regalbrett.”
Ein wenig Luxus gibt es allerdings auch: „Fenster, die nach außen aufgehen, sind heiß begehrt“ – die sparen Platz im Innenraum. Da ein LKW-Anhänger normalerweise keine Fenster hat, müssen auch diese selbst eingebaut werden. Auch Mehrings riesiges sternförmiges Fenster an der Rückseite des Wagens ist selbstgebaut und wirft viel Licht in sein Zuhause.
Für Wärme sorgt ein Holzofen
Was aber, wenn es draußen kalt wird? „Wir erfrieren im Winter nicht auf Zomia und wir können hier kochen“, sagt Mehring. Die Holzöfen, die Grundbestandteil eines jeden Bauwagens sind, können die kleine Wohnfläche bei kalten Außentemperaturen ausreichend beheizen. Der Wagenplatz Zomia hat gute Kontakte zu Baumpflege-Firmen. Wenn diese im Winter Bäume gefällt haben, benachrichtigen sie die Zomia-Mitglieder. Dann sei es besonders praktisch wie Kai einen LKW zu bewohnen, bei dem man die Fahrkabine vom Wohnraum trennen kann. Das Holz holt dann entweder Mehring selbst ab oder jemand, der gerade Zeit hat. Danach muss es zwei Jahre unter dem Bauwagen trocknen. Erst dann sei es in dem Zustand, dass man es hacken könne. „Diesen Knochenjob muss jeder einmal übernehmen“, so Mehring. Gekocht wird mit kleinen Gasöfen und Propangas.
100 Euro Miete in der Schanze
Doch was kostet das Leben auf wenigen Quadratmetern eigentlich? Die Miete, die man als Bauwagenplatz-Bewohnerin oder -Bewohner zahlt, sei häufig das Resultat endloser Debatten mit der Stadt, so Mehring. Die Stellplätze, die sich in Randbezirken Hamburgs befinden, zahlen wenig oder überhaupt keine Gebühren an die Stadt. Für die Zomia-Bewohnerinnen und -Bewohner liegt die Miete pro Kopf bei 60 Euro kalt. Hinzu kommen 40 Euro Nebenkosten durch Stadtreinigung, W-Lan, eine Stromleitung und ein Abkommen mit dem benachbarten Beach Club Central Park, die Wasserleitung mitbenutzen zu dürfen. „Wenn andere diesen Betrag hören, stutzen sie erstmal“, sagt Mehring. Dabei vergäßen die meisten aber, dass die 100 Euro Miete tatsächlich nur eine leere Schotterfläche umfassen. Sein Haus müsse man sich schon selbst mitbringen. Und die Toilette teilt man sich mit 14 anderen. Gemeldet sind die Wagenplatz-Bewohnerinnen und -Bewohner aber alle bei Freunden. Einen Bauwagenplatz in Hamburg lässt sich nicht als Meldeadresse angeben.
Ein Leben auf wenigen Quadratmetern ist zwar spartanisch, aber auch günstig. Man kommt mit ein paar Hundert Euro im Monat aus und muss dementsprechend weniger Arbeiten. „Wir setzen unsere Prioritäten anders. Die meisten von uns wollen mehr leben als arbeiten“, sagt Mehring. Trotzdem sei diese Wohnform nie sicher. Es könne immer passieren, dass der Platz plötzlich geräumt werden müsse und die Bewohnerinnen und Bewohner gezwungen sind umzusiedeln. Wer eine Familie gründen will und Sicherheit braucht, für den ist ein Bauwagenplatz also eher ungeeignet.
„Einmal Bauwagen, immer Bauwagen“
Umziehen könnte Mehring allerdings auch schnell. In seinem Wagen ist alles so konzipiert, dass er damit auch auf der Straße fahren kann, ohne das gesamte Inventar auszuräumen. Der Ofen ist festgeschraubt, andere Kleinteile können verstaut oder festgegurtet werden. „Aufräumen muss man trotzdem immer bevor man losfährt, damit nichts mehr lose im Wagen rumfliegt“, sagt Mehring. Für ihn ist jedenfalls eines klar: „Einmal Bauwagen, immer Bauwagen.“