Gesund zu sein hat nicht nur mit dem Körper, sondern auch mit der Psyche zu tun. Und für beides gibt es Erste Hilfe! An der HAW Hamburg können Studierende seit diesem Semester Mental Health First Aid in Anspruch nehmen. Wir haben mit Ersthelferin Laura gesprochen.

Titelbild: Laura Grübler

Ob du dir ein Bein brichst oder eine Panikattacke hast – in jedem Fall steht dir Hilfe zu. Wenn du Schmerzen hast, kannst du  Ärzt*innen aufsuchen. Auch wenn es dir mental mal nicht so gut geht, sollte es Anlaufstellen geben. Gesundheit, gerade im Studium, ist ein wichtiges Thema – auch an der HAW Hamburg: Seit diesem Semester können sich Student*innen mit mentalen Problemen an die Mental Health First Aid-Ersthelfende wenden.

Das Konzept Menthal Health First Aid (MHFA) kommt ursprünglich aus Australien. Es wurde im Jahr 2000 durch Professor Tony Jorm ins Leben gerufen, einem Wissenschaftler für Früherkennung psychischer Störungen. MHFA Ersthelfer ist der von Mental Health First Aid International lizensierte Anbieter für die Ersthelfer-Kurse für psychische Gesundheit in Deutschland.

Seit diesem Wintersemester gibt es an der HAW Hamburg MHFA-Ersthelfer*innen. 35 Freiwillige haben im Mai ihre Ausbildung begonnen. Laura studiert Biotechnologie am Life Science Campus und ist eine von 28 einsatzbereiten Ershelfer*innen an der HAW. FINK.HAMBURG erklärt sie das Konzept und warum sie sich hat ausbilden lassen.

FINK.HAMBURG: Was ist MHFA?

Laura: Das kann man ganz gut mit den normalen Ersthelfer*innen vergleichen. Wenn wir einen Führerschein haben wollen, lernen wir die körperliche Erste Hilfe kennen. Und dieses Konzept wurde entsprechend auf die psychische Gesundheit übertragen. 

Wie bist du auf MHFA aufmerksam geworden?

Laura: Ich bin selbst chronisch krank und arbeite bei Peer to Peer. Auch das ist ein Angebot von Studierenden für Studierende. Hier berate ich Studierende mit Beeinträchtigungen sowohl psychischer als auch körperlicher Natur. Über das Programm bin ich dann auf die MHFA-Schulungen aufmerksam geworden und dachte, dass das eine gute Ergänzung ist.

Was ist der Unterschied zwischen Peer to Peer und MHFA?

Uns Ersthelfer*innen kann man bei Redebedarf immer ansprechen – auch auf dem Gang oder man findet uns über Campuls. Bei Peer to Peer geht das natürlich auch, hier liegt der Schwerpunkt aber in der Beratung von Studienangelegenheiten für Studierende mit psychischen Belastungen und chronischen Erkrankungen.

Mit welchen Problemen kann man auf euch zukommen?

Alle sind willkommen. Lieber zu früh, als zu spät. Fragen, die häufig in der Beratung aufgekommen sind: Kann ich auf Teilzeit umsteigen? Geht das überhaupt? Was ist, wenn ich wirklich gar nicht mehr kann und mag? Auch bei grundlegenden Sachen helfen wir gern oder verweisen auf andere Stellen. Wie ist das eigentlich mit der Finanzierung? Was ist potenziell möglich? Wir können auch in Kontakt mit deinem Prüfungsausschuss treten, wenn es da Probleme gibt. Unsere Hilfe soll einfach niederschwellig sein. Wir akzeptieren jede*n und stigmatisieren nicht. Für uns sind mentale Belastungen so normal, wie wenn man sich die Hand gebrochen hat. Nur dass man darüber offenbar einfacher sprechen kann als über psychische Erkrankungen.

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Wie sieht die Hilfe konkret aus?

Laura: Also in der Regel verabreden wir MHFA-Ersthelfer*innen uns mit den Hilfesuchenden zu einem persönlichen Gespräch. Wir treffen uns in einem Cafe oder im Park oder wir gehen spazieren. Wir wollen wirklich eine ganz lockere Atmosphäre schaffen, ohne jeden Zwang.

Erstmal hören wir alles an und schauen dann, wo die Ressourcen sind: Reicht es, einfach drüber zu reden oder gibt es ein tiefergehendes Problem? Wenn wir merken, dass wir nicht mehr helfen können, haben wir natürlich einige Kontaktstellen. Wir können an die psychologische Beratungsstelle der HAW vermitteln oder auch bei der Suche nach einem Therapieplatz oder einer Selbsthilfegruppe unterstützen. 

Wird das Angebot gut angenommen?

Laura: Also für MHFA haben wir noch keine Evaluation. Aber von Peer to Peer, weiß ich, dass viele Studierende mit Einschränkungen im Alltag zu kämpfen haben. Das sind mehr, als man immer so denkt. Hier wird das Angebot gut angenommen.

Wir haben drei regelmäßige Gruppen, die wir moderieren: einmal den Dialogabend für Studierende mit psychischen Belastungen, den Offenen Treff für Studierende mit chonisch-somatischen Erkrankungen und den Erfahrungsaustausch für Studierende aus dem Autismus-Spektrum. Hier soll ein Austausch untereinander stattfinden können – vernetzen, lockeres Reden, ohne Angst zu haben, dass man stigmatisiert wird. 

Am Anfang jeden Semesters machen wir eine Informationsveranstaltung. Da ist zumindest das Reinhören schon mal möglich. Für viele reicht das schon. Im Laufe des Semesters entwickelt sich das dann. Erst kommen nur ein paar, vor den Prüfungen kommen wieder mehr Studierende auf uns zu.

Wie wird man MHFA Ersthelfer*in?

Laura: Wir werden von der Hamburgischen Arbeitsgenossenschaft für Gesundheitsförderung (HAG) geschult. Da gibt es eine Art Workshop mit sechs Terminen à zwei Stunden. Da werden uns verschiedene psychische Störungen und der Umgang damit vorgestellt. Wir bekommen ein Schema an die Hand, nach dem wir uns richten können, um adäquat helfen zu können.

Warum ist mentale Gesundheit im Studium so wichtig?

Ich denke, ein Studium an sich ist einfach eine mentale Herausforderung. Wir stehen ständig unter Leistungs- und Prüfungsdruck. Obendrauf kommen dann noch finanzielle Sorgen. Man ist einfach ständig im Dauerstress. Depressionen oder Angststörungen verstärken diese Leiden zusätzlich. Und deswegen fand ich die Initiative so gut. Ich persönlich habe die Hoffnung, dass das von den Hochschulen allgemein mehr unterstützt wird. Denn der Kurs bringt auch mir total viel. Wie kann ich mir im Zweifel selber helfen? An wen kann ich mich wenden, wenn ich Probleme habe? Und wie kann ich den anderen helfen, ohne mich selbst mehr zu belasten als ich aushalte? 

Wie gehst du mit den Gesprächen um? Belastet dich das?

Laura: Ich glaube schon, dass ich mich ganz gut distanzieren kann. Wir haben aber, sollte es auch für uns mal belastend sein, entsprechende Austauschmöglichkeiten untereinander. Wir stehen innerhalb der HAW in Kontakt miteinander. Was ich aber betonen möchte ist, dass wir alles soweit anonymisieren, sodass auf die Person, um die es in der Beratung ging, keinerlei Rückschlüsse gezogen werden können. Wir haben uns verpflichtet, die Schweigepflicht einzuhalten.

Was erhoffst du dir für die Zukunft?

Laura: Ich glaube, bei der Grundeinstellung zum Thema mentale Gesundheit oder psychischen Erkrankungen braucht es immer noch Aufklärung. Und vielleicht können Studieninhalte dafür sensibilisieren. Ich hoffe natürlich, dass noch mehr Studierende auf das Programm aufmerksam werden, und dass es auch in Anspruch genommen wird. Und ich sag immer: Sprich uns gerne an, wenn du das Bedürfnis hast, mit einer außenstehenden Person zu sprechen. Und ich hoffe auch, dass die Ausbildung weiterläuft. Je mehr Leute diese Ausbildung gemacht haben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle genügend Ansprechpartner*innen haben. Wir brauchen diese Art von Netzwerk einfach, um uns gegenseitig zu helfen.