Nicht alle sind über die Feiertage tiefenentspannt und glücklich. Wie wirken sich Weihnachten und Silvester auf die mentale Gesundheit aus? Darüber hat FINK.HAMBURG mit Moderatorin und Sexualberaterin Mignon Kowollik gesprochen.
Titelbild: Laura Grübler
Weihnachten ist das Fest der Liebe und Harmonie, aber oft wird es sehr schnell sehr stressig. Dieser Stress kann die seelische Gesundheit erheblich beeinträchtigen. Ob wir hohe Erwartungen an das Fest haben, Konflikte in der Familie schwelen oder uns die dunkle Jahreszeit aufs Gemüt drückt – an den Feiertagen sollten wir auch auf unsere mentale Gesundheit achten.
Mit dem Thema mentale Gesundheit setzt sich auch Mignon Kowollik auseinander. Die Hamburgerin ist Moderatorin ihrer eigenen TV-Sendung „Mission Frau” und Sexualberaterin für Ashley Madison, eine Plattform für Menschen, die sich in einer Partnerschaft befinden, aber trotzdem daten möchten. Kowollik ist schon früh klar geworden, dass Sexualität und mentale Gesundheit zusammenhängen. Ihr ist es wichtig, sexuell frei, reflektiert und mental gestärkt durchs Leben zu gehen. Vor einigen Jahren war sie selbst in Therapie, um den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten. Heute ermutigt sie andere Menschen, zu sich zu stehen und über ihrer sexuellen und mentalen Probleme zu sprechen.
FINK.HAMBURG: Warum sind die Weihnachtsfeiertage und Silvester eine mentale Herausforderung für manche?
Kowollik: Ich glaube, das ist so, weil wir alle mit einem Idealbild im Kopf groß geworden sind. Filme und Werbung verkaufen uns Weihnachten immer als etwas Schönes, etwas Besinnliches. Wir müssen mit unseren Liebsten zusammen sein und alles ist harmonisch. Aber die Realität sieht bei vielen anders aus. Für manche bedeutet Weihnachten Stress oder Belastung. Manche sind tatsächlich auch alleine.
Was, wenn man an Weihnachten allein ist?
Kowollik: Jede*r sollte Weihnachten möglichst so gestalten, dass es einem gut geht. Ich mache mir ein leckeres Abendessen, etwas, was ich mir sonst nicht gönne. Mache einen schönen Spaziergang, genieße die Zeit für mich selbst. Allein zu sein, fällt aber natürlich nicht jedem*r leicht. Es gibt verschiedene Angebote, wie zum Beispiel digitale Feiern oder andere Einrichtungen, die an Heiligabend offen sind. Oder auch ehrenamtliche Tätigkeiten sind eine tolle Beschäftigung für die Feiertage.
Was tun, wenn man sich durch den Abend mit der Familie unter Druck gesetzt fühlt?
Kowollik: An so einem Fest muss man vielleicht auch ungewollt Kompromisse eingehen, damit es nicht sehr eskaliert. Man muss wirklich auf sich hören und versuchen, den eigenen Druck und die Erwartungen der anderen nicht zu nah an sich heranzulassen. Weihnachten mit der Familie kann wunderschön sein, aber wenn man merkt, es tut nicht gut, muss man sich wirklich im Vorfeld überlegen: Tue ich mir und meiner Familie das an? Und wenn es zu viel wird, kann man dafür sorgen, dass man kurz mit sich ist. Vielleicht alleine spazieren gehen oder sich einen Rückzugsort suchen. Atemübungen sind sehr, sehr wichtig. Die helfen mir jedenfalls ungemein.
Was hältst du von Silvester und Vorsätzen?
Kowollik: Es heißt ja, Vorsätze sind da, um sie zu brechen – alle Jahre wieder. Man denkt immer, mit der Änderung der Jahreszahl müsste man auch etwas an sich ändern. Ich meine, viele Vorsätze sind positiv: das Rauchen aufhören, gesund essen, vielleicht auch mehr Sport machen. Aber es ist oft schwierig, sie umzusetzen. Jede*r kann sich gerne Vorsätze nehmen, aber sie sollten greifbar und machbar sein, und sie sollten von sich aus kommen und nicht durch die Erwartung anderer. Das ist wichtig, weil Vorsätze auch Selbstoptimierung sind.
Würdest du sagen, dass Selbstoptimierung gesund für die Psyche ist?
Kowollik: Ich finde, ja. Selbstoptimierung ist super wichtig, weil es eine Verbesserung der persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten ist. Manche sind so gefestigt, dass sie es alleine schaffen und manche brauchen Unterstützung von Expert*innen. Aber an sich ist Selbstoptimierung ein wichtiger Teil der mentalen Gesundheit. Selbstoptimierung indivduell und daher gilt auch hier, sich nicht mit anderen zu vergleichen.
Findest du, dass Selbstoptimierung und Selbstliebe Hand in Hand gehen?
Kowollik: Ja, es kommt immer darauf an, wo der- oder diejenige steht. Liebe ist einer der schönsten Wörter, die wir haben und die schönste Macht, das schönste Gefühl. Es ist total wichtig, zu reflektieren und zu wissen, dass Optimierung auch etwas mit Selbstliebe zu tun hat.
Würdest du sagen, dass mentale Gesundheit stigmatisiert ist?
Kowollik: Gerade Corona hat viele gezwungen, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Es müsste aber noch viel mehr passieren, wie Angebote von Krankenkassen und Einrichtungen. Wartelisten für Therapeut*innen sind viel zu lang. Die betragen aktuell fünf bis sechs Monate, das waren mal drei Monate. Zum Teil hat sich das Angebot auch schon gut weiterentwickelt. Es gibt Rufnummern und Apps von und mit Expert*innen, die dabei helfen, sich mental zu stärken.
Und wenn man sich nicht traut, Hilfe in Anspruch zu nehmen?
Kowollik: Jede*r hat so seine / ihre Sorgen, seine / ihre Probleme, Geister aus der Vergangenheit oder Zukunftssorgen. Und jede*r darf Hilfe in Anspruch nehmen und sollte es auch. Es gibt Expert*innenen, die dafür geschult sind und die extra dafür da sind. Man sollte sich niemals schämen, egal wie dieses Problem oder das Anliegen aussieht. Mentale Gesundheit ist so individuell. Genau deswegen ist es so wichtig, auch schon bei kleinsten Bedenken Hilfe zu suchen, bevor es schlimmer wird. Das kann sehr schnell passieren. Und wenn man dann irgendwo drin ist, kommt man da nur schwer wieder raus.
Was wünschst du dir für 2023?
Kowollik: Ich wünsche mir, dass Menschen mehr auf sich hören, sich Auszeiten nehmen, dass sie neben Alltagsstress oder beruflichem Stress mehr im Hier und Jetzt leben. Das Leben ist so kostbar. Ich wünsche mir auch, dass die Leute, die Hilfe möchten und brauchen, auch schnelle Hilfe bekommen und dass sie keine Angst davor haben zu sagen: Ich brauche Hilfe, ich brauche mentale Unterstützung.