Am 10. Mai 1933 warfen Studierende in vielen deutschen Universitätsstädten Bücher ins Feuer. Im Rahmen des Literaturfestivals „Hamburg liest verbrannte Bücher” blicken Illustrations-Studierende der HAW Hamburg in ihrer Ausstellung „Feuerfest” auf die Bücherverbrennung zurück. Wir haben drei von ihnen getroffen.

Ein Beitrag von Alicia Wagner und Sophie Rausch

Als Philine Dorenbusch entschloss, sich im Rahmen ihres Illustrationsstudiums mit der Bücherverbrennung durch die NSDAP zu beschäftigen, suchte sie einen Einstieg ins Thema. Sie nahm die schwarze Liste der verbrannten Bücher zur Hand und achtete besonders auf die unbekannteren Autor*innen. Ein Buch, das sie besonders beschäftigte, hieß „Aufstand der Fischer von St. Barbara” von der Autorin Anna Seghers. Die Geschichte handelt über den Aufstand unzufriedener Fischer auf der Insel St. Barbara.

„Sie hat mich direkt in ihren Bann gezogen”, sagt die Studentin der HAW Hamburg. “Einfach weil ich das Meer liebe!” Sie wollte tiefer einsteigen in die Handlung. Doch wie recherchiert man zu einem Werk, dessen Inhalte fast gänzlich ausgelöscht wurde? „Wir sind in Bibliotheken, Zeitungsarchive, Stadtarchive gegangen oder haben uns in Lesesälen historische Briefe der Autoren durchgelesen”, erzählt Philine.

Charaktere wie Pipi Langstrumpf wurden verboten

Eine ihrer Erkenntnisse: Auf der schwarzen Liste der verbrannten Bücher stehen Werke, die lustig und humorvoll, liebenswürdig und ehrlich sind. „Texte, die nur so vor Menschlichkeit strotzen”, sagt Philine. Die Charaktere der verbotenen Kinderbücher seien Pippi Langstrumpf oft sehr ähnlich. Andere Texte thematisieren Lust, Trieb, Freude oder die Vielfalt der Geschlechter. Viele Geschichten haben einen Bezug zur Gegenwart, gerade aus diesem Grund sei es den Studierenden leicht gefallen, sich in die Texte hineinzuversetzen, erzählt Philine.

Porträt der Illustrationsstudentin Philine in der Ausstellung.
Philine Dorenbusch hatte die Idee für die Ausstellung zur Bücherverbrennung. Foto: Jan-Marius Komorek

Bachelor- und Masterstudierende des Studiengangs Illustration an der HAW Hamburg haben sich eineinhalb Jahre lang mit der Bücherverbrennung auseinandergesetzt. Ihre Illustrationen, Animationsfilme, Comics, Reportagen und Figuren lassen sich noch bis zum 18. Juni im Ausstellungsraum der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek ansehen. Die zündende Idee, sich illustrativ mit dem Thema auseinanderzusetzen, kam von der Masterstudierenden Philine Dorenbusch. Gemeinsam in der Gruppe organisierten sie die Ausstellung “Feuerfest”.

Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen

Die detailreichen Werke stellen die Texte, die Autor*innen, die Täter*innen der damaligen Zeit, aber auch die persönlichen Erfahrungen der Studierenden mit der Thematik dar. Es sei ein Versuch, die durch die Verbrennung entstandene Kulturlücke auf künstlerische Art und Weise zu schließen – zumindest teilweise. „Die Werke der damaligen Autor*innen zeigen nicht nur Texte, die einst im Feuer glühten, sie schärfen den Blick für aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Nur wenn man sich mit der Geschichte von damals auseinandersetzt, kann man für die Zukunft etwas lernen”, sagt Philine.


“Studierende haben auch Bücher verbrannt”

Svea Öhlschläger und Fritz Erler haben sich mit den Täter*innen in ihren illustrativen Arbeiten auseinandergesetzt. Wie war das für sie?

Die Illustrationsstudierenden Svea und Fritz vor der Ausstellung.
Svea Öhlschläger und Fritz Erler haben sich mit den Täter*innen der Bücherverbrennung auseinandergesetzt. Foto: Sophie Rausch

Svea Öhlschläger, Masterstudentin der Illustration

Wie hast du dich mit der Bücherverbrennung auseinandergesetzt?

Ich habe zunächst eine Wikipedia-Recherche gemacht. Ich muss gestehen, ich war sehr überfordert, weil es so ein großes geschichtliches Thema ist. Ich habe versucht, mich heranzutasten, aber allein der erste Satz war so umfangreich an Verlinkungen. Ich habe versucht, meine Eindrücke zu ordnen, zu zeichnen, wiederzugeben und daraus etwas Greifbares zu machen. Irgendwann waren meine Skizzenbücher voll und ich war immer noch bei der Frage: Warum konnte das alles passieren? Dieser Frage nachzugehen, ist sehr wichtig und gleichzeitig sehr frustrierend. Ich habe meine Recherche abgebrochen, weil ich mich an dieser Stelle nicht mehr damit beschäftigen konnte. In der Gruppe wurde entschieden, dass mein Beitrag am Anfang unseres Magazins “Ilma” stehen soll, um das Thema zu eröffnen.

Hattest du auch einen persönlichen Zugang?

Vor eineinhalb Jahren haben wir kleine Magazine gestaltet und uns mit Autor*innen beschäftigt, deren Werke verbrannt wurden. Ich habe mich mit der Autorin Lisa Tetzner beschäftigt. Von ihr habe ich „Der dicke fette Pfannkuchen“ als Kind gelesen. Das war mein sehr persönlicher Zugang zu den Büchern. In der zweiten Recherche wollte ich wissen, was auf Seiten der Täterschaft passiert ist und wer dahinter stand.

Wie war es für dich, diese schwere Thematik illustrativ darzustellen?

Ich zeichne sehr intuitiv. Dadurch, dass mich die Täter*innen sehr böse gemacht haben, konnte ich gut zeichnen. Dennoch hatte ich immer mal wieder Sorge, etwas falsch zu zeichnen, zum Beispiel die Uniformen. Die schwedische Comiczeichnerin Liv Strömquist versucht, schwere Thematiken mit einem lustigen Blick zu sehen. Und als ich gezeichnet habe, habe ich es so richtig übertrieben. Ich ließ die Gruppen sich einzeln vorstellen. So konnte ich mich in dem Moment davon distanzieren, es ein bisschen auf die Spitze treiben und gleichzeitig die Botschaft rüberbringen.

Mit welchen Herausforderungen warst du während deiner Arbeit konfrontiert?

Herausfordernd war, sich das Geschichtliche anzueignen. Ich habe immer stark die Angst, etwas Falsches herauszulesen oder etwas Falsches zu zeichnen. Im Rahmen der Recherche wurde aber deutlich: Es ist meine Sicht. Ich gebe also wieder, was ich gelesen und gelernt habe. Eine weitere Herausforderung war das Thema selbst, ich musste mich irgendwann davon distanzieren.

Was nimmst du aus der Beschäftigung mit der Bücherverbrennung mit?

Es gibt unterschiedliche Arten, sich mit einem historischen Thema zu beschäftigen. Man kann frei sein und das hat mir die Angst genommen, die ich am Anfang hatte. Es ist schön, dass hier so viele unterschiedliche Beiträge zusammen sind und ein großes Ganzes ergeben.

Was sollen Besucher*innen  aus der Ausstellung mitnehmen?

Informationen zu einem historischen Thema. Aber auch eine Anregung dafür, dass die Meinungsfreiheit, in der wir leben, nicht immer gegeben war. Ich würde mir wünschen, dass Besucher*innen darüber nachdenken, wie man diese achten und weiter fördern kann.


Fritz Erler: Bachelorstudent der Illustration

Wie hast du dich mit dem Thema der Bücherverbrennung auseinandergesetzt?

Ich habe an einem Projekt gearbeitet, das erklären sollte, wie die Zeit vor der Bücherverbrennung aussah. Der Fokus liegt darauf, wie es innerhalb der Studierendenschaft zu diesem Gedankengut kam. Die Information, dass Studierende die Bücher verbrannt haben, war mir neu. Ich glaube, dass es vielen so geht, deshalb wollte ich Hintergrundinformationen vermitteln.

Wie hast du den Zugang zum Thema gefunden?

Es war auf jeden Fall nicht leicht, weil ich nicht viel wusste. Ich habe versucht, das Thema auf eine persönliche Ebene zu bringen und mir vorgestellt, was es mit mir machen würde, wenn das geschriebene Wort nicht mehr frei ist. Das hat Interesse und Motivation hervorgebracht. Ansonsten war es ein Kampf, sich in das historische Thema einzulesen.

Dieses Thema illustrativ darzustellen, war sicherlich nicht einfach, oder?

Die Schwierigkeit war auch der Reiz, mit dem ich in den Kurs gegangen bin. Obwohl ich am Anfang noch nicht wusste, was ich inhaltlich machen will, war das Interesse da.

Mit welchen Herausforderungen warst du während deiner Arbeit konfrontiert?

Bildlich gab es nicht allzu viel Referenzmaterial zum Thema. Im Internet findet man immer die gleichen Bilder. Es gibt kein sonderlich großes Fotoarchiv. Fotos sind allerdings etwas, worauf ich in meinem zeichnerischen Ansatz zurückgreife. Und außerdem war es mir wichtig, mich beim Zeichnen an der Wirklichkeit zu orientieren. Eine weitere Herausforderung waren die dazugehörigen Texte. Ich dachte zwischendurch, dass ich das Projekt nicht umsetzen kann, da ich kein Historiker bin. Ich habe mich nicht qualifiziert genug gefühlt, habe aber dann Hilfe von Kommiliton*innen bekommen. Ich habe außerdem mit zwei Historikern zgesprochen, die mir Feedback zu meinen Texten gegeben haben.

Was nimmst du aus der intensiven Beschäftigung mit der Bücherverbrennung mit?

Je mehr man sich mit einem großen Thema beschäftigt, desto mehr Interesse entwickelt man während des Prozesses. Als ich im Laufe des halben Jahres die Arbeiten der anderen gesehen habe, kam mehr und mehr Interesse und Begeisterung auf. Es wurde immer persönlicher. Am Anfang war es ein Stück Geschichte, am Ende etwas, in das man sich emotional eingebunden fühlte.

Was sollen Besucher*innen aus der Ausstellung mitnehmen?

Interesse für das Thema wecken, das zu lang unbebsprochen blieb. Ich hoffe, dass sie Lust bekommen, Leuten davon zu erzählen, die dann ebenfalls die Ausstellung besuchen – sodass die Informationen verbreitet werden und solche Dinge nie wieder geschehen.

Die Ausstellung in der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek läuft noch bis zum 18. Juni. Am 6. Juni findet zusätzlich ein Abend im Metropolis Kino statt. Dort werden weitere Arbeiten gezeigt, die im Moment noch finalisiert werden.

Fotos: Jan-Marius Komorek und Alicia Wagner

Sophie Rausch, Jahrgang 1997, fühlt sich der Chemnitzer Band Kraftklub nicht nur musikalisch verbunden: Ihre Bachelorarbeit behandelt die Darstellung Ostdeutscher in “Spiegel” und “Zeit”, sie selbst stammt aus Brandenburg. In Bamberg studierte sie Kommunikationswissenschaft, Politologie und jüdische Studien. In Israel arbeitete sie in einem Wohnheim für autistische Menschen. Bei der Studierendenzeitschrift “Ottfried” war Sophie Chefredakteurin, privat wechselt sie ständig die Hobbys: Mal stickt sie, mal stellt sie Schmuck her, mal macht sie Badvorleger – der größte war so groß wie ein Topflappen. Kürzel: rau

­­Alicia Maria Wagner, Jahrgang 1998, könnte für die volle Länge von “Dancing Queen” die Luft anhalten, denn ihr Rekord im Apnoetauchen liegt bei 3 Minuten und 51 Sekunden – im Bodensee. Alicia stammt aus der Nähe von Stuttgart, in Tübingen studierte sie Medienwissenschaften und Englisch. Für ein Schmuckgeschäft machte sie dort Social-Media-Arbeit und Corporate Design, fotografierte und produzierte Videos. Sie ist zwar kein großer ABBA-Fan, aber dafür mag sie das Herkunftsland der Band umso mehr: Sie hat in ihrem Leben schon knapp zwei Jahre in Schweden verbracht, hat dort studiert, gecampt und einen Elch geküsst (es war ihr erster Kuss). Irgendwann zieht sie vielleicht ganz dorthin.
(Kürzel: awa).