Der Kreuzfahrt-Tourismus boomt und Hamburg feiert auch 2019 wieder die Cruise Days. Ein Grund zum Jubeln? Nicht im geringsten, findet FINK.HAMBURG Redakteurin Luisa Höppner.
Rekord! Noch nie liefen so viele Kreuzfahrtschiffe in den Hamburger Hafen ein wie 2018. Insgesamt dockten 220 Luxusdampfer an, die rund 915.000 Passagiere transportierten, so die Cruise Gate GmBH. Das sind etwa 100.000 Gäste mehr als 2017. Und das Jahr ist noch nicht vorbei. Für 2019 sind bereits zwei Schiffstaufen und sieben Erstanläufe geplant.
Während die einen die Korken knallen lassen, sollten die Anwohner an den Landungsbrücken spätestens jetzt in Atemschutzmasken investieren. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) bezeichnet Kreuzfahrtschiffe als “schwimmende Kleinstädte” mit immensem Energiebedarf. Angetrieben von Dieselmotoren. Sie stoßen beim Ein- und Auslaufen und während ihrer Liegezeit im Hafen Unmengen Ruß, Stickoxide und Schwefeloxide aus.
Im August gab die Deutsche Umwelthilfe die Bilanz der Stickoxidbelastung in verschiedenen Bundesländern bekannt. An den Landungsbrücken lag der Spitzenwert demnach im Juni 2018 bei 98,5 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Das ist mehr als doppelt so viel wie der EU-weit vorgeschriebene Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm. Damit ist die Waterkant der am meisten belastete Ort der Stadt. Von frischer Seeluft keine Spur. Wer hier lebt oder arbeitet, gefährdet seine Gesundheit. Stickstoffdioxid etwa (NO2) reizt die Atemwege, schädigt Schleimhäute und sorgt für rote Augen. Die Anfälligkeit für Infekte steigt, die Lungenfunktion kann beeinträchtigt werden. Laut Umweltbundesamt leiden besonders Menschen mit vorgeschädigten Atemwegen und Allergiker darunter. Vor allem Feinstaub kann auch die Gefäße schädigen und so Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen.
Ungenutzte Landstromanlage
Dabei ist die Infrastruktur vorhanden, um die Lage zumindest zu verbessern: Im April 2017 wurde eine Landstromanlage in Altona eingeweiht, die Kreuzfahrtschiffe während ihrer Liegezeit mit Ökostrom versorgen kann. Die Dieselmotoren stehen dann still. Eine mehrstellige Millioneninvestition! Wie viele Schiffe dieses Angebot genutzt haben? Eins. Die “Aida Sol”. Und das nicht einmal für die Hälfte ihrer zehn- bis 14-stündigen Liegezeit. Aus Kostengründen: Landstrom ist nach Angaben des NDR etwa drei Mal so teurer wie Marinediesel.
Nach Messungen des Nabu erreicht somit nur eines von 76 Schiffen umweltgünstige Werte. Und eine Änderung ist nicht in Sicht: Nach wie vor kommen Schiffe auf den Markt, die auf Schweröl setzen. Nachdem Hamburg die erste Stadt war, die für eine bessere Luftqualität Dieselfahrverbote im Straßenverkehr eingeführt hat, wäre es jetzt nur konsequent, auch in der Schifffahrt den politischen Hebel anzusetzen.
Dem Senat gehen offenbar die Argumente für die geringe Nutzung der Landstromanlage aus. Die Rede ist nebulös von „nautischen und operativen Gründen“, weitere Erläuterungen bleiben aber aus, wie aus einer Anfrage der CDU-Bürgerschaft an den Senat hervorgeht. Ralf Niedmers, Fachsprecher für Hafenwirtschaft (CDU), fordert mehr Transparenz. Es gäbe “weder Angaben zu Verbrauchszahlen oder Umsätzen noch zu Gründen für die nicht stattfindende – obwohl mögliche – Nutzung von Landstrom. Auch zu laufenden Verhandlungen im Bund oder einer Prognose für die kommenden Jahre äußert man sich nur vage”, so Niedmers in einem Statement.
Cruise Days: Höhepunkt der Umweltverschmutzung
Bei den schlechten Luftwerten wirkt es paradox, dass Hamburg sich auch noch mit einer Veranstaltung wie den Cruise Days schmückt. Für das Event laufen etwa ein Dutzend Luxusliner den Hafen an, um sich – in blaues Licht getaucht und mit sphärischen Klängen bespielt – zu präsentieren. “Catwalk der Kreuzfahrtschiffe” wird die Elbe dann von den Organisatoren genannt. Über diesen gleiten rußende XXL-Models hinweg. Mit der Forderung des Nabu, dass nur Kreuzfahrtschiffe an der Parade teilnehmen dürfen, “die über mehr als nur das Mindestmaß an Abgastechnik verfügen”, habe sich die zuständige Behörde noch nicht befasst. Das geht ebenfalls aus der Anfrage der CDU-Bürgerschaft hervor. Gemeint ist wohl die Umweltbehörde. Eine Einrichtung, die sich um die Gesundheit aller Hamburgerinnen und Hamburger sorgen sollte. Doch die Prioritäten liegen scheinbar woanders. Die Nutzung der Landstromanlage jedenfalls werde sich voraussichtlich auf dem aktuellen Niveau halten, so der Senat.
Die eigene CO2 Bilanz bestimmen
Mit dem UBA-CO2-Rechner vom Umweltbundesamt (UBA) kann man seinen persönlichen CO -Austoß berechnen. Damit appeliert das UBA an jeden Einzelnen, das eigene Mobilitäts-, Konsum- und Heiz-Verhalten zu reflektieren.